Militär & Verteidigung Ertrunkene "Gorch Fock"-Kadettin von Marineoffizier verhöhnt
Ein Marineoffizier hat die 2008 ertrunkene "Gorch Fock"-Kadettin Jenny Böken und ihre Eltern öffentlich verhöhnt. "Da sind sie wieder, die Bökens: Mit einem Sammelsurium absurder Hirngespinste betreffs des Todes ihrer Tochter vergeuden sie seit mehreren Jahren das Geld anständiger Steuerzahler", schrieb der Soldat in einem Kommentar auf der Internetseite des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages. Die Marine leitete Ermittlungen ein.
Der Soldat warf den Eltern vor, zu leugnen, "dass ihre Tochter schlicht und ergreifend in Darwin-Award-fähiger Weise von der Back der Gorch Fock gestürzt ist." Der Darwin-Award ist ein Spottpreis für dümmste Methoden, aus dem Leben zu scheiden oder sich unfruchtbar zu machen.
Ein Marinesprecher bestätigte, dass es sich bei dem Mann, der im Internet seinen vollen Namen nannte, um einen Kapitänleutnant handelt. Gegen ihn werde dienst- und strafrechtlich ermittelt. Seine Äußerungen spiegelten nicht die Meinung der Marine wieder.
"Ich war fassungslos", sagte Mutter Marlis Böken dem "Flensburger Tageblatt". Vater Uwe Böken fügte hinzu: "Solche Äußerungen bestätigen mir, welche Haltung innerhalb der Marine herrscht." Auch in Marine-Foren sei der Ton scharf geworden. "Jenny hat ihr Leben verloren. Mehr kann man im Dienst nicht geben. Und wir haben gute Gründe, weiter Fragen zu stellen", sagte die Mutter.
Marine zeigt sich betroffen
Flottillenadmiral Georg von Maltzan reagierte betroffen: "Derartige Äußerungen, wie sie in den Kommentaren getätigt wurden, sind aus unserer Sicht völlig inakzeptabel", sagte der Chef des Stabes im Flottenkommando in Glücksburg. Die Marine prüfe den Fall, um in der Sache selbst die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. "Tatsache ist, dass in solchen Fällen eine Trennung zwischen dienstlichen und privaten Äußerungen nicht möglich ist."
Im Juni 2011 hatte der Kapitänleutnant auf der Internetseite der Zeitung Kritiker des Schiffs mit Blick auf den ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) als "charakterlose Bande von Politikern" bezeichnet. Diese hätten den Verlust des Schiffs als akzeptabel eingestuft, "nur um den Verteidigungsminister zu beschädigen".
Todesumstände weiter ungeklärt
Die Mutter der Kadettin wirft der Kieler Staatsanwaltschaft indessen Rechtsbeugung vor. Sie zeigte sich "überzeugt, dass bei den Ermittlungen in Schleswig-Holstein gemauert wird". Es sei schlampig ermittelt worden. Offenbar habe die Ermittlungsbehörde kein Interesse daran, die aufgeworfenen Widersprüche um den Tod ihrer Tochter aufzuklären.
Die damals 18-jährige Soldatin Jenny Böken war in der Nacht zum 4. September 2008 unter ungeklärten Umständen vor der Insel Norderney von Bord des Segelschulschiffes in die Nordsee gestürzt und ertrunken.
Schulschiff in den Schlagzeilen
Die "Gorch Fock" war in den vergangenen Jahren immer wieder in die Schlagzeilen geraten. Nach dem Tod einer weiteren Kadettin am 7. November 2010 wurde die Offiziersausbildung ausgesetzt und das Schiff 2011 an die Leinen gelegt. Damals wurden Vorwürfe über unmenschliche Ausbildungsmethoden und sexuelle Belästigung laut.
Im Zuge des Skandals wurde der damalige Kommandant Norbert Schatz beurlaubt. Der Wehrbeauftragten des Bundestages, Helmut Königshaus, stellte "Führungsdefizite und Sicherheitslücken" fest.
Derzeit liegt die "Gorch Fock" zu Instandsetzungsarbeiten auf einer Werft im niedersächsischen Elsfleth. Sie soll laut Marine noch 2012 wieder in See stechen und 2013 auch wieder Offizieranwärter an Bord nehmen, die dann nach einem neuen Konzept ausgebildet werden.