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BSW: Wagenknecht wusste von Problemen in Hamburg


Austausch mit BSW-Rebellen
Private Wagenknecht E-Mails im Hamburg-Skandal


12.01.2025 - 09:52 UhrLesedauer: 4 Min.
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Wagenknecht und die BSW-Rebellen Norbert Weber (l.) und Dejan Lazić (r.) standen schon frühzeitig in Kontakt zum Chaos in Hamburg. (Quelle: IMAGO/Chris Emil Janssen/imago)
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Die Bundesspitze wollte das BSW-Chaos in Hamburg offenbar der dortigen Spitzenkandidatin Zaklin Nastić anlasten. Dabei war Sahra Wagenknecht selbst schon vor Monaten in Kontakt mit den Quertreibern des BSW – und scheiterte daran, den Konflikt zu lösen.

Die Vorsitzende des BSW, Sahra Wagenknecht, wurde schon vor Monaten vor dem Chaos im Landesverband in Hamburg gewarnt. Das geht aus E-Mails zwischen den sogenannten "BSW-Rebellen" und der Parteichefin hervor, die dem Nachrichtenportal t-online vorliegen. Den Konflikt, der zwischenzeitlich mit der Entmachtung ihrer einstigen Vertrauten Zaklin Nastić endete, konnte sie trotzdem nicht schlichten.

Kritiker in der noch jungen Partei werfen Wagenknecht darum mangelnde Organisation vor und beklagen gleichzeitig autoritäre Strukturen innerhalb des Bündnisses. Vor allem im Landesverband Hamburg ist die Stimmung schlecht.

Das Chaos im Norden könnte dabei auch auf dem heutigen Bundesparteitag in Bonn zum Problem für die Namensgeberin werden. Werden sich weitere Kritiker zu Wort melden?

Kritiker formierten sich früh

Die BSW-Rebellen aus Hamburg sind mittlerweile zum Sinnbild einer kippenden Stimmung im Bündnis Sahra Wagenknecht geworden. t-online berichtete zuerst darüber, dass Dejan Lazić und Norbert Weber fehlende demokratische Strukturen innerhalb der Partei beklagten. Zuletzt eskalierte die Situation, weil die beiden, gemeinsam mit einigen anderen kritischen Geistern innerhalb des Hamburger Bündnisses, einen eigenen Landesverband und auch einen Bezirksverband Hamburg-Mitte/Nord gegründet hatten.

Sie wollten damit unter anderem die umstrittene Aufnahmepraxis des BSW umgehen, der zufolge nur vom Bundesvorstand in Berlin genehmigte Personen in die Partei und ihre Landesverbände aufgenommen werden dürfen. Sie sind überzeugt, dass das gegen das Parteienrecht verstoße. Und sie klagten gegen den Ablauf des Parteitages in Hamburg, weil ein Mitglied des Bundesvorstandes die Sitzung im Präsidium leitete. Diese Maßnahme, die entweder als Unterstützung oder als Einflussnahme aus Berlin gewertet werden kann, ist satzungswidrig. Der Parteitag musste wiederholt werden (t-online berichtete).

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Mittlerweile wurden Lazić und Weber alle Mitgliederrechte entzogen und sie sollen aus der Partei ausgeschlossen werden. Die Begründung: unter anderem parteischädigendes Verhalten. Dabei war ihr Anliegen eigentlich das genaue Gegenteil: demokratische Strukturen und Mitgliederbeteiligung. Das Chaos in Hamburg führte dazu, dass das BSW bundesweit belächelt wurde.

Bauernopfer Nastić

Das prominenteste Bauernopfer war die Hamburger Spitzenfrau und einstige Wagenknecht-Vertraute Zaklin Nastić. Sie verkündete am Freitag zunächst, nicht als Spitzenkandidatin anzutreten, wurde nach t-online-Informationen dazu aber offenbar vom Bundesvorstand gedrängt. Der "Berliner Zeitung" bestätigte Nastić, dass die Pressemitteilung des Landesverbandes nicht mit ihr abgestimmt gewesen sei. Sie wurde für das Chaos in Hamburg verantwortlich gemacht. Nachdem mehrere Medien das berichtet hatten, kam es am Samstag zum Rückzug vom Rückzug: Nastić kandidierte für Listenplatz 1. Alles sei ein großes Missverständnis gewesen, hieß es.

Hinter den Kulissen schütteln derweil viele BSW-Mitglieder den Kopf. Und jetzt kommt heraus: Das Chaos hätte auch verhindert werden können – und zwar von Sahra Wagenknecht persönlich. Denn die BSW-Rebellen hatten sich frühzeitig per E-Mail an die Parteichefin gewandt. Diese Mails liegen t-online vor. Sie sind Bestandteil eines Verfahrens am Schiedsgericht der Partei.

Schon im März Kontakt mit Wagenknecht

Schon im März 2024 hatten sich Lazić und Weber erstmals an Wagenknecht persönlich gewandt. Weil sie keine Antwort bekamen, schrieben sie im Juni unter Verweis auf die erste Mail noch einmal. Im Juli noch ein drittes Mal. Inhalt der Schreiben, die t-online vorliegen: die Bitte um Klärung. Sie hofften, dass Wagenknecht ihnen jetzt helfen könne.

Sie schreiben wörtlich, sie möchten ihre "Besorgnis und Unzufriedenheit über den aktuellen Aufbauprozess unseres Landesverbandes zum Ausdruck bringen. Es gibt mehrere Punkte, die sowohl gegen die Parteisatzung als auch gegen das Parteiengesetz verstoßen und die Prinzipien von Vernunft und Gerechtigkeit, für die unsere Partei steht, untergraben".

Da sie unter anderem den undemokratischen Aufbau des Landesverbandes kritisiert hatten, sei ihnen "jegliche Teilnahme an parteilichen Arbeitsgruppen, Unterstützertreffen, Regionaltreffen usw. verwehrt" worden. Sie kündigten schon in diesen Mails aus dem Juni an, im Zweifel auch juristische Wege zu gehen, appellierten aber, den Konflikt gütlich zu lösen.

Wagenknecht antwortete

Wagenknecht antwortet dann sogar auf die Mail der Rebellen – wenige Tage nach der Anfrage. Und zwar nicht mit Unverständnis. Ganz im Gegenteil. Sie schreibt: "Lieber Norbert, lieber Dejan, vielen Dank für eure Mail. Das klingt wirklich nicht gut." Sie sei im Urlaub, aber: "Ich verspreche Euch, dass ich mich darum kümmere, sobald ich zurück bin." Sie bemängelt in der Mail an die BSW-Rebellen, dass der Aufbau des Hamburger Landesverbandes tatsächlich nicht gut laufe.

"Dass die Hamburger Wahlkampf-Kundgebung deutlich schlechter besucht war, als alle vergleichbaren Veranstaltungen in westdeutschen Städten, war mir auch aufgefallen und ich hatte mich gewundert, woran das lag", so Wagenknecht in der Mail. Man müsse in Hamburg dringend etwas tun, und scheint sicher, man dürfe "das nicht weiter aussitzen".

Es passierte nichts

Weber und Lazić schienen zunächst zufrieden. Doch es passierte weiter nichts. Wieder wendeten sie sich an Wagenknecht. Dieses Mal aus Verzweiflung sogar auf ihrer privaten E-Mail-Adresse. Sie schreiben, dass sich die Situation sogar noch weiter zugespitzt habe. Ihre Mails sind als eine Art Hilferuf an die Parteichefin zu lesen.

Und die antwortete wieder. Im August 2024.

"Lieber Norbert, lieber Dejan, wir haben uns mit der Situation in Hamburg im Präsidium beschäftigt. Der Landesverband wird jetzt neu aufgebaut, um aus der verfahrenen Situation heraus zu kommen. Viele Grüße, Sahra."

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Auf Anfrage bestätigen Lazić und Weber den E-Mail-Verkehr. Und auch, dass sie danach nie wieder etwas von Sahra Wagenknecht gehört hätten. "Sahra hat den Laden nicht im Griff", sagt Dejan Lazić. Er habe sich mehr von seiner Parteichefin erhofft.

Das Ende ist bekannt. Lazić und Weber gründen ihren eigenen BSW-Landesverband, die Bundespartei einen zweiten. Chaotische Zustände in Hamburg. Den beiden Kritikern droht ein Parteiausschlussverfahren, die Mitgliederrechte wurden ihnen entzogen. Zaklin Nastić, die Wagenknechtvertraute, die den Aufbau des Landesverbandes mit verantwortete, wurde zwischenzeitlich kaltgestellt und der Hamburger Landesverband geriet weit über die Grenzen der Hansestadt in die Schlagzeilen.

Verwendete Quellen
  • E-Mails aus Schiedsgerichtsverfahren
  • Eigene Recherche

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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