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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Erster Lockdown vor einem Jahr "Wird es überhaupt noch einmal normal?"
Geschlossene Geschäfte, Kontaktbeschränkungen und permanente Sorge um die Gesundheit. Das denken t-online-Leser nach einem Jahr der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie.
Genau ein Jahr ist es nun her, dass in Deutschland vieles dichtgemacht wurde. Bundeskanzlerin Angela Merkel verkündete am 16. März 2020, auf welche Maßnahmen sich Bund und Länder geeinigt hatten, um der Ausbreitung des noch neuen Coronavirus Einhalt zu gebieten. Sie sprach von "Maßnahmen, die es so in unserem Lande noch nicht gegeben hat." Der erste Lockdown wurde entschieden. Damals rechnete kaum jemand damit, dass die Krisensituation länger als ein Jahr anhalten würde.
Wir haben die Leserinnen und Leser von t-online gefragt: Wie geht es Ihnen ein Jahr danach? Darüber hinaus wollten wir von ihnen wissen, was Sie für sich aus der Pandemie mitnehmen, wem sie während der schwierigen Zeit das größte Vertrauen entgegenbringen und mit welchen Hoffnungen Sie aktuell in die Zukunft blicken.
Mehr als 3.000 Rückmeldungen haben wir auf unsere Fragen erhalten. Das Mitteilungsbedürfnis ist offensichtlich groß. Denn die Ereignisse des vergangenen Jahres haben jede und jeden direkt im eigenen Alltagsleben getroffen. Und je länger die Situation andauert, desto größer werden der persönliche Frust und das Verlangen nach einer Rückkehr ins alte Leben mit den alten Freiheiten. Das sind die Ergebnisse der nicht repräsentativen Umfrage unter den Leserinnen und Lesern von t-online:
Ein Jahr Lockdown: Wie geht es Ihnen?
Die Einschränkungen zehren inzwischen sichtlich an den Nerven. Wir wollten wissen: Wie geht es Ihnen gerade? Die Stimmung ist durchwachsen. Mit 32 Prozent gibt die größte Gruppe von Befragten als Antwort "mittelmäßig" an. Mehr als jeder vierte Befragte schätzt seine Grundstimmung momentan als eher schlecht bis schlecht ein. Immerhin geben aber auch ganze 42 Prozent an, dass es ihnen gut oder eher gut gehe – trotz der aktuellen Situation.
"Einsamkeit deprimiert"
Die Erkenntnisse, die Menschen aus der Pandemie für sich mitnehmen, sind sehr unterschiedlich. Dabei hängen sie auch stark von der eigenen Lebenssituation ab. So schreibt Leser Willi Rummenie kurz und einfach: "Einsamkeit deprimiert." Gerade für alleinlebende Menschen spielt Einsamkeit aktuell oft eine große Rolle.
Leserin C. Lamprecht hat hingegen mit ganz anderen Problemen zu kämpfen: "Wir werden einfach hängen gelassen. Haben Kindergartenbeitrag bezahlt und bekommen nichts zurück. Habe meine Arbeit verloren, weil einfach alles zugemacht wurde. Es interessiert niemanden, ob und wie man rumkommt. Es werden so viele Menschen in die absolute Armut rutschen und das alles unverschuldet."
Für einige Befragte überwiegen aber auch positive Erkenntnisse aus der Pandemiezeit. Sie profitieren von einer Entschleunigung des eigenen Lebens oder der Möglichkeit für mehr Homeoffice. Norbert Kleinhans hat zudem etwas über seine Mitmenschen gelernt, womit er nicht gerechnet hätte. "Die nicht erwartete Disziplin der Bevölkerung im Umgang mit den Einschränkungen" erstaunt ihn.
Sind die aktuellen Einschränkungen richtig?
Ein Großteil der Leserinnen und Leser halten strikte Maßnahmen während der Pandemie für sinnvoll. Zumindest solange es noch keinen relevanten Impffortschritt gebe. Dennoch fehlt vielen langsam das Verständnis für die Grundlagen, auf denen die politischen Entscheidungen getroffen werden. Entsprechend formuliert Uwe Pleß: "Massive Einschränkungen sind unbedingt notwendig, allerdings an vielen Stellen nicht nachvollziehbar und ungerecht."
Für die Kritiker der aktuellen Maßnahmen ist eine inzwischen fehlende Nachvollziehbarkeit der Einschränkungen der wichtigste Aspekt. Anja G. nennt als Grund beispielsweise die "Ungerechtigkeit gegenüber vielen Branchen". Auch andere Leser fordern: Wer gute Hygienekonzepte vorweisen könne, solle regulär arbeiten beziehungsweise Geschäfte, Restaurants oder Hotels öffnen dürfen.
Dabei bereiten aber gerade die langsam anlaufenden Lockerungen vielen Teilnehmenden deutlich Sorgen. Philipp Dörr fragt: "Warum kann man nicht wahrhaben, dass Lockerungen sofort wieder zur Explosion der Fallzahlen führen?" Gleichzeitig ist der Wunsch unter den Leserinnen und Lesern verbreitet, zu wissen, wie lange es noch durchzuhalten gilt. Entsprechend beklagt Ferdinand Kehnen: "Es fehlen die Perspektiven. Wird es überhaupt noch einmal normal?"
Die Wissenschaft genießt größtes Vertrauen
Wem also vertrauen die Leserinnen und Leser während der Pandemie? Bei der Frage gibt es einen klaren Sieger: die Wissenschaft. 53 Prozent der abgegebenen Stimmen entfallen auf sie. Und das, wie viele betonen, besonders in Abgrenzung zur Politik, die lediglich 3,5 Prozent als besonders vertrauenswürdig empfinden. Ina K. begründet: "Die Erkenntnisse sind erforscht und greifbar. Sie sind einfach besser nachzuvollziehen als so manche politische Entscheidung."
Viele Leserinnen und Leser teilen die Sorge von Friedrich Rütz: "Politiker richten sich nach der Stimmung und nicht nach Fakten." Dabei gibt es zwei Ausnahmen, die in den Einsendungen immer wieder genannt werden: Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Ihre wissenschaftliche Kompetenz verleiht ihrem politischen Amt während der Pandemie mehr Glaubwürdigkeit. So schreibt Kerstin Hempelmann: "Dem RKI, Frau Merkel und Herrn Lauterbach vertraue ich." Gerd Neysters positioniert sich noch deutlicher: "Der einzige glaubhafte Politiker dieser Pandemie ist Herr Lauterbach, der rein wissenschaftlich die Risiken erklärt."
Die große Zahl von 37,9 Prozent der Befragten, die vorrangig ihrem persönlichen Umfeld vertrauen, stören sich am ständigen Hin und Her der politischen Entscheidungen während der Pandemie und dabei speziell am Föderalismus. Die Politik habe zu oft ihre Meinung geändert. Entsprechend wenden sie sich ab und vertrauen wie Christiane Meyer-Thoss lieber auf gesunden "Menschenverstand" von Familie und Freunden.
Wenig Vertrauen in die Entscheidungen der Politik
Die konkrete Frage danach, wie gut sich die Leserinnen und Leser aktuell noch von der Politik vertreten fühlen, bestätigt deutlich: Fast 45 Prozent der Befragten können die politischen Entscheidungen nicht mehr nachvollziehen. Weitere 25 Prozent haben überwiegend Zweifel. Damit ist nur ein knappes Drittel der Leserinnen und Leser noch grundsätzlich von den politischen Entscheidungen überzeugt.
Hoffnungen für die nächste Zeit: Viel hängt am Impfstoff
Die Impfungen gegen das Coronavirus sind die größten Hoffnungsbringer. Ein Großteil der Antworten der Leserinnen und Leser hängt mit ihnen zusammen. Sie wünschen sich wie Karlheinz Bauer, dass "mit dem Impfstoff das normale Leben wieder beginnt." Die Umfrage wurde allerdings vor dem Impfstopp des Astrazeneca-Vakzins durchgeführt.
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Manche Leserinnen und Leser überlegen sich aber auch: Was können wir als Gesellschaft aus der Pandemie lernen? So hofft Kathrin Bulgarin "auf verändertes Einkaufsverhalten hinsichtlich Nachhaltigkeit und Regionalität". Julie Genssler denkt an die positiven Auswirkungen auf das soziale Miteinander. "Ich hoffe, die Geduld beim Anstehen in einer Schlange bleibt. Im Supermarkt ist es sehr entspannt geworden. Auch dass wildfremde Menschen sich miteinander unterhalten. Eine Plauderei vor der Bäckerei oder an der Bushaltestelle ist doch nett."
Was würden Sie gerne wieder machen?
Was aber fehlt den Menschen aktuell am meisten? Ganz eindeutig die persönlichen Kontakte. Viele vermissen Freunde und Familie. Karlheinz Bauer bringt auf den Punkt, was viele denken: "Sich einfach mal losgelöst und befreit bei einem Glas Wein mit Freunden treffen."
Ansonsten stehen die schon oft genannten Klassiker weiter hoch im Kurs: Urlaub, Essengehen, ins Kino gehen. Doch eine große Sehnsucht der Leserinnen und Leser von t-online ist wohl eher überraschend: Sie wollen endlich wieder in der Sauna schwitzen.
- Einsendungen von Leserinnen und Lesern von t-online
- Abstimmung unter Leserinnen und Lesern von t-online
- Zeit.de: Einsam im Lockdown
- Spiegel.de: "Maßnahmen, die es so in unserem Lande noch nicht gegeben hat"