Kriegsende: Deutschlands Weg vom Trümmerland zur Bundesrepublik
Berlin, 2. Mai 1945: Die Schlacht um die deutsche Hauptstadt ist geschlagen, die Rote Armee hat gesiegt. Bereits am 30. April hatte Adolf Hitler Suizid im "Führerbunker" der Reichskanzlei begangen, während noch tagelang weiter gekämpft und gestorben wurde. Erst am 8. Mai kapitulierte die Wehrmacht bedingungslos.
Anders als im November 1918 war im Mai 1945 unwiderruflich klar, dass das Deutsche Reich diesen Krieg verloren hatte. Deutschland war allerdings nicht nur militärisch besiegt, sondern auch moralisch. Auf ihrem Weg durch Europa befreiten die alliierten Armeen zahlreiche deutsche Konzentrationslager. Und waren entsetzt angesichts der Verbrechen, die dort begangen worden waren. Diese Kinder wurden im Januar 1945 von der Roten Armee im Konzentrationslager Auschwitz befreit. Unter anderem mit Plakaten, die die Aufschrift "Diese Schandtaten: Eure Schuld" trugen, konfrontierten die Alliierten die Deutschen mit Bildern des Massenmords.
Bei Kriegsende sind viele deutsche Städte, wie hier etwa Köln, schwer zerstört. Als "Stadt der Warenhäuser" bezeichneten die Berliner sarkastisch ihre Stadt: "Hier war'n Häuser, da war'n Häuser". Niemand wusste, was die Zukunft bringen wird. Konrad Adenauer, der spätere Bundeskanzler, befürchtete das Schlimmste: "Wenn nicht ein Wunder geschieht, geht das deutsche Volk zugrunde, langsam, aber sicher." Viele Menschen hungerten, der sowjetische Politiker Anastas Mikojan beobachtete etwa in Berlin, dass Menschen die "Rinde von den Bäumen" aßen.
Die Alliierten teilten Deutschland und Berlin in jeweils vier Besatzungszonen auf. Die westlichen Mächte wollten die Deutschen allmählich zur Demokratie erziehen, das Verhältnis war vorerst allerdings von großem Misstrauen geprägt. So durften die Bewohner der französischen Besatzungszone nur mit spezieller Erlaubnis Fahrrad fahren, die Haltung von Brieftauben war ihnen untersagt. Angesichts des verbreiteten Hungers stieg die Kriminalitätsrate drastisch an, der Schwarzmarkt florierte. Besonders amerikanische Lucky Strikes waren als Zahlungsmittel besonders begehrt.
Nach der Kapitulation 1945 war Deutschlands Lage für viele Menschen schier hoffnungslos. Mehr als fünf Millionen Soldaten waren gefallen, über elf Millionen waren in Kriegsgefangenschaft gegangen. Zivilisten wurden zu Millionen vermisst oder waren umgekommen. Flüchtlinge und Vertriebene aus dem Osten kamen bald ebenfalls zu Millionen in die alliierten Besatzungszonen. Oder waren auf der Flucht vor der Roten Armee bereits dort. Die Einstellung der westlichen Alliierten wandelte sich gegenüber den Deutschen allerdings allmählich. Die Demontagen, also der Abbau von Industrieanlagen in Deutschland als Kompensation für die Kriegsschäden, wurde verringert.
Im November 1945 begann in Nürnberg der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher. Höchstrangiger Angeklagter war Hermann Göring. In diesem und den nachfolgenden Nürnberger Prozessen wurden NS-Kriegsverbrecher angeklagt. Für viele Deutsche galten die Prozesse als Siegerjustiz, genau wie die von den Alliierten angeordnete Entnazifizierung, die mit der Verschärfung des Kalten Kriegs immer halbherziger verfolgt wurde. Der verstorbene NS-Massenmörder Christian Wirth wurde etwa 1949 von einer Spruchkammer als "minderbelastet" eingestuft.
Immer mehr spätere Bundesländer entstanden im Westen – wie etwa Nordrhein-Westfalen 1946. Die Deutschen konnten dort die Demokratie praktisch unter alliierter Aufsicht erproben, die SPD war etwa 1945 wieder gegründet worden, mit der CDU war im gleichen Jahr eine überkonfessionelle Partei entstanden. Die Presse, etwa in Form des 1946 gegründeten "Spiegel", genoss allmählich mehr und mehr Freiheiten. Vor allem änderte sich auch die Einstellung vieler Deutscher gegenüber den siegreichen USA. Was auch an den vielen Care-Paketen aus Übersee lag.
Auch der Umgang der westlichen Alliierten mit den Westdeutschen änderte sich. Um jeden Preis wollten etwa die USA verhindern, dass ganz Deutschland unter sowjetische Kontrolle geriet. Der Alltag vieler Deutscher war hingegen noch von existenziellen Sorgen geprägt. Hunger und Unterernährung waren auch noch lange nach Kriegsende vorhanden, Wohnraum war knapp. Aus Wurzeln wurde etwa Muckefuck hergestellt, aus Kartoffelschalen Brot.
1948 vereinigten die USA, Großbritannien und Frankreich ihre Besatzungszonen zur Trizone (mit der Ausnahme des Saarlandes). Bald setzten sie in diesem Gebiet ein deutliches Zeichen für einen Neuanfang – die Währungsreform. Denn sie ermöglichte West-Deutschland die Teilhabe am Marshallplan, mit dem die USA das zerstörte Europa wieder aufbauen helfen wollten. Am 20. Juni 1948 gab es den "Kopbetrag" in Höhe von 40 D-Mark, Geld war plötzlich wieder etwas wert, die Regale in den Läden füllten sich wieder. Weit im Osten, in Moskau, hingegen beobachtete Diktator Josef Stalin die Vorgänge in West-Deutschland misstrauisch.
Am 24. Juni 1948 begann die Sowjetunion mit der Blockade West-Berlins – Stalin wollte es unter seine Kontrolle bringen. Doch die westlichen Alliierten leisteten Widerstand. Per Luftbrücke versorgten sie die Stadt mehr als 300 Tage lang per Flugzeug. Berühmt wurde die Rede des West-Berliner Oberbürgermeister Ernst Reuter "Schaut auf diese Stadt." Während Flugzeug für Flugzeug in West-Berlin landete, ereignete sich am 1. September 1948 im fernen Bonn etwas Außergewöhnliches. Dort trat der Parlamentarische Rat zusammen. Sein Ziel: die Ausarbeitung des Grundgesetzes.