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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Melania Trump und die Mode "So eine First Lady haben wir lange nicht gesehen!"
Die Ehefrau des 45. Präsidenten der USA interpretiert die Rolle der First Lady sehr eigenwillig. Erst fünf Monate nach dem Amtsantritt ihres Mannes ist Melania Trump mit dem gemeinsamen Sohn Barron im Weißen Haus eingezogen, in der Öffentlichkeit war sie bisher nur selten als Frau des Staatsoberhauptes zu sehen.
Bei ihren sorgsam dosierten Auftritten setzt das frühere Model vor allem durch ihre Kleidung Statements. Im Gespräch mit t-online.de erklärt die Kommunikationswissenschaftlerin und Mode-Expertin Prof. Dr. Christina Holtz-Bacha, welche Botschaften hinter den Kleidern und Kostümen der First Lady stecken könnten.
t-online.de: Frau Holtz-Bacha, Sie schreiben, dass Kleidung zur Inszenierung der Politik gehört und damit Zeichen gesetzt werden sollen. Welche Zeichen sendet Melania Trump mit ihren Outfits aus?
Prof. Dr. Christina Holtz-Bacha: Erst einmal allgemein zum Thema "First Lady", ganz unabhängig von der Person Melania Trumps: Die hochgestellten Politiker werden sehr stark durch die sie begleitenden Frauen definiert. Deshalb steht die Art und Weise, wie sich die Damen kleiden, immer im Blickfeld der Öffentlichkeit. Wenn die Ehefrau gut und dem Anlass entsprechend gekleidet ist, dann schmückt das auch den Präsidenten. Die First Lady und ihre Kleidung tragen also zum Image des Staatsoberhaupts bei. Man muss nur an die Obamas zurückdenken: Michelle Obama wurde ja geradezu zu einem Vorbild, was Kleidung angeht.
Bei Melania Trump wurde die Kleidung noch vor dem Amtsantritt ihres Mannes im Januar zum Politikum. Denn einige große Mode-Designer, die in der Vergangenheit für First Ladys gearbeitet haben, sagten, sie würden Melania Trump nicht einkleiden.
Nach der Amtseinführung im Januar stellte die Auslandsreise ihres Ehemannes Ende Mai für Melania Trump den ersten großen Auftritt als First Lady dar. Vor dem Abflug aus Washington ist sie hier in einem enganliegenden Lederrock zu sehen. Was sagen Sie zu diesem Outfit?
Dieses Foto vor dem Abflug ist schon bemerkenswert: Hier hat sie vermeintlich "bequeme" Reisekleidung an. Wir müssen immer im Hinterkopf behalten, dass die Dame einmal Model war. Sie hat diese Modelfigur, und das allein bringt schon bestimmte Erwartungen an ihre Kleidung mit sich.
Dieses Foto zeigt die First Lady bei der Ankunft in Saudi-Arabien.
Da ist sie schon fast orientalisch gekleidet! Das kommt mir sehr dem Anlass angepasst vor: Mit diesem schwarzen Hosenanzug, der durch seine weiten Beine fast wie ein bodenlanges Kleid wirkt. Es wurde viel darüber diskutiert, dass die Damen – Melania Trump und ihre Stieftochter Ivanka – nichts auf dem Kopf trugen. Aber sie sind ja nicht die Ersten: Angela Merkel hatte auch kein Kopftuch aufgesetzt, als sie zum Staatsbesuch in Saudi-Arabien war.
Auffällig ist auch der goldene Gürtel, den sie trägt - vor allem vor dem Hintergrund, dass bei dem Besuch auch über Waffenexporte und Wirtschaftsdeals geredet wurde. Könnte es sein, dass die Wahl des Gürtels damit in Zusammenhang steht?
Der Gürtel wirkt mächtig, weil er so breit ist. Das passt natürlich gut zu ihrer Figur, denn der breite Gürtel betont ihre Taille sehr stark. Da er sehr wahrscheinlich nicht mit Blattgold verkleidet ist, würde ich das nicht überwerten. Er könnte auch einfach wegen des farblichen Kontrasts zum schwarzen Kleid gewählt worden sein. Ich sehe es eher als eine Betonung ihrer Figur, als dass ich darin ein Zeichen sehen würde.
Hier sehen wir Melania und Donald Trump an der Seite des saudischen Königs Salman vor dem abendlichen Staatsbankett. Sie trägt rosa …
Das finde ich eigentlich sehr geschickt gewählt! Am Abend ein langes Kleid zu tragen, ist sicherlich normal. Mit diesem Umhang hat es einen Anklang ans Orientalische. Das passt wiederum zu dem schwarzen Outfit, das sie davor trug.
Am darauffolgenden Tag besuchte Melania das erste Business-Center für Frauen in der saudischen Hauptstadt Riad. Dafür hat sie eine Art Safari-Kleid gewählt. Welche Botschaft sendet dieses Kleid aus?
Dieses, wie Sie sagen, Safari-Kleid, bedeckt gerade noch das Knie. Aber das finde ich wiederum sehr abgestimmt auf den Besuch eines Business-Centers für Frauen. Es ist auch ein praktisches Kleid: Man kann sich darin gut bewegen und damit im Büro, aber auch zum Beispiel in der Bank am Schalter arbeiten. Das könnte Berufskleidung sein für eine Frau. Deshalb finde ich es sehr geschickt von ihr, sich für einen solchen Termin auf diese Art und zu kleiden.
Durch den militärischen Khaki-Farbstil könnte es auch ein wenig wie eine Uniform wirken.
Die beiden großen Taschen auf der Brust unterstreichen das natürlich. Ich fürchte, das ist dann aber auch schon wieder überinterpretiert.
Die nächste Station der Reise war Israel. Auffällig ist, dass Melania während des gesamten Aufenthalts in dem Land weiß trug – auch beim Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Finden Sie die Wahl des Kleides dafür angemessen?
Was die weiße Farbe angeht, bin ich ein wenig überfragt. Farben haben ja in unterschiedlichen Kulturen unterschiedliche Bedeutungen, und ich kann auf Anhieb nicht sagen, ob Weiß in Israel eine bestimmte Bedeutung hat, der man hier Rechnung trägt. Ihre Stieftochter Ivanka ist auch in weiß gekleidet. Sie ist wegen ihres Mannes, Jared Kushner, zum Judentum übergetreten und müsste insofern wissen, ob die Farbe passend ist. (Anm. d. Redaktion: Weiß gilt im Judentum als Farbe der Reinheit und Heiligkeit.)
Man könnte noch ihre freien Oberarme diskutieren. Dieses Thema kennen wir von Michelle Obama, die vor allem zu Beginn von Barack Obamas erster Amtszeit immer wieder kritisiert wurde, wenn sie mit den nackten Oberarmen auftrat. In diesem sehr ernsten Kontext des Besuchs der Holocaust-Gedenkstätte könnte man darüber streiten, ob es angemessen ist, die Schultern frei zu lassen. Das Kleid, das sie trägt, ist sicherlich als Sommerkleid ganz passend für ein Mittelmeerland.
Dieses Foto von der Privataudienz der Familie Trump bei Papst Franziskus fand sehr schnell weltweit Verbreitung. Sowohl Ivanka als auch Melania tragen einen schwarzen Schleier, was bei einer Audienz im Vatikan nicht vorgeschrieben ist. Es ist eher eine sehr konservative, traditionelle Art, sich bei einem Besuch beim des Papstes zu kleiden.
Auf diesem Bild sieht sie auch etwas unglücklich aus, wenn man den Gesichtsausdruck betrachtet. Also, kleiden tut sie das ganz gewiss nicht! Wenn man daneben die Bilder aus Saudi-Arabien hält, wo sie keine Kopfbedeckungen tragen, dann stellt sich die Frage: Was haben sich die beiden Damen dabei gedacht, dass sie sich beim Papst etwas ins Haar gesteckt haben? Das ist erstaunlich, da steckt eine Botschaft dahinter.
Welche Botschaft könnte das sein?
Ivanka Trump hat ja eine Lanze gebrochen für die Frauen in Saudi-Arabien und für die Gleichstellung. Wenn man da ohne Kopfbedeckung auftritt, dann unterstreicht das diese Zielrichtung. Aber hier, wenn man mit dem höchsten katholischen Vertreter zu tun hat und dann doch zu einer Kopfbedeckung greift, sendet das ein anderes Zeichen der Anerkennung des Papstes als Kirchenvertreters und vielleicht auch des Christen an sich. Melania Trump ist katholisch, der Papst bedeutet für sie etwas anderes als für ihren Mann und ihre Stieftochter. Es ist ein ganz anderes Bild, das sie da abgibt im Vergleich zu Saudi-Arabien.
Das nächste Bild zeigt Melania Trump beim „Damenprogramm“ des G7-Gipfels in Sizilien. Dieses Foto finde ich sehr interessant, weil sie so sehr im Mittelpunkt steht. Und wegen ihrer Jacke von Dolce & Gabbana, die sie sehr auffällig präsentiert und wie eine Art Trophäe trägt.
Sie hat sie gar nicht an, sondern nur über die Schulter gelegt. Wahrscheinlich ist das Kleid ärmellos und auch schulterfrei. So ganz freie Schultern zeigt hier keine der Damen. Es könnte also sein, dass sie mit der Jacke ein bisschen kaschiert, dass sie freie Schultern und Oberarme hat.
Bei diesem Outfit scheint es so, als wenn die Jacke das definierende Teil darstellt …
Ohne Frage, das Kleid wäre fast langweilig ohne die bunte Jacke, die ja sehr auffällig ist!
Damit steht sie natürlich sofort im Mittelpunkt. Könnte die Jacke auch gewählt worden sein, um optisch aus dem Kreis der anderen Ehepartner der Staats- und Regierungschefs herauszustechen?
Sie sticht sowieso heraus, sie ist ja auch größer als die anderen! Das kann sie natürlich nicht inszenieren. Melania Trump sticht total heraus, durch ihr ganzes Auftreten, ihre Figur. Sie sieht hier auch sehr selbstbewusst aus, und das unterstreicht diese Jacke.
Dass die First Lady in der Kleidung einer italienischen Firma (Dolce & Gabbana) aufgetreten ist, und nicht in jener von US-Designern, wurde dort sicher begrüßt.
Hier sehen wir das US-Präsidentenpaar auf dem Weg zum G7-Staatsbankett in dem sizilianischen Ort Taormina. Das Kleid, das Melania Trump trägt, stammt erneut von Dolce & Gabbana. Auf mich wirkt ihr Auftritt sehr glamourös und dramatisch, wie die Inszenierung eines Hollywood-Filmes. Was halten Sie davon?
Dieses Kleid fällt für meine Begriffe völlig heraus: Die Figur wird kaum betont, es ist hochgeschlossen, hat lange Ärmel und geht deutlich über das Knie. Es ist sehr ungewöhnlich im Vergleich zu dem, was wir bisher gesehen haben. Dazu noch der sehr traurige Gesichtsausdruck – wie eine glamouröse Inszenierung wirkt das für mich nicht. Zum Dinner in Saudi-Arabien trug sie ein bodenlanges Kleid mit pfiffigem Schnitt. Das schmückt sie wesentlich mehr als dieses. Für mich ist das keusche Kleidung, dieses Hochgeschlossene und der Stehkragen, die bedeckten Arme und der viele Stoff, ohne dass die Figur zur Geltung kommt. Auf mich wirkt es sehr zurückhaltend.
Lässt sich aus den Fotos, die wir betrachtet haben, eine gewisse Linie erkennen, wie Melania Trump das Bild einer First Lady interpretiert?
Dadurch, dass sie Model war und immer noch die Figur hat, kann sie es sich leisten, damit zu spielen. Sie weiß, was ihr steht - und sicher wird sie beraten, wie sie sich an die jeweiligen Gegebenheiten anzupassen hat. Ich finde, dass sie das alles sehr gut zum Ausdruck bringt!
Die Obamas versuchten sich in der Öffentlichkeit immer als moderne Familie zu inszenieren. Inwiefern unterscheiden sich Melania und Donald Trump in ihrem Auftreten vom vorhergegangenen Präsidentenpaar?
Das ist schwierig zu beantworten, da wir mit Melania Trump noch nicht sehr viel Erfahrung haben. Bei Michelle Obama war der Einsatz der Kleidung durchgehend ein Thema. Eingangs musste auch sie viel Kritik einstecken. Später hat sich das aber gelegt, und sie wurde sogar zu einem Vorbild - was sie dann auch gezielt nutzte. Sie hat bestimmte Mode-Designer gefördert und bei der Auswahl ihrer Kleidung zwischen ihnen gewechselt. Das war eine gezielte Politik.
Michelle Obama hat natürlich als First Lady auch eine sehr eigenständige Rolle gespielt. Melania Trump kommt bisher in erster Linie ihrer Rolle nach, an der Seite des Präsidenten zu stehen und ein gutes Bild abzugeben. Diese Pflicht wird in Amerika sehr hoch angeschrieben. Diese Art von festgefügtem Bild einer First Lady kennen wir in Europa natürlich nicht. Aber vielleicht entwickelt sich das auch noch!
Zu Beginn von Trumps Präsidentschaft wurde oft kritisiert, dass Melania Trump nicht gleich mit nach Washington zog und stattdessen mit ihrem Sohn im Trump Tower in New York blieb. Inzwischen ist sie aber im Weißen Haus eingezogen. Abgesehen von der Amtseinführung und der großen Auslandsreise war sie auch sonst bisher eher selten in der Öffentlichkeit zu sehen.
Ja, auch im Wahlkampf hat sie sich sehr zurückgehalten, was ungewöhnlich ist! Sonst sind die Kandidaten-Frauen in den USA auch immer dabei. Das setzt sich bis hin zu dieser räumlichen Trennung zwischen Washington und New York fort.
Michelle Obama hingegen hat sehr viele Reden gehalten, die große Beachtung gefunden haben. Das gipfelte letztendlich in der Frage, ob sie nicht selber mal für das Präsidentenamt kandidieren möchte. Durch ihre eigenständige Rolle hat sie ihre eigene Identität eingebracht, bewahrt und ausgebaut. Wie zum Beispiel der Gemüsegarten, den sie vor dem Weißen Haus eingerichtet hatte. Sie hat von Anfang an eine ganz andere Rolle gespielt als Melania Trump.
Jackie Kennedy wäre vielleicht noch am ehesten vergleichbar mit der Figur, die Melania Trump abgibt. Hillary Clinton war natürlich nochmal eine ganz andere Figur, und auch die beiden Bush-Frauen waren anders. Laura Bush, die Frau von George W. Bush war ziemlich zurückhaltend und Barbara Bush, die Frau von George Bush hat eher die Großmutter-Figur abgegeben. So eine Figur, wie wir sie jetzt in Melania Trump haben, haben wir lange nicht gesehen!
Würden Sie Melania Trump für ihren Auftritt und ihre Kleidung während der Auslandsreise ihres Mannes abschließend eine gute Note geben?
Ja, auf jeden Fall. Wir haben einige Punkte kritisch angesprochen, aber ich denke, sie hat das ganz gut gemacht! Sie stand nach den Szenen, in denen sie vermeintlich die Hand ihres Mannes wegschlug, sehr stark unter Beobachtung. Aber das wurde vielleicht überinterpretiert. Trump kann zufrieden sein mit der Frau an seiner Seite, die als Begleitung auf der Reise vielleicht besser angekommen ist als er.
Christina Holtz-Bacha ist Professorin für Kommunikationswissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Sie beschäftigt sich in ihrer Forschung mit der Darstellung und dem Auftreten von Frauen in Politik und Medien.