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Brics-Gipfel in Russland: Putin bläst zum Angriff gegen den Westen


Brics-Gipfel in Russland
Putin holt zum Schlag aus


Aktualisiert am 22.10.2024 - 17:36 UhrLesedauer: 5 Min.
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In Kasan werden 24 ausländische Staats- und Regierungschefs erwartet. (Quelle: reuters)

Kremlchef Wladimir Putin empfängt die Staats- und Regierungschefs der Brics-Staaten zum diesjährigen Gipfel in Kasan. Russland möchte bei dem Treffen ein Zeichen setzen, gezielt den Westen attackieren. Was hat Putin wirklich vor?

Die russische Stadt Kasan erlebt seit dem Dienstagmorgen ein großes politisches Showlaufen. Der rote Teppich am Flughafen ist ausgerollt. Die Staats- und Regierungschefs der Brics-Staaten wie Chinas Xi Jinping oder Indiens Narendra Modi werden auf dem Rollfeld empfangen, bekommen von Frauen in Kostümen zur Begrüßung traditionell tatarische Süßigkeiten gereicht. Die Bilder des diesjährigen Brics-Gipfels in Russland erinnern an jene, die jedes Jahr von den G20-Treffen um die Welt gehen. Und das ist auch das Ziel.

Schließlich möchte Kremlchef Wladimir Putin Brics als Gegenmodell zu anderen internationalen Zusammenschlüssen wie G7 oder G20 inszenieren. Deshalb bläst die russische Propaganda den zweitägigen Gipfel maximal auf, Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow erklärte ihn gar zum "größten außenpolitischen Ereignis, das jemals in Russland stattgefunden hat". Russlands Botschaft: Die Brics-Staaten sind im Aufschwung, sie brauchen den Westen nicht.

Doch so einfach wie Putin die Welt malt, ist sie nicht. Der Plan des russischen Präsidenten, global eine neue Blockbildung zu forcieren und die Brics-Staaten gegen den Westen zu positionieren, geht bislang nicht auf. Denn auch wenn es gelegentlich international so wahrgenommen wird: Der Zusammenschluss ist kein antiwestliches Bündnis, zumindest noch nicht. Trotzdem wird Putin in den kommenden Tagen vor allem zum Angriff auf die USA blasen.

Russland möchte Signal gegen Westen setzen

Denn für den Kremlchef bietet das Treffen in Kasan eine Gelegenheit, die seit dem Beginn seiner Invasion in der Ukraine im Februar 2022 selten geworden ist. Putin trifft bei einem internationalen Treffen persönlich auf Staats- und Regierungschefs einflussreicher Staaten – der Westen nimmt kollektiv nicht teil. In den vergangenen zweieinhalb Jahren war es oft umgekehrt, Putin – wegen seines Krieges als Paria gebrandmarkt – war oft nicht eingeladen, und er verzichtete auch auf Reisen, weil er fürchten muss, aufgrund der Kriegsverbrechen der russischen Armee in der Ukraine verhaftet zu werden.

Die Brics-Staaten demonstrieren in Südafrika Einheit: Danach Xi Jinping verschwand Xi Jinping plötzlich.
Die Brics-Staaten demonstrieren in Südafrika Einheit: Danach Xi Jinping verschwand Xi Jinping plötzlich. (Quelle: ALET PRETORIUS/reuters)

Was sind die Brics-Staaten?

Die Gruppe wurde 2009 von Brasilien, Russland, Indien und China gegründet, ein Jahr später trat Südafrika bei. Die Anfangsbuchstaben dieser fünf Länder führten zur Bezeichnung Brics-Gruppe. Anfang 2024 kamen Äthiopien, der Iran, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate hinzu. Saudi-Arabien hat seine Mitgliedschaft noch nicht formalisiert.

Nun ist für zwei Tage vieles anders, Putin hat ein Heimspiel. Deswegen ist das Treffen für Moskau eine Chance, um die USA und ihre Verbündeten ordnungspolitisch zurückzudrängen. Es ist also keine Überraschung, dass der russische Präsident im Schatten des Brics-Treffens zu zahlreichen bilateralen Gesprächen eingeladen hat. Putin hält Hof.

Doch was sind Russlands Ziele?

Putin hat sich durch den Ukraine-Krieg vom Westen wirtschaftlich und politisch entkoppelt. Auch deshalb verfolgt Russland das Ziel, in einer neuen multipolaren Verordnung zusammen mit China den dominierenden Block zu stellen. Das unterscheidet sich jedoch etwas von den Zielen von Brics bei ihrer Gründung: Denn die Mitglieder des Bündnisses setzen sich nach eigenen Angaben für die Anerkennung einer multipolaren Weltordnung mit wirtschaftlichem und politischem Gleichgewicht ein. Sie wollen die globale Wirtschaftsordnung reformieren, die ihrer Ansicht nach von westlich geprägten Institutionen wie der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) dominiert wird.

Es geht also eher darum, auf Augenhöhe mit dem Westen zu agieren, um sich selbst unabhängiger von westlichen Einflüssen zu machen. Deswegen ist es ein zentraler Bestandteil der Brics-Strategie, den Handel untereinander zu stärken, um von möglichen westlichen Sanktionen nicht mehr hart getroffen werden zu können. Denn eines haben die Brics-Staaten in der Tat gemeinsam: Sie sehen etwa Sanktionen der USA als eine moderne Art des Kolonialismus und den US-Protektionismus als Versuch, die Hegemonie der Vereinigten Staaten zu verteidigen.

Angriff auf den US-Dollar

Das bietet Putin und auch dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping einige Angriffspunkte, um den Einfluss des Westens langsam zurückzudrängen. So hofft Putin, die Brics-Mitglieder davon zu überzeugen, im weltweiten Zahlungsverkehr eine Alternative zum Dollar einzuführen.

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Der außenpolitische Analyst Chris Weafer sagte dem britischen Sender BCC mit Blick auf den Brics-Gipfel: "Viele der Probleme, mit denen Russlands Wirtschaft konfrontiert ist, hängen mit dem US-Dollar zusammen." Er ergänzte: "Das US-Finanzministerium hat enorme Macht und Einfluss auf den Welthandel, einfach weil der US-Dollar die wichtigste Währung für die Abwicklung dieses Handels ist. Russlands Hauptinteresse besteht darin, die Dominanz des US-Dollars zu brechen."

Doch das ist nicht einfach. Denn die Brics-Staaten sind eben kein Bündnis von Staaten, die alle die gleichen politischen Werte vertreten; es ist eben keine Gemeinschaft, die sicherheitspolitisch zusammenarbeitet und die geopolitisch abseits wirtschaftlicher Themen die gleichen Ziele verfolgt. Im Gegenteil.

Wirtschaftlicher Aufschwung im Fokus

So sind zum Beispiel China und Indien – beides Brics-Mitglieder – zwei Staaten, die in den vergangenen Jahren öfter am Rande eines Krieges gegeneinander standen – wegen der aggressiven Territorialpolitik der Chinesen an der Grenze zu Indien. Deswegen würde die indische Führung sich niemals darauf verständigen, den internationalen Handel des Landes im chinesischen Yuan zu tätigen.

Auch darüber hinaus haben Länder wie Indien, Ägypten oder die Vereinigten Arabischen Emirate weiterhin äußerst gute wirtschaftliche Beziehungen zu westlichen Ländern. Selbst China lehnt es trotz aller Konflikte ab, sich wirtschaftlich von westlichen Märkten zu entkoppeln, so wie Russland es getan hat. Putin kämpft also auch teilweise auf verlorenem Posten, die Brics sind nicht ein Klub, der aus seinen Freunden besteht.

Vielmehr hoffen die Mitglieder der Organisation darauf, wirtschaftlichen Aufschwung durch eine Steigerung der Handelskapazitäten zu erreichen. Darüber hinaus vertritt unter anderem China die Auffassung, dass sich Staaten niemals in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einmischen sollten und dass der internationale Handel nicht von politischen Streitigkeiten gestört werden sollte. Zudem haben die Brics-Staaten eine Entwicklungsbank gegründet, die vor allem Entwicklungsländern bei ihrer Entwicklung helfen soll.

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Brics sind kein Wertebündnis

Es ist also keine Überraschung, dass zahlreiche Staaten aus wirtschaftlichen Gründen in die Brics-Gemeinschaft streben. Doch bei kaum einem Land ist ein Beweggrund eine Feindschaft gegenüber den USA und ihren westlichen Verbündeten. Vielmehr wird es für Russland und China eine Herausforderung werden, dass Brics nicht irgendwann von Staaten dominiert wird, die gute Beziehungen zum Westen haben. Dagegen ist es unwahrscheinlich, dass sich aus Brics ein ähnliches Bündnis wie die G7 entwickelt, der Zusammenschluss der wirtschaftsstärksten westlichen Staaten hat ein gemeinsames normatives Fundament und arbeitet auch in der Nato sicherheitspolitisch zusammen.

In der Organisation der Brics-Staaten gibt es unterschiedliche Perspektiven auf geopolitische Fragen. Putin will etwa seinen Krieg in der Ukraine weiterführen, weil er aktuell davon ausgeht, ihn militärisch gewinnen zu können. China und Brasilien geben zumindest vor, einen Friedensplan und einen Waffenstillstand umsetzen zu wollen. Indiens Premierminister Modi dagegen schlug Modi Putin im direkten Gespräch am Dienstag vor, in dem Konflikt zu vermitteln. Das erhöht natürlich auch den Druck auf den Kreml, sich einer Verhandlungslösung zu öffnen.

Putins Krieg wird also durchaus nicht unterstützt, aber aus anderen strategischen Erwägungen verzichten viele Brics-Staaten darauf, Russland öffentlich zu kritisieren. Für Brasilien und Indien ist der Konflikt geografisch weit weg, China möchte Russland nicht schwächen, weil es Putins Unterstützung im Konflikt mit den USA braucht.

Der große politische Zusammenhalt innerhalb der Brics ist also eigentlich eine Mär, Differenzen treten in zahlreichen politischen Fragen auf. Doch Russland träumt von einem großen antiwestlichen Konstrukt, denn in der Tat: Die Brics stellen schon einen großen Teil der Weltbevölkerung dar und werden auch viele westliche Staaten in Zukunft wirtschaftlich überholen. In Kasan wird es zumindest Wladimir Putins Aufgabe sein, über die Meinungsverschiedenheiten hinwegzusehen und ein Bild der Einheit zu zeichnen. Gleichzeitig muss er der russischen Öffentlichkeit – und der internationalen Gemeinschaft – zeigen, dass sein Land alles andere als isoliert ist. Beides Ziele, die durchaus realistisch sind.

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