Neue Nato-Macht an Putins Grenze Mächtige Artillerie: So stark ist die finnische Armee
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Durch den Beitritt von Finnland hat die Nato eine neue lange Grenze mit Putins Russland. Ist die finnische Armee stark genug, um sie zu verteidigen?
Es ist eine Zeitenwende. Finnland ist seit Dienstag nun auch offiziell Mitglied der Nato. Damit enden für das nordeuropäische Land viele Jahrzehnte der Blockfreiheit. Aber auch für den Rest der Nato verändert sich vieles: Finnland hat eine 1.300 Kilometer lange Grenze mit Russland. Warum die geografische Lage mit Blick auf Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine eine Herausforderung ist, erklärt Oberst a. D. Wolfgang Richter im Video oben.
Trotz der neuen Herausforderungen stärkt der Beitritt Finnlands die Verteidigungsfähigkeit der Nato erheblich. Die finnische Armee gilt nicht nur als gut ausgerüstet. Durch die traditionelle Ausbildung ihrer Soldaten ist sie vor allem auch für einen Winterkrieg geschult und im Kampf in Schnee und Eis besonders schlagkräftig. Ihre Schwäche liegt dagegen eher im maritimen Bereich. Ein Überblick.
Für den Winterkrieg ausgebildet
Finnland hat nur 5,5 Millionen Einwohner und musste früh Strategien entwickeln, um sich im Notfall gegen Großmächte wie die Sowjetunion verteidigen zu können. Noch heute wird jedes Jahr im Dezember an den Winterkrieg von 1939 erinnert, als es der finnischen Armee gelang, die Invasion des sowjetischen Diktators Josef Stalin zurückzuschlagen. Viele der damaligen Strategien wurden weiterentwickelt und sind bis heute fester Teil der finnischen Militärausbildung.
Das zeigt sich vor allem in taktischer Hinsicht: Selbst im tiefen Schnee ist die finnische Armee in kleineren operativen Gruppen schnell und flexibel. Die Soldaten sind teilweise auf Skiern unterwegs, kennen sich in dem Gelände gut aus und können einem potenziellen Feind in die Flanken fallen und ihn dort in Hinterhalte locken, wo schweres Gerät wie Kampfpanzer nur schwer und langsam vorankommen. Ein Angriff wäre selbst für eine militärische Übermacht gefährlich, wie das Beispiel des Kampfes gegen die Sowjetunion von 1939 zeigt.
Insgesamt verfügt Finnland aber nur über 24.000 aktive Soldaten. Das Rückgrat der Armee ist die große Anzahl von Reservisten – Finnland kann im Notfall laut eigenen Angaben aus dem Jahr 2020 bis zu 900.000 Kräfte einziehen. In dem Land gilt eine Wehrpflicht für Männer ab 18 Jahren, der Wehrdienst dauert neun bis zwölf Monate.
Moderne Waffensysteme und Feuerkraft
Die Zahl der aktiven finnischen Soldaten ist demnach vergleichsweise begrenzt und das Land versucht die fehlende Quantität an Kräften mit Strategie und Ausrüstung auszugleichen. Finnland ist besonders stolz auf seine Artillerie, laut eigenem Selbstverständnis die "stärkste Artillerie der Welt".
Doch das stimmt nicht ganz. Länder wie Russland, China, Nord- oder Südkorea haben zumindest deutlich mehr Geschütze. Dennoch ist die Feuerkraft der finnischen Artillerie laut einem Ranking der US-Seite "Global Firepower" beträchtlich. Demnach verfügt Finnland über 800 Artilleriesysteme – der Großteil davon (662) sind geschleppte Geschütze, die nicht selbst fahren können. Außerdem verfügt die finnische Armee über 75 MRLS-Raketenartilleriesysteme. Zum Vergleich: die Bundeswehr hat nur 38.
Bei Panzern und Kampfflugzeugen setzt das finnische Heer dagegen auf Qualität. Insgesamt kann es auf 239 Kampfpanzer zurückgreifen, 139 Leopard 2A6 und 100 Leopard 2A4 hat es als Reserve. Die finnische Luftwaffe setzt aktuell 55 Jagdflugzeuge des Typs F/A-18C ein, die allerdings bis zum Jahr 2026 durch 64 Mehrzweckkampfflugzeuge des Typs F-35 ersetzt werden sollen. Auch die Luftwaffe wird damit eine große Bereicherung für die strategischen Fähigkeiten der Nato werden.
Eine Schwachstelle: die Marine
Im Vergleich zu den osteuropäischen und teilweise größeren mitteleuropäischen Nato-Mitgliedern ist die finnische Armee folglich sehr gut aufgestellt. Durch die Grenze mit der ehemaligen Sowjetunion und dem heutigen Russland hat Finnland seine Verteidigungsfähigkeit in den vergangenen Jahrzehnten nicht ähnlich vernachlässigt wie zum Beispiel Deutschland. Deshalb stärkt der Nato-Betritt schon jetzt das Bündnis.
Aber der Beitritt bringt auch neue Herausforderungen. Russland wird nun vermehrt Truppen an der Grenze zu Finnland stationieren und das ist ein weiteres Sicherheitsrisiko für Europa. Das Land war zwar schon Mitglied der Europäischen Union, in der es im Notfall auch eine militärische Beistandspflicht gibt. Aber in Putins Ideologie sind vor allem die Nato und die USA seine Hauptgegner.
Russland steht außerdem vor dem Dilemma, dass es durch die Aufgabe der Blockfreiheit von Finnland den Ostseeraum an die Nato verliert – die Ostsee gilt seither als "Nato-See" und die russische Föderation hat nur noch zwei Zugänge zu dem Meer. Das wird wahrscheinlich in Zukunft immer wieder zu kleineren Provokationen führen.
Russische Flugzeuge, die von Nato-Jets abgefangen werden müssen und eine russische Marine, die vermehrt in den internationalen Gewässern operiert. Deswegen wird auch Finnland mutmaßlich seine Marine stärken müssen. Aktuell sind die Seestreitkräfte nicht für einen maritimen Krieg aufgestellt, sie verfügen nur über wenig Schiffe. Das ist die Schwachstelle in einer ansonsten sehr leistungsfähigen finnischen Armee.
- globalfirepower.com: 2023 Finland Military Strength (engl).
- International Institute for Strategic Studies: The Military Balance 2021. 121. Auflage (engl.)
- cia.gov: Explore All Countries Finland (engl.)
- The Finnish Defense Forces: The Finnish Air Force (engl.)