40 Jahre Mercedes-Benz 450 SEL
Protzfrei und trotzdem prestigereich: Der Mercedes 450 SEL 6.9 wurde in den Siebzigerjahren zum globalen Bestseller.
Entscheidend dazu beigetragen hat ein geschickt gestricktes optisches Tarnkleid für den in Tests über 23 Liter Super konsumierenden, 286 PS starken V8. Wichtig, um so kurz nach der ersten Ölkrise öffentliche Provokationen zu vermeiden.
Mercedes hatte sein neues 6.9-Liter-S-Klasse-Flaggschiff bereits im September 1972 angekündigt. Zu dieser Zeit waren kraftstoffsparende Autos aber noch von größerer Bedeutung. Drei Jahre später auf der IAA 1975 feierte der SEL 450 6.9. dann Marktstart. Ein geschickter Zug, denn die politische Diskussion um schnelle und starke Autos hatte sich zumindest in Deutschland bis 1975 wieder etwas beruhigt.
Ein weiteres Erfolgsrezept im Europa der 1970er Jahre: Den Typenschriftzug 450 SEL 6.9 am Kofferraumdeckel konnten die Kunden auch abwählen und quasi inkognito reisen. Denn der sozialpolitische und gesellschaftliche Wandel, machte es in vielen Ländern kaum mehr möglich, Luxusprodukte öffentlich zu zeigen.
So kam es, dass der 450 SEL sogar die ambitionierten Ziele der Stuttgarter übertraf. Um der Nachfrage gerecht zu werden, musste Mercedes schon kurz nach Marktstart die zunächst vorgesehene Jahresproduktion von 1000 Fahrzeugen verdoppeln.
Vom Mercedes 450 SEL 6.9 wurden stolze 7380 Einheiten in vier Jahren verkauft. Am Ende seiner Karriere übertraf der 450 SEL 6.9 sogar seinen Vorgänger, den bis 1972 gut 6500-mal verkauften 300 SEL 6.3.
Der Motor hatte es in sich: Nicht einmal die bis dahin schnellste Limousine, der Jaguar XJ12 L, konnte an dem laut Presse bis zu 235 km/h flotten Mercedes vorbeiziehen. Mit der von Mercedes annoncierten Beschleunigungszeit von 7,4 Sekunden für den Sprint von Null auf Tempo 100 war der über fünf Meter lange und bis zu 2,4 Tonnen schwere Koloss sogar dem Porsche 911 Targa überlegen.
Eigentlich ging es Mercedes aber nicht um bestmögliche Fahrleistungen, sie waren eher ein Nebenprodukt bei der Suche nach maximalem Komfort. Dank kaum wahrnehmbarer Motorengeräusche war ein entspanntes Dahingleiten im Mercedes 450 SEL 6.9 möglich. Komfort vom Feinsten bewirkte auch die serienmäßige weiche Federung mit Niveauregulierung an Vorder- und Hinterachse.
Rein optisch war der Mercedes 450 SEL 6.9 von seinen profaneren S-Klasse-Geschwistern, wie hier der S-Klasse W 116 beim ABS-Test, kaum zu unterscheiden. Nur durch breitere Reifen konnte man ihn klar differenzieren.
Wegen seiner starken Leistung und des hohen Komforts war er aber dennoch mehr als doppelt so teuer wie beispielsweise die konventionelle S-Klasse Langversion. Zu Beginn kostete der 450 SEL 6.9 knapp 70.000 Mark, vier Jahre später über 81.000 Mark. Deutlich teurer waren nur Bentley und Rolls-Royce.
Bei dem S-Klasse-Spitzenmodell hatte die digitale Revolution noch keine Rolle gespielt. Die Nachfolge-Versionen der S-Klasse wurden Ende der Siebziger Jahre dann jedoch am Computer gezeichnet und schickten den 450 SEL 6.9 1980 in den Ruhestand. Nach Ansicht vieler seiner Fahrer bleibt dieser Wagen aber bis heute ein wahres Ausnahme-Automobil.