Bespoke in Bangkok
Der Tempel Wat Arun in Bangkok. Die thailändische Hauptstadt ist bekannt für ihre vielen Schneider. Die besten von ihnen verwenden ausschließlich italienische und englische Stoffe, natürlich nur aus bester australischer und neuseeländischer Schurwolle. Zurück zum Artikel
Aber Vorsicht, Falle: Zwei Anzüge und fünf Hemden für 200 Euro – das kann nicht sein. Ein solcher Anzug fällt bald auseinander. Viele schlechte Schneider, die wenig Geschäft haben, zahlen Taxi- und Tuk-Tuk-Fahrern Provisionen, um Kunden in ihre Läden zu locken.
Normalerweise stehen Sie auf einem kleinen Klotz – bei vielen Schneidern in Bangkok nicht. Nach dem Maßnehmen müssen Sie mindestens zwei Anproben einkalkulieren, ein Anzug dauert mindestens zwei Wochen.
Victor und Jesse Gulati. Die Familie besitzt neben einer großen Textil-Produktion für den Retail-Markt ein japanisches Restaurant und das Radisson-Hotel. Ihr Schneider nennt sich Rajawongse, das ist ein thailändischer Adelstitel, das Wort bedeutet auf Sanskrit "Herrscher des Reiches".
Ein Blick in den Laden von Rajawongse. Die Schneider-Dynastie begann 1947 ihr Geschäft nach der Flucht aus Indien, sie wurde bekannt als "Wolfpack Tailor", benannt nach einer US-Fliegerstaffel.
Rajawongse setzt auf Stoffe von Mills ohne großen Namen – von Webereien also, die Top-Qualität liefern, ohne einen Aufschlag für den Starruhm. "Wir kaufen keine Namen", erläutert Victor Gulati. Die Stoffe sind gut genug für die mächtigsten Männer der Welt - wer kann schon sagen, er habe den gleichen Schneider wie Barack Obama...
Sie sollten sich für Anzüge, die Sie häufiger tragen, auf die Super 100s und Super 120s konzentrieren; Super 150s und Super 160s sind die guten Stücke für besonders wichtige Anlässe. Der Ursprung der Zahlenspielerei stammt aus Huddersfield in der englischen Region Yorkshire.
Im 18. Jahrhundert wurde die Feinheit der Wolle damit gemessen, wie viele Spulen Kammgarn sich aus einem Pfund Rohwolle spinnen ließen, wobei auf eine Spule 560 Yard Garn passten, also 512 laufende Meter. Lange waren 60 Spulen das Maximum. In den 1960ern knackte "Lumb’s Huddersfield Super 100s" die magische 100er-Marke.
Hier die "Konstruktion" eines hochwertigen Anzugs: Die Schulterpolster sind aus Wolle, eingefasst mit Rosshaar, das sich über dem Innenfutter über Brust und Rücken zieht und dem Stoff Halt gibt. Bei billigen Anzügen wird Schaumstoff verwendet, das mit der Zeit zerbröselt - der Anzug verliert dann seine Form.
Neben der Passform sind die Nähte wichtig: Je enger die Stiche, desto besser. Top-Schneider nähen Knopflöcher mit der Hand, hier stehen keine Fäden über. Beim Innenfutter sollte die Verbindung des Körpers mit dem Arm von Hand genäht sein, etwas gerafft und am besten mit einer Verstärkung unterlegt. Hier wirken die größten Zugkräfte.
Ein Blick in die Produktion von Crown Tailor, einem weiteren Schneider in Bangkok. Möglich wird die günstige Fertigung durch die niedrigen Arbeitskosten. Ein guter Schneider erkennt Details. Etwa, ob Sie eine Uhr tragen - dann wird der linke Ärmel des Hemdes ein Stück weiter geschnitten.
Bei Maßanzügen sind die Knopflöcher am Ärmel durchgenäht. Wirklich hochwertige Knöpfe sind aus Perlmutt, Horn, Leder oder Holz. Der Anzug sitzt perfekt, wenn zwischen das Ende des Ärmels und den Daumenansatz genau der Daumen passt - das nennt sich die Daumenregel.
Angesagt ist derzeit das Handstitch-Muster auf dem Revers. Gute Kragen sind mit Filz unterlegt. Viele Kunden lassen sich ein auffälliges farbiges Innenfutter fertigen, etwa Kanariengelb oder Karminrot. Auch ein eingestickter Name verrät, dass der Anzug nicht von der Stange ist.
