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Die Gasumlage gehört abgeschafft


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Energiekrise
Die Gasumlage gehört abgeschafft

MeinungEin Gastbeitrag von Carla Reemtsma

Aktualisiert am 23.09.2022Lesedauer: 4 Min.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Robert Habeck (Grüne), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, im Bundestag. Sie wollen an der Gasumlage ab 1. Oktober festhalten.Vergrößern des Bildes
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Robert Habeck (Grüne), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, im Bundestag. Sie wollen an der Gasumlage ab 1. Oktober festhalten. (Quelle: IMAGO/Florian Gaertner/photothek.de)
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Das alte System ist am Ende: Für Energiesicherheit und Klimaschutz braucht es einen Gaspreisdeckel und Soli-Zahlungen der Reichsten, fordert Carla Reemtsma.

Ende September – es wird kalt: Nach dem Hitzesommer kommen Monate, die anders werden. Millionen Menschen haben Angst vor der nahenden Heizsaison. Dutzende Stadtwerke und andere Gasversorger haben die Preise bereits zum zweiten, dritten, vierten Mal innerhalb weniger Monate angehoben.

Mitten in dieser bisher unvorstellbaren Energiekrise geht Fridays for Future morgen in mehr als 270 Städten in Deutschland auf die Straße. Ist das nicht unsensibel? Ein Klimastreik in Zeiten exorbitanter Gaspreise und existenzieller Ängste für breite Teile der Bevölkerung?

Klimastreik trotz Energiekrise?

Nein. Am Freitag protestiert Fridays for Future nicht trotz, sondern gerade wegen der Energiekrise. Denn Putins Angriff auf die Ukraine und die Folgen der Klimakrise in Deutschland zeigen deutlicher denn je: Die Zeit der Energieverschwendung ist vorbei.

(Quelle: Hannes Wiedemann)

Carla Reemtsma

Die 24-jährige Klimaaktivistin ist eines der bekanntesten Gesichter der Klimabewegung Fridays for Future in Deutschland. Sie hat Politik- und Wirtschaftswissenschaft studiert und engagiert sich für eine sozial gerechte Energiewende.

Unsere jahrzehntelange Abhängigkeit von billigem russischen Gas war ein Fehler. Nur wenn unser Energieverbrauch sinkt, können wir die Klimaziele einhalten und verhindern, dass Millionen Menschen in Energiearmut rutschen. Dafür müssen wir unser Energiesystem jetzt grundlegend umbauen.

Den Zusammenbruch des Energiesystems verhindern

Wir sehen bereits den Anfang dieses Umbaus: Gestern hat die Bundesregierung die Verstaatlichung des Gasimporteurs Uniper angekündigt. Der Energieriese ist für etwa 40 Prozent der Gasversorgung in Deutschland verantwortlich. Seit kein russisches Gas mehr durch die Pipelines fließt, macht Uniper Verluste in dreistelliger Millionenhöhe – jeden Tag.

Auch andere Gasimporteure wie VNG stehen am Abgrund und rufen nach Staatshilfe. Es ist richtig, dass die Bundesregierung hier eingreift. Damit verhindert sie, dass das bereits taumelnde Energiesystem mitten im Winter komplett zusammenbricht.

Dafür hat sich die Ampel eigentlich die unbeliebte Gasumlage ausgedacht. Alle Gaskundinnen und -kunden werden durch den Preisaufschlag an der Quasi-Rettung der Konzerne beteiligt. Das Problem: Alle sollen den gleichen Zusatzbetrag pro Kilowattstunde zahlen – unabhängig davon, wie viel sie verdienen. Doch obwohl Uniper jetzt mit Staatsgeld gerettet wird, wollen Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner an diesem ungerechten Instrument festhalten.

Das Ende der Verschwendung

Die Uniper-Entscheidung der Ampel ist eine Zäsur: Mitten in der Rezession kauft der Bund den größten Gasimporteur des Landes – und bezahlt mit den Steuergeldern derer, die jetzt ihre Heizungen ausgeschaltet lassen, um möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Diesen Menschen gegenüber steht die Ampel in der Verantwortung: Die Tarife des neuen Staatskonzerns müssen für alle bezahlbar sein.

Alle müssen das notwendige Mindestmaß an Energie erhalten. Und keine Person, keine Familie und kein Haushalt darf diesen Winter in Energiearmut geraten. Um das zu garantieren, muss die Bundesregierung die Politik der vergangenen Jahrzehnte beenden: Öl, Gas und andere fossile Energien dürfen nicht mehr hemmungslos verschwendet werden.

Weg mit der Gasumlage

Energieverschwendung können wir uns nicht mehr leisten. Die Regierung hat jetzt die Aufgabe, konsequent ein sozial gerechtes und ökologisches Energiesystem aufzubauen:

Die Gasumlage gehört abgeschafft. Sie ist sozial ungerecht und belastet insbesondere Menschen mit geringen Einkommen. Wenn Uniper verstaatlicht wird, darf der Konzern keine weitere Unterstützung durch die Gaskunden erhalten.

Ein Gaspreisdeckel für den Grundbedarf verhindert Energiearmut. Versorgungssicherheit heißt: Das nötige Mindestmaß an Gas muss für alle bezahlbar bleiben. Niemand darf in diesem Winter frieren, weil die Tarife ins Unbezahlbare steigen. Wer mehr verbraucht, zahlt den tagesaktuellen Marktpreis plus einen Aufschlag – so wird der Anreiz zum Energiesparen verwirklicht.

Das Vertrauen der Bevölkerung nicht verspielen

Mit einem Energie-Soli tragen die starken Schultern die Kosten des Umbaus. Die Versorgungssicherheit für 80 Millionen Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen, ist ein riesiger finanzieller Aufwand. Rettet die Bundesregierung die angeschlagenen Gaskonzerne und hält dennoch an der Schuldenbremse fest, bleibt nur eine Möglichkeit für die gerechte Finanzierung: ein Energie-Soli.

Dieser Aufschlag auf die Einkommenssteuer von Spitzenverdienern beteiligt diejenigen an den Entlastungen für alle, die die aktuellen Preissteigerungen selbst kaum spüren. Das wäre die ökonomisch sinnvolle, ökologische und soziale Antwort auf die aktuelle Energiekrise.

Wir stehen vor beispiellosen gesellschaftlichen Herausforderungen: Russlands Angriffskrieg und die drohende Energieknappheit, Abstiegssorgen bis weit in die Mitte der Gesellschaft und dazu die Klimakrise mit Hitzesommern und Überschwemmungen.

Die Mehrheit der Deutschen befürwortet Sanktionen gegen Russland und will die Ukraine unterstützen – auch wenn dies steigende Kosten für Gas, Benzin und Lebensmittel zur Folge hat. Werden die Heizrechnungen am Ende des Winters für viele unbezahlbar, setzt die Ampel das Vertrauen der Bevölkerung aufs Spiel. Die Maßnahmen gegen die eine Krise dürfen nicht als Brandbeschleuniger einer anderen wirken – so wie die Gasumlage droht, die soziale Ungerechtigkeit zu verschärfen.

Ein Klimastreik gegen die Energieverschwendung

Der Umbau unseres Energiesystems ist nötig. Statt kurzsichtig russisches Gas durch Flüssiggas anderer Autokraten mit jahrzehntelangen Lieferverträgen zu ersetzen, muss die Verschwendung von Gas, Öl und Kohle ein Ende haben. Statt Geringverdienerinnen und Geringverdiener mit einer ungerechten Gasumlage in die Armut zu treiben, müssen Spitzenverdiener einen größeren Beitrag leisten.

Nur beides zusammen gewährleistet die Versorgungssicherheit für alle, bezahlbar, jetzt und in der Zukunft. Und verhindert, dass die Energieverschwendung die Klimakrise immer weiter anheizt. Dafür gehen wir am Freitag beim Klimastreik auf die Straße.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autorinnen und Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

Verwendete Quellen
  • Gastbeitrag von Carla Reemtsma, Klimaaktivistin
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