Die kleinste Bank Deutschlands

Peter Breiter bedient in der Raiffeisenbank in Gammesfeld eine Kundin. Die leicht verblichene Wandfarbe, eine alte Rechenmaschine, Möbel aus den 1960er Jahren und ein liebevolles Sammelsurium aus Erinnerungsstücken deuten nicht auf ein florierendes Kreditinstitut. Die kleinste Bank Deutschlands hat sich in dem baden-württembergischen Ort ihren Platz hart erkämpft und ist mittlerweile eine berühmte und skurrile Rarität im Finanzmarkt. Die Raiffeisenbank hat mit Peter Breiter einen Vorstandsvorsitzenden, der in Personalunion auch noch den Geldschalter besetzt, sich um Überweisungen kümmert und am Ende selbst die Räumlichkeiten putzt.

Breiter arbeitet hinter einem mit grünem Kunststoff beklebten Tresen. Auf einem Tisch steht eine alte Walther-Rechenmaschine, an der die Tagesumsätze verrechnet werden. Die Überweisungen tippt er auf einer Adler-Schreibmaschine. "Hier wird jeder gleich behandelt, ob er jetzt einen Euro oder eine Million Euro auf dem Konto hat", sagt der 40-Jährige. "Wir streben ja nicht danach, groß zu werden." Breiter betreibt mit seinem Institut sozusagen den Gegenentwurf zum Turbokapitalismus.

Es geht auch ohne High-Tech in Gammesfeld: Breiter speichert alle Daten auf Disketten.

Peter Breiter, der Mann für alles, lässt nur Gammesfelder als Kunden zu. Etwa 800 Kunden zählt die Bank, 310 von ihnen halten genossenschaftliche Anteile. Eine Begegnung im Warteraum wird also sofort zu einem Schwätzchen über die Neuigkeiten im Ort genutzt.

Peter Breiter ist sich nicht zu schade den Wischmop zu schwingen. Mit nur einem Mitarbeiter ist die Raiffeisenbank in Gammesfeld die kleinste Bank Deutschlands. Weitere Angestellte gibt es nicht, lediglich einen ehrenamtlichen Vorstand und einen Aufsichtsrat. Breiter schätzt, dass es deutschlandweit nur sechs oder sieben Banken mit einer geringeren Bilanzsumme gibt. Aber für ihn reichen die gut 24,4 Millionen Euro aus dem Jahr 2010 aus: "Wir wollen die Gammesfelder so gut es geht bedienen", sagt Breiter.

Echte Handarbeit sind auch die Einträge für Ein-und Auszahlungen.

Peter Breiter unterhält sich mit seinem Vorgänger Fritz Vogt. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende hat sich schon in den 80er Jahren als Rebell gezeigt. Die Bankenaufsicht hatte das Vier-Augen-Prinzip bei Geschäftsleitern eingeführt - in einer Ein-Mann-Bank schlichtweg unmöglich. Vogt zog vor Gericht, behielt das Zwei-Augen-Prinzip bei und riskierte damit mehrere Jahre Gefängnis. Am Ende bekam er recht, denn die zweite Person musste nicht hauptamtlich beschäftigt sein, wie die Richter entschieden.

2008 übernahm Breiter als Nachfolger Vogts. "Mir war es wichtig, dass das, was der Fritz geleistet hat, nicht endet", sagt er. Der gelernte Bankkaufmann und gebürtige Gammesfelder wechselte von einer Bank in Rothenburg auf die Vorstandsposition der Mini-Bank. Weil er keine Qualifikation für einen solchen Posten hatte, machte er am Wochenende Schulungen. Bei der jährlichen Prüfung durch die Bundesbank werde regelmäßig kritisiert, dass der Gewinn der kleinen Raiffeisenbank zu gering sei - knapp 40.000 Euro im Geschäftsjahr 2010. "Aber das ist ja Absicht, wir wollen uns nicht bereichern", sagt Breiter. Er legt das Geld der Bank "ganz, ganz langweilig" als Festgeld an.

"In der Finanzkrise haben ja alle Bankvorstände geschwitzt, ich habe da gar keine Aufregung gehabt", sagt Breiter. Dennoch beobachtet er die Entwicklungen in der Schuldenkrise mit Sorge. "Wenn jetzt alle Banken umfallen, fallen wir auch um", sagt Breiter. Und fügt hinzu: "Aber als letztes." Die Haltung hat ihm inzwischen deutschlandweit Berühmtheit eingebracht. "In der Finanzkrise war es brutal", erzählt Breiter. Von Hamburg bis München hätten die Leute angerufen, weil sie ihr Geld bei der Bank lassen wollten, obwohl die nicht einmal Online-Banking anbietet. Bei zwei Prozent Zinsen auf das Sparkonto und 3,5 Prozent auf einen Kredit sind die Konditionen dafür vergleichsweise gut. Breiter hat aber selbst Millionenbeträge abgelehnt. Groß werden- das will die kleine Bank ja nicht.

Gammesfeld ist ein kleiner Ort im Landkreis Schwäbisch-Hall, die bayerische Grenze ist fünf Kilometer entfernt, das Touristenstädtchen Rothenburg ob der Tauber in unmittelbarer Nähe. Die Raiffeisenbank in der Mitte des Ortes ist ein recht unscheinbarer Bau aus den 1960er Jahren. Und erinnert ein bisschen an ein Museum. Neben den Bankräumen ist ein altes Warenlager, das inzwischen nicht mehr genutzt wird. Über die Laderampe erreichen Kunden die Eingangstür zur Bank.