Russische Immigranten in Israel

Ein Arbeiter der Mizra Schweinefabrik hält sich im Tiefkühlraum einen Schweinekopf vor sein Gesicht. Unklar bleibt, ob die Geste Abscheu oder Spaß darstellen soll. Die große russische Gemeinde verlangt immer mehr nach Schweinefleisch, was jedoch für religiöse Israelis ein nicht koscheres, also nicht für den Verzehr erlaubtes Essen darstellt. In Israel lebt die drittgrößte russisch-sprachige Gemeinschaft außerhalb der ehemaligen Sowjetunion. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre kamen Hundertausende mit - teils sehr vagen - jüdischen Wurzeln in das gelobte Land. Sie kamen mit der Sehnsucht nach einem besseren Leben und der Erinnerung an Werte und Traditionen aus ihrer Heimat, in der Juden noch nie wohlgelitten waren. In der neuen Heimat machten viele Karriere in der Wissenschaft, Technik, Sport oder auch in der Politik. Doch ihre Freizeit verbringen sie überwiegend in der eigenen Gemeinschaft.

Wodka darf bei einem russischen Fest niemals fehlen. 2000 Immigranten aus den ehemaligen Sowjetrepubliken nahmen 2012 an einem zweitägigen Musikfestival im israelischen Nationalpark Gan HaShlosha teil, sangen russische Volkslieder, grillten Schaschlik und tranken Wodka.Der israelische Fotograf Oded Bilalty setzte die ganz eigene Welt der russischen Einwanderer in einer Reportage um. Obwohl er als Fotograf der Agentur Associated Press viel durchs Land reist, musste er feststellen, dass er von einem großen Teil der russischen Bevölkerung gar nichts wusste. Also machte er sich auf die Suche, ging in die russisch dominierten Viertel und fotografierte dort Boxkämpfe, Schachspieler im Park und russische Nachtclubs. Oft ohne dabei auch nur ein einziges Wort Hebräisch zu hören.

Wer hier tanzen will, muss russisch sprechen – denn der Nachtclub Babylon in Israels Partystadt Tel Aviv orientiert sich ganz an seinem eingewanderten Klientel. Die israelischen Tänzerinnen schwingen ihre Hüften in knappen Outfits zu russischen Beats.

Ebenso wie das Babylon hat sich das Soho in Tel Aviv auf den Geschmack der Immigranten eingestellt.

Diese Badenixen aus dem Ural haben zwar mitten im Winter ein Bad genommen, aber an die Temperaturen in ihrer Heimat reicht der Dezembertag am Strand von Tel Aviv gewiss nicht heran. In den ehemaligen Sowjetrepubliken ist Winterschwimmen oder sogar Eisschwimmen außerordentlich populär. Bei den Israelis nicht so sehr, wie der ansonsten menschenleere Strand beweist.

Tsila Gorenstein ist 85 Jahre alt. Vor 20 Jahren verließ sie Moldawien und begann in Israel ein neues Leben - mit alten Traditionen.

Ein Teppich ziert das Schlafzimmer von Tsila Gorenstein in Be‘er Sheva im Süden von Israel. In ihrer Heimat Moldawien diente der Wandbehang dazu, die Wohnungen nicht auskühlen zu lassen. In der sengend heißen Wüstenstadt Be‘er Sheva ist das nicht notwendig. Hier hängen sie nur zu Dekorationszwecken. Und vermutlich als Erinnerung an die Heimat.

Chorprobe in der Hafenstadt Ashdod. In einer staatlichen Altenpflegestätte proben russische Immigrantinnen russische Klassiker und israelische Volkslieder, die ins Russische übersetzt wurden.

Liebevoll dekoriert steht eine Büchse Sardinen auf dem Abendbrottisch von Puma Rotner. Rotner verließ ihre Heimat Moldawien in 2006 und lebt seitdem in Ashdod, einer Hochburg für Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Ihr Geschirr und das Tafelsilber hat sie aus der Heimat mitgebracht.

Eine Partie Schach im Freien bringt man sofort mit Russen in Verbindung. Mittelalterliche Ritterkämpfe normalerweise weniger. Dabei ist das Spiel mit Rüstung und Schwert in den ehemaligen Sowjetrepubliken sehr verbreitet. Jetzt ist das ungewöhnliche Hobby auch im israelischen Alltag angekommen, so wie in diesem öffentlichen Park von Ramat Gan.

Junge Turnerinnen machen sich in der Stadt Eilat am Roten Meer vor einem von der Einwanderergemeinschaft organisierten Wettbewerb warm. Eiserne Disziplin und knallhartes Training zeichnen die Athleten aus der ehemaligen Sowjetunion aus.

Ein Hauch von Retro, aber bei den russisch-sprachigen Gästen im Nachtclub Babylon kommt das an. Statt sich unter die Einheimischen zu mischen, amüsiert sich ein Teil der Einwanderer lieber mit des Russisch kundigen Tänzerinnen zu vertrauter Musik.Mittlerweile lebt schon die Generation der Kinder, teils der Enkelkinder der Zuwanderer in Israel. Das zähe Festhalten an der alten Lebensweise hat sich auch auf die nachfolgende Generation übertragen. Doch darin sieht Fotograf Balilty, dessen Eltern selbst aus Marokko nach Israel eingewandert sind, keinen Fehler: „Sie kamen mit einer wunderbaren Kultur hierher, aber die Bevölkerung Israels hat sich ihr nicht geöffnet. Ich hoffe, dass das Land irgendwann Teil haben kann an dieser Kultur.“