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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Experte über Veränderungen im TV "ProSieben und RTL sollten jetzt gut aufpassen"
Der Rauswurf von Elton bei ProSieben wirft Fragen auf – weit über die Personalie des Moderators hinaus. Ein Experte urteilt, welche Folgen die Trennung haben könnte.
Am Mittwoch ging alles ganz schnell: ProSieben trennte sich von Elton – und der wetterte gegen seinen alten Arbeitgeber. Zahlreiche Stars standen auf den Barrikaden, schimpften über den schlechten Umgang mit dem langjährigen "Schlag den Star"-Moderator. Ein klassisches Eigentor von ProSieben, ein Fehler mit Folgen?
Das denkt auch der Medienforscher Jo Groebel – und sieht dennoch nicht alles schwarz-weiß. Wie kaum ein anderer ist er in der Branche vernetzt, kennt die Mechanismen des Geschäfts seit Jahrzehnten. Groebel spricht im t-online-Interview über das Personalbeben, die "Leuchttürme Joko & Klaas", die Gefahr bei Stefan Raab und den ewigen Wettstreit zwischen RTL und ProSieben.
t-online: ProSieben hat Elton vor die Tür gesetzt, macht "Schlag den Star" künftig ohne ihn. Wie haben Sie die Ereignisse der letzten Tage wahrgenommen?
Jo Groebel: Der Vorgang als solcher ist durchaus üblich, aber die Art und Weise ist erschreckend – und das ist der entscheidende Punkt. ProSieben darf so nicht kommunizieren, das ist einfach unprofessionell.
Wieso?
Es wirkt insgesamt einfach alles sehr unglücklich und das völlig ohne Not. Besser wäre es doch gewesen, ProSieben gibt den Abschied von Elton bekannt – als eigenständige Pressemitteilung. Elton hätte im Zentrum stehen müssen, erst danach hätte Matthias Opdenhövel als neuer "Schlag den Star"-Moderator vorgestellt werden dürfen.
Es gibt unterschiedliche Darstellungen darüber, wann Elton über sein Aus informiert wurde. Er selbst sagt: erst kurz vor der Verkündung.
Mir liegen dazu auch keine weiteren Informationen vor. Sollte das stimmen, wäre das natürlich in höchstem Maße unanständig.
ProSieben-Chef Hannes Hiller ließ sich in der Pressemitteilung mit dem Satz zitieren: "Eine bessere Staffelübergabe kann man sich nicht wünschen."
Es trifft einfach nicht den richtigen Ton und wirft ein schlechtes Licht auf ProSieben und seine Chefetage. Denn nun stellt sich die Frage, wie dort mit verdienten Mitarbeitern umgegangen wird. Diese Art unterkühlter Abschied, die man aus der Politik oder von Unternehmen kennt, wenn sich von ungeliebten Mitarbeitern getrennt wird, ist hier einfach fehl am Platz. Fehlt nur noch der lakonische Satz: 'Wir bedanken uns für die jahrelange vertrauensvolle Zusammenarbeit.' Das ist – entschuldigen Sie die Ausdrucksweise – bescheuert von ProSieben.
Was sagt uns das über den Sender?
Dass er in Sachen Personalkultur und Kommunikation noch deutlich Nachholbedarf hat. Wir dürfen im Jahr 2024, zumal von einem solchen Big Player wie ProSieben, mehr Fingerspitzengefühl erwarten. Das ist wirklich nicht zu viel verlangt. Ein einziger Satz hätte gereicht und jeder hätte verstanden, dass ProSieben nicht mehr mit einem Elton weitermachen will, der auf zig Hochzeiten tanzt. Aber so: handwerklicher Pfusch.
- Shows auf vier Sendern: Wurde Elton seine TV-Präsenz zum Verhängnis?
Übersehen wir etwas? Spricht der Umgangston dafür, dass es hinter den Kulissen deutlich mehr Reibung gab wegen Eltons RTL-Engagements, als nun öffentlich zugegeben wird?
Möglicherweise wünschen wir uns als Außenstehende mehr Sentimentalität, als es der Sender durch seine internen Querelen für nötig hielt. Aber rechtfertigt das den Ton? Nein. ProSieben muss über den Dingen stehen. Denn so haben sie Elton in die Opferrolle manövriert, obwohl er es eigentlich war, der eigenmächtig sein Ding durchzog in den letzten Wochen und Monaten. Klar ist bei diesem Abschied: Im Guten gehen die Parteien jetzt erst recht nicht auseinander.
Und Elton? Geht der jetzt trotzdem seinen Weg?
Er ist sicherlich nicht das größte Moderationstalent des Landes, aber durchaus beliebt. Das zeigen auch die zahlreichen Reaktionen auf seinen Rauswurf. Er ist sehr eng mit bestimmten Formaten wie "Blamieren oder Kassieren" verwoben und dementsprechend auch ein bisschen abhängig von deren Erfolgen im Fernsehen. Aber man sollte in dieser Hinsicht keinen Fehleinschätzungen aufsitzen: Die Neuauflage von "TV total" hat gezeigt, dass trotz der riesigen Fußstapfen von Stefan Raab auch ein anderer Gastgeber Erfolg haben kann – Sebastian Pufpaff macht das jedenfalls sehr passabel.
Klingt so, als sei Elton gar nicht so der große Verlust für ProSieben.
Matthias Opdenhövel beherrscht sein Handwerk, er wird ein solider Nachfolger sein. ProSieben hat andere Baustellen und dürfte froh sein, wenn das Thema schnell vom Tisch ist. Elton ist nicht der große Mega-Star des Senders, am Ende wird die Trennung verschmerzbar sein. Im Übrigen für beide Seiten: Elton ist längst Millionär. Bei Joko & Klaas wäre die Trennung hingegen anders verlaufen.
Wie bitte?
Sie haben richtig gehört. Joko & Klaas sind die Leuchttürme von ProSieben. Sie haben eine ganz eigene Kunstfertigkeit, sie sind quasi der USP des Senders – mit ihren innovativen Ideen, ihrem Einsatz und auch von ihrer ganzen Positionierung her.
Wie meinen Sie das genau?
Sie sind das Aushängeschild, der Magnet für eine junge Zielgruppe – und dabei auch mit einem gesunden Wertekanon ausgestattet. Einerseits das unterhaltsame Ulk-Duo, andererseits immer wieder mit relevanten Aktionen für Aufmerksamkeit sorgend. Man könnte sagen, dass sie in dieser Hinsicht sogar wichtiger für ProSieben sind, als es Thomas Gottschalk je für das ZDF war. Für viele Zuschauer sind sie jetzt schon Kult und unverzichtbar und das, obwohl sie mit ihren 45 und 40 Jahren noch viel Karriere vor sich haben.
Vielleicht hat ProSieben Eltons Rauswurf sogar billigend in Kauf genommen.
Jo Groebel
Um in Jokos Show-Sprache zu bleiben: Stiehlt RTL jetzt ProSieben die Show?
Zunächst einmal wirkt es so, als würde RTL als großer Sieger vom Platz gehen. Sie haben einen neuen Moderator, zwei neue Shows mit ihm und auch eine moralische Überlegenheit, die sie jetzt ausspielen können nach dem Motto: Wir würden eine treue Seele wie Elton nicht einfach fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Das zeigt das Statement der RTL-Chefin, die am nächsten Tag herumposaunt: "Wir lieben Elton und wenn er jetzt spontan mehr Zeit hat, dann wird ihn die RTL-Family natürlich mit offenen Armen empfangen."
Es schwingt ein "Aber" in ihrer Formulierung mit. Worauf wollen Sie hinaus?
Ich glaube nicht an Moral in dieser Hinsicht. Das TV-Geschäft ist vor allem eines: ein Geschäft. Da geht es um Quoten, um Erfolg, um sehr viel Geld. Mehr noch als Moral zählt der Wiedererkennungswert: Vielleicht hat ProSieben Eltons Rauswurf sogar billigend in Kauf genommen. Denn wenn der weiter bei ProSieben bleibt und damit auch in gewisser Weise Werbung für seine RTL-Formate betreiben kann, ist das geschäftsschädigend. Dennoch bleibe ich dabei: Für einen kurzen Moment ist noch mal zusätzlich die Aufmerksamkeit auf die Formate bei RTL gelenkt worden: "Blamieren oder Kassieren" und "Schlag den Besten" könnten von diesem Popularitätsschub profitieren.
Wird Elton jetzt zum großen RTL-Star?
Elton ist kein Raab, insofern: nein. Aber Kleinvieh macht auch Mist, das sollte man nicht unterschätzen.
RTL und ProSieben befinden sich schon immer im Wettstreit. Der ProSieben-Chef hat einen Vergleich gezogen und sich damit als Dauerrivale BVB und RTL als den Branchenprimus FC Bayern bezeichnet. Passen diese Rollen?
Um im Bild zu bleiben: ProSieben hofft natürlich, dass sie auch eines Tages wieder Bayer Leverkusen sind und den FC Bayern abhängen können. Diese Rollen sehe ich immer nur als Momentaufnahmen. Ich glaube aber tatsächlich, dass RTL einen gewissen Vorteil bietet und mit großen Produktionen wie dem Dschungelcamp oder "Let's Dance" mehr als Show-Sender wahrgenommen wird. ProSieben galt lange Zeit als Blockbuster- und Serien-Sender und so richtig abgeschüttelt scheint das Image noch nicht. Hinter Joko & Klaas klafft jedenfalls eine riesige Entertainment-Lücke.
Raab hat schon immer das richtige Gespür bewiesen und ist vollkommen unabhängig. Er verspürt keine Nibelungentreue mehr zu ProSieben, im Gegenteil.
Jo Groebel
Fehlt eigentlich jemand, der die Branche mal so richtig aufmischt und für frischen Innovationsgeist sorgt – ein aus dem Schatten tretender Stefan Raab zum Beispiel.
Er ist auch kein Heilsbringer mehr, aber es stimmt: Stefan Raab hat Ideen ohne Ende. Sein Comeback mit dem Boxkampf gegen Regina Halmich ist ein Coup. Ich glaube, dass er damit Erfolg haben wird. Und wer weiß: Vielleicht ist das nur der Startschuss für viele weitere Engagements. Wie man hört, trommelt er ja schon ordentlich für eine riesige ESC-Show, das dürfte noch spannend werden. Raab hat schon immer das richtige Gespür bewiesen und inzwischen ist er vollkommen unabhängig, er verspürt keine Nibelungentreue mehr zu ProSieben, im Gegenteil.
Was bedeutet das?
Die EM-Show macht er mit seiner neuen Produktionsfirma für RTL – und auch beim ESC geht es Raab um einen großen Wurf, nicht um ProSieben-Erfolg. Jeder ist sich selbst der Nächste. Insofern sollten beide Sender genau aufpassen und sich nicht zu leicht zum Erfüllungsgehilfen von Raab machen lassen – aber eben auch Instinkt beweisen, wenn es um gute Ideen des Entertainers geht. Mal sehen, wer da am Ende die Krone aufhat: RTL und ProSieben sehe ich in dieser Hinsicht gleichauf.
- Eigenes Interview mit Jo Groebel