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Kämpfe im Süden | "Russlands Krieg gegen die Ukraine tritt jetzt in eine neue Phase ein"


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Kämpfe im Süden
"Russlands Krieg gegen die Ukraine tritt jetzt in eine neue Phase ein"


Aktualisiert am 08.08.2022Lesedauer: 4 Min.
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Russischer Soldat in der Region Cherson: "Russlands Krieg gegen die Ukraine tritt jetzt in eine neue Phase ein". (Quelle: IMAGO/Sergei Bobylev)

In der Ukraine verlagert sich das Kampfgeschehen offenbar immer mehr in den Süden. Steckt dahinter eine neue Taktik der Ukrainer?

Fast einen Monat ist es her, dass Präsident Selenskyj eine groß angelegte Gegenoffensive im Süden der Ukraine ankündigte und die Menschen dort zur Flucht aufrief. Seither gelingen den Ukrainern immer wieder spektakuläre Angriffe auf russische Waffenlager, Kommandoposten und Nachschubwege, doch der Frontverlauf in der Region Cherson hat sich bislang kaum verändert. Ist der ukrainische Gegenangriff womöglich verpufft oder an der russischen Gegenwehr gescheitert? Im Gegenteil, sagen viele Militärfachleute.

"Die Ukraine übernimmt die strategische Initiative und zwingt die russische Armee, ihre Truppen neu aufzustellen, um der ukrainischen Gegenoffensive zu begegnen", schrieben Ende voriger Woche US-Forscher des renommierten Institute for the Study of War (ISW). Demnach verlegt die russische Armee zunehmend Soldaten und Kriegsgerät aus dem ostukrainischen Donbass, aber auch von der südlichen Halbinsel Krim in die Regionen Cherson und Saporischschja, dem Schwerpunkt der ukrainischen Gegenoffensive am westlichen Ende des russisch besetzten Territoriums.

Ukrainer beschießen Brücken bei Cherson

Von massiven russischen Truppenbewegungen berichtet auch das britische Verteidigungsministerium. Demnach schickt Russland weitere Hilfstruppen aus den besetzten Städten Melitopol, Berdjansk und Mariupol in Richtung Cherson und Saporischschja. Auch auf der Halbinsel Krim würden mehrere neue Bataillone aufgestellt, zum Teil mit frischen Truppen aus Russland, um die ukrainische Gegenoffensive abzuwehren. Genaue Angaben zur Zahl der Bataillone oder der beteiligten Soldaten machte das Verteidigungsministerium in London aber nicht.

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Mit den Truppenbewegungen reagiert Russland offenbar auf eine ganze Reihe verheerender ukrainischer Angriffe in der Region. Ende Juni erreichten die ersten US-Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars die Ukraine, inzwischen sollen 16 Stück davon im Land sein. Die mobilen Abschussrampen können Raketen 80 Kilometer weit feuern und bis auf wenige Meter genau ins Ziel steuern.

"Russlands Krieg tritt jetzt in eine neue Phase ein"

Damit haben die Ukrainer die drei wichtigsten Brücken aus der Stadt Cherson heraus in Richtung Süden und Osten beschossen und so beschädigt, dass die russische Armee sie nicht mehr als Nachschubroute nutzen kann. Die wichtige Antoniwka-Brücke südöstlich von Cherson wurde offenbar erst vorige Nacht erneut von Raketen getroffen, wie dieses auf Twitter verbreitete Video zeigen soll:

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"Die Ukrainer konzentrieren ihre Angriffe auf Brücken, Bahnstrecken und Waffenlager im Süden des Landes, um die russische Logistik dort zu unterbrechen", interpretiert das britische Verteidigungsministerium das Geschehen. "Russlands Krieg gegen die Ukraine tritt jetzt in eine neue Phase ein, wobei sich die Kämpfe auf eine 350 Kilometer lange Front zwischen Saporischschja und Cherson entlang des Dnepr konzentrieren werden."

Offensive im Donbass stockt offenbar

Diese Einschätzung deckt sich mit den jüngsten Frontberichten der ukrainischen Armee. Demnach hat die russische Armee ihre Angriffe im östlichen Donbass zwar nicht eingestellt, konnte dort zuletzt aber keine nennenswerten Geländegewinne mehr verzeichnen. Russische Angriffe auf die strategisch wichtigen Städte Slowjansk, Bachmut und Awdijiwka in der Region Donezk seien zurückgeschlagen worden, berichtete die Armee am Samstag

Aber was hat die ukrainische Armee davon, die russischen Angreifer aus dem Osten des Landes an die Südfront zu locken? "Seit mehr als einem Monat reden die Ukrainer von ihrer Gegenoffensive im Süden, sie schreien es geradezu heraus", schreibt dazu auf Twitter der US-Historiker und Militärexperte Phillips O'Brien. "Die Russen scheinen ihnen zu glauben und haben entsprechend reagiert. Ich glaube aber nicht, dass es den Ukrainern um einen groß angelegten Gegenangriff mit gepanzerten Verbänden geht, sondern dass sie die Region Cherson einfach als besseres Kampfgebiet betrachten", so O'Brien.

Sorge um Atomkraftwerk Saporischschja

Im Süden könnten die ukrainischen Truppen viel sicherer operieren als im Donbass, wo sie ständig der Gefahr einer Einkesselung durch russische Truppen ausgesetzt seien und wo die russische Grenze nicht fern ist. In der Region Cherson würden sich die Verhältnisse dagegen umkehren, schreibt O'Brien: "Dort sind die russischen Truppen exponiert und unter Zugzwang, während die Ukrainer leichter aus ihrem Hinterland heraus operieren können." Außerdem sei es dort viel schwieriger für die Russen, ihren Nachschub zu organisieren. "Ich denke, die Ukrainer werden in Cherson nichts überstürzen, sondern die Möglichkeit ausnutzen, russische Ziele einfacher als bislang abzuschießen", schreibt O'Brien.

Tatsächlich dürfte auch die ukrainische Armee ein Interesse an einer schnellen Befreiung Chersons haben. Die Besatzer treiben die Russifizierung der Region massiv voran und bereiten zurzeit ein Referendum vor, das als Vorwand für eine Annexion dienen könnte. Nach demselben Muster ging Russland 2014 vor, als es sich die Halbinsel Krim einverleibte. Im jüngsten Lagebericht des Institute for the Study of War heißt es, die russische Armee plane, bei der Abstimmung Soldaten von Haus zu Haus zu schicken, um zu kontrollieren, dass die Menschen auch wirklich für einen Anschluss an Russland stimmten.

Bedrohlich wirkt auch das Gebaren der russischen Armee am Atomkraftwerk Saporischschja in der gleichnamigen Region. Russland hat die Anlage im März besetzt und soll dort inzwischen Waffen lagern. Die Ukraine und die USA beschuldigen Russland, das Kernkraftwerk als Schutzschild zu missbrauchen. In der Nacht zu Sonntag soll die Anlage zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage beschossen worden sein. Die Internationale Atomenergie-Organisation IAEO warnte vor der Gefahr einer Nuklearkatastrophe. Zuletzt soll der Kommandeur der russischen Truppen in Saporischschja sogar gedroht haben, das Kraftwerk in die Luft zu sprengen.

Verwendete Quellen
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