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Jewgeni Prigoschin brach Mafia-Gesetz: Söldner-Führer tot?


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Tagesanbruch
Prigoschin hat das eherne Gesetz der Mafia gebrochen

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 24.08.2023Lesedauer: 5 Min.
Russische Medien zeigten Bilder des abgestürzten Flugzeugs.Vergrößern des Bildes
Russische Medien zeigten Bilder des abgestürzten Flugzeugs. (Quelle: Ostorozhno Novosti/AP/dpa)

Guten Morgen liebe Leserin, lieber Leser,

in der Mafia gelten nur drei Gesetze: das Gesetz der Gewalt, des Schweigens und des Gehorsams. Wer den Geschäften des Paten nutzt, seine Schandtaten deckt und nicht aufmuckt, darf sich bereichern, darf stehlen, rauben, morden. Wer jedoch den Paten herausfordert, wird als Verräter gebrandmarkt und aus dem Weg geräumt.

Wladimir Putins Regime ist eine Mafia, wie sie im Buche steht. Seit mehr als 20 Jahren plündert der Kreml-Pate Russlands Bodenschätze aus, lässt Rivalen ermorden, verbreitet Angst und Schrecken, um seine Macht zu mehren. Seine Komplizenbande aus Oligarchen, Günstlingen und Warlords darf sich bereichern und schuldet dem Chef im Gegenzug absoluten Gehorsam.

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Jewgeni Prigoschin hat dieses eherne Gesetz der Mafia gebrochen. Mit seinem Putschversuch Mitte Juni forderte der Söldnerführer den Kreml-Mafioso heraus und demütigte ihn vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Weil sein Aufstand scheiterte, schaufelte er sich damit sein eigenes Grab. Von westlichen Geheimdiensten war schon vor sechs Wochen die Prognose zu vernehmen, dass Prigoschins Tage gezählt seien.

Genau so ist es nun gekommen: Gestern ist ein Privatflugzeug auf dem Flug von Moskau nach Sankt Petersburg abgestürzt – ob durch Raketenbeschuss oder eine Bombenexplosion, ist noch unklar. Neben Prigoschin sollen neun weitere Passagiere gestorben sein, darunter auch ein russischer Neonazi.

Auf den Tag genau zwei Monate nach seinem Putschversuch ist der Wagner-Chef offenbar in den Tod gestürzt: Das kann kein Zufall sein. Da muss jeder, der bis drei zählen kann, von einem staatlichen Mord ausgehen. Der Kriegsfürst erleidet dasselbe Schicksal wie andere aufmüpfige Regime-Schergen, nur dass er nicht aus dem Fenster stürzt, sondern aus dem Himmel. Die Botschaft an die russische Elite, aber auch an den Rest der Bevölkerung könnte nicht deutlicher sein: Wer sich mit mir anlegt, wird umgebracht.

Putin steht ersichtlich unter Druck, weil sein Kriegszug in der Ukraine nicht die erhofften Erfolge bringt. Umso härter schlägt er nun um sich – auf den Schlachtfeldern, aber auch im eigenen Land. Für alle, die sich um eine Entschärfung des Konflikts bemühen, ist das eine schlechte Nachricht. Putin nimmt keinerlei Rücksicht, er versteht nur die Sprache der Gewalt. Umso wichtiger, dass die demokratischen Staaten des Westens die bedrängten Ukrainer weiter mit ganzer Kraft unterstützen. Die Verteidiger der Freiheit verdienen jede Hilfe gegen das Mafiaregime in Moskau: Das ist die wichtigste Botschaft des Todesfalls Prigoschin.


Allianz aus Klimaklebern und AfD

Heute wird geschlichen. In München sogar mitten auf der Straße. Die Klimakleber der "Letzten Generation" haben einen großen Aufschlag angekündigt und wollen die bayerische Landeshauptstadt wochenlang zukleistern. Sollten Sie in München wohnen und nicht gerade in sicherer Distanz Ihre Sommerferien verbringen, sondern sich im Auto zur Arbeit und wieder nach Hause quälen, werden Sie auf der Strecke wahrscheinlich genug Zeit haben, sich über die Aktivisten schwarz zu ärgern. Oder Sie staunen. Denn die "Letzte Generation" hat einen ersten Erfolg schon erzielt, wenn auch auf einem Nebenschauplatz: Sie hat eine in Deutschland bedrohte Art gerettet.

Der "Klimaskeptiker" hat sich im heimischen Biotop nämlich wieder prächtig erholt. Lange war er kaum anzutreffen, verdrängt durch die flächendeckende Erkenntnis, dass das Klima in erschreckendem Tempo den Bach runtergeht und man besser heute als morgen etwas zu dessen Rettung unternehmen muss. (Der des Klimas, nicht des Skeptikers.) Mittlerweile hat das Geschwurbel von der "Klimalüge" aber wieder kräftig Auftrieb bekommen. Demzufolge ist alles dufte und die Krise nur eine Erfindung/Übertreibung/Lüge der Regierung/"Lügenpresse"/"denen da oben". Selbst wenn man diese Verschwörungsspinnereien ignoriert, ist die Einigkeit, die man angesichts der globalen Erhitzung dringend bräuchte, nun der Zornesröte gewichen. Das Klima hat es geschafft, wieder kontrovers zu sein. Das ist schon ein Kunststück bei so viel vorangegangenem Konsens.

Wie das kommt? Die "Letzte Generation" hat mit ihren Aktionen den Kulturkampf angefacht, den am anderen Ende des politischen Spektrums auch die AfD befeuert. Den Ablauf kennen wir: Es ist die immergleiche Polarisierungsmühle, bei der Geschrei oder Aufreger-Aktionen von den Rändern die eigentlich viel mächtigere gesellschaftliche Mitte übertönen und aus der Debatte verdrängen. Das Spiel wiederholt sich, weil es funktioniert. Sollten die Aktivisten mit ihrem Klebstoff den Münchner Verkehr erfolgreich lahmlegen, beschert ihnen das Aufmerksamkeit und Zulauf. Und denen, die sich besonders lautstark dagegen positionieren, ebenfalls. Wären die "Letzte Generation" und die AfD Unternehmen, müsste man ihnen eine gelungene Wachstumsstrategie und Erfolg bei der Eroberung von Marktanteilen attestieren. Der bisherige Platzhirsch, die "Normalo GmbH", muss hingegen herbe Einbußen hinnehmen und verweist auf ein schwieriges Geschäftsumfeld.

Die "Letzte Generation" zeigt, wie man erfolgreich sein kann, ohne in der Sache auch nur einen einzigen Schritt voranzukommen. Wir sehen den Siegeszug einer Strategie, nicht eines Anliegens. Wenn man heute in München Menschen trifft, die mit hochrotem Kopf über die Aktionen debattieren, hat das wenig mit dem Klima, aber eine Menge mit dem Kleber zu tun. Die Aktivisten könnten genauso gut für mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Parkplätze, niedrigere Steuern oder eine neue Straßenbahnfarbe eintreten – würden sie das mit ein paar Straßenständen und Plakaten tun, nähme man wohl kaum Notiz. Aber festgeklebt auf dem Mittleren Ring? Zack, wäre die Straßenbahnfarbe in den Abendnachrichten!

Womit wir bei der Gretchenfrage angekommen sind. Die Uhr tickt, die Hitzerekorde purzeln, die Rekorde bei den Passagierzahlen der Airlines aber auch. Es ist nicht nur die Bundesregierung, die sich zu ihren Klimazielen schleppt, anstatt zu spurten. Mehrheitlich schleichen auch wir Bürger dabei so langsam voran wie die Autos im Münchner Berufsverkehr. Sorgen die nervigen Aktivisten für den Tritt in den Hintern, den wir alle brauchen? Die Antwort lautet: leider nein.

Denn polarisierende Aktionen nützen nur denen, die sie veranstalten, sowie ihren radikalsten Gegnern. Gesellschaftlich führen sie in die Sackgasse. Wie es sich in dieser Sackgasse anfühlt, haben die Amis mithilfe von Polarisierungspräsident Donald Trump eindrucksvoll demonstriert – und sich von der Spaltung ihres Landes bis heute nicht erholt.

Wirklich vorwärts kommt nur, wer sich um gesellschaftlichen Konsens bemüht. Wenn man Bürger einbezieht und an der Umgestaltung teilhaben lässt – auch finanziell –, werden Dinge möglich, die andernorts für Proteststürme sorgen. Zum Beispiel, dass man Menschen Windräder vor die Nase setzt und die das auch noch beklatschen. Glauben Sie nicht? Schauen Sie mal hier. Geht alles – und hält ganz ohne Kleber.

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Zum Schluss

Die Migrationsdebatte hat Folgen.

Ich wünsche Ihnen einen ruhigen Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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