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Cum-Ex-Chefermittlerin Brorhilker: Fatales Zeichen für den Rechtsstaat


Cum-Ex-Ermittlungen
Ein fatales Zeichen für den Rechtsstaat

  • Carsten Janz
MeinungVon Carsten Janz

22.04.2024Lesedauer: 3 Min.
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"Cum-Ex"-Prozess BonnVergrößern des Bildes
Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker im Januar 2020 im Landgericht Bonn. (Quelle: Oliver Berg/dpa/dpa-bilder)

Die Oberstaatsanwältin und Cum-Ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker hat die Kündigung eingereicht. Das ist kein Grund zur Freude.

Der Verein Finanzwende, der sich als "unabhängiges und überparteiliches Gegengewicht zur Finanzlobby" versteht, wird sich freuen. Mit Anne Brorhilker kommt ein Schwergewicht des Kampfes gegen Steuerhinterziehung und Finanzkriminalität als Geschäftsführerin an die Spitze der Bürgerbewegung. Doch in die Freude mischen sich auch Bedenken, und das zu Recht.

In diesem Personalwechsel gibt es nämlich auch viele Verlierer. Zum einen verliert die Staatsanwaltschaft in Köln eine erfahrene Ermittlerin. Das schmerzt nicht nur die Behörde, sondern auch den Steuerzahler. Nirgendwo anders in Deutschland wurden so viele Cum-Ex-Verfahren geführt und auch zum Abschluss gebracht. Brorhilker und ihre Kollegen haben gestohlenes Geld der Bürger zurückgeholt.

Hier verliert der Rechtsstaat

Zum anderen, und das ist noch viel wichtiger, verliert hier der Rechtsstaat. Denn Brorhilkers Kündigung ist im Kern eine Kapitulation vor dem Einfluss der Politik auf die Justiz. Es ist ein fatales Zeichen für den Rechtsstaat.

Nur zu häufig betonen Politiker die Unabhängigkeit der Justizorgane, wollen sich nicht zu laufenden Verfahren äußern und predigen die Gewaltenteilung. Doch im Cum-Ex-Skandal wirkt das wie leeres Geschwätz. Denn um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Die Staatsanwaltschaften sind in diesem Land nicht unabhängig. Staatsanwälte sind weisungsgebunden, unterstehen den Justizministern der Länder oder des Bundes. Unabhängig ist definitionsgemäß nur der Richter.

Prominentes Opfer

Anne Brorhilker ist schlicht ein sehr prominentes Opfer dieser deutschen Fehlkonstruktion in der Justiz. Immer wieder wurden ihr Steine in den Weg gelegt. Als sie einen Anfangsverdacht gegen Olaf Scholz prüfen wollte, weil er sich in der Warburg-Affäre in Hamburg mit dem reichen Bankier Christian Olearius getroffen hatte, wurde sie behindert.

Als sie zu eifrig ein Cum-Ex-Verfahren nach dem anderen in Köln anschob, sollte ihr ein anderer, möglicherweise für die Politik angenehmerer Kollege vor die Nase gesetzt werden. Und dass sie jetzt, obwohl die Degradierung durch öffentlichen Druck verhindert wurde, doch den Hut nimmt, lässt darauf schließen, dass hinter den Kulissen das Politschauspiel weiterging. Man kann nur hoffen, dass der wahre Grund für ihre Kündigung irgendwann herauskommt – als Journalist, aber auch als Bürger dieses Staates.

Brorhilker war Lichtblick

Brorhilker war ein Lichtblick unter den Staatsanwältinnen, die Unabhängigkeit und den Willen zur Aufklärung gelebt haben. Ganz anders mancher ihrer Kollegen in den anderen Bundesländern.

In Hamburg entsteht der Eindruck, als bestehe ein großer Teil der Staatsanwaltschaft aus Getreuen der Regierung – oder eben aus Scholz-Jüngern. Immer wieder ignorierten die Staatsanwälte Hinweise, dass Olaf Scholz in der Cum-Ex-Affäre Einfluss auf das Steuerverfahren genommen hat. Bis heute sieht die Behörde keinen Anfangsverdacht, zeitgleich lacht die ganze Republik über die Erinnerungslücken des Kanzlers. Doch dieses Lachen bleibt im Halse stecken.

Es musste sich für Brorhilker anfühlen, als ob sie gegen Windmühlen kämpft. Sie und ihre Kollegen klagen reihenweise Betrüger an und im Rest der Republik wird Däumchen gedreht, weil die Politik den Ernst der Lage nicht erkennt. Oder viel schlimmer nicht erkennen will!

Brorhilker bleibt stabil

Die für mich einzig positive Nachricht an der Kündigung von Anne Brorhilker: Auch im Abschied bleibt sie stabil. Sie geht nicht zu einem der vier großen Beratungsunternehmen, die auf der einen Seite dem Staat Tipps geben, wie Gesetze zu schreiben sind, und auf der anderen Seite der Finanzindustrie sagen, wie genau diese Gesetze zu umgehen sind. Sie geht zu einer Bürgerrechtsbewegung.

Sie verzichtet auf viel Geld, wahrscheinlich auf Teile Ihrer Pension und auf Renommee. Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerrechtsbewegung, wird deutlich: "Das muss ein Weckruf sein, die Verfolgung von Finanzkriminalität endlich zur politischen Priorität in Deutschland zu machen." Brorhilker kann jetzt nicht mehr den einzelnen Betrüger vor Gericht zerren und zu einer Verurteilung beitragen. Aber vielleicht schafft sie es jetzt über den gut vernetzten Verein "Finanzwende", das System zu ändern. Man kann es nur hoffen. Für sie und für unseren Rechtsstaat.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Meldung tagesschau.de
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