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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Allein unter Erwachsenen Verwöhnter Egoist, Weichei oder Partnerersatz - drei typische Rollen für Einzelkinder?
Jedes vierte Kind in Deutschland wächst ohne Geschwister auf. Wie entwickeln sich Einzelkinder in einer alternden Gesellschaft? Werden sie unter lauter Erwachsenen zwangsläufig verwöhnte Egoisten? "Das haben die Eltern in der Hand", sagt die Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes, Paula Honkanen-Schoberth. Bei Alleinerziehenden besteht zudem die Neigung, das Kind als Ersatzpartner zu behandeln.
Leon hätte schrecklich gern einen Bruder. Jan hat manchmal Geschwister, wenn er bei seinem Vater ist. Und Marie findet es allein mit ihrer Mutter ganz okay. Rund 3,4 Millionen Kinder und Jugendliche wachsen in Deutschland ohne Geschwister auf, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden berichtet. Dieser Anteil ist seit Jahren ungefähr gleich.
Vor allem in Großstädten und im Osten Deutschlands leben vergleichsweise viele Einzelkinder. "Im Osten ist der Kinderwunsch stärker, viele Frauen sagen aber, ein Kind reicht", erklärt Jürgen Dorbritz vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden. Im Westen verzichteten vor allem Akademikerinnen eher ganz auf Nachwuchs.
Auf das Kind fixierte Alleinerziehende
Im Vergleich zu Geschwisterkindern leben Einzelkinder öfter bei alleinerziehenden, unverheirateten oder getrennt lebenden Eltern, wie aus dem Kinderpanel des Deutschen Jugendinstituts (DJI) in München hervorgeht. Auch dies prägt das Leben dieser Jungen und Mädchen. "Bei einem Elternteil muss man aufpassen, dass das einzige Kind nicht so etwas wie ein Partnerersatz wird", sagt der Offenbacher Psychologe Werner Gross. Honkanen-Schoberth ergänzt: Wenn ein alleinerziehender Elternteil selbst wenig Bezugspersonen habe, könne es sein, dass das Kind ihm helfen wolle und sich damit überfordere.
"Einzelkinder bleiben länger auf die Eltern zentriert", stellt die DJI-Forschungsdirektorin Sabine Walper fest. "Die Geschwistergemeinschaft hat zumeist sehr große Vorteile und Tragkraft." Sie sei in aller Regel die längste Beziehung, die einen Menschen durch das Leben begleite.
Wie verwöhnt sind Einzelkinder wirklich?
Einzelkinder würden einerseits wie Prinzen und Prinzessinnen verwöhnt, andererseits orientierten sie sich nur an Erwachsenen, sagt Gross. Dies sei für die psychische Entwicklung nicht gut. Honkanen-Schoberth ermahnt Eltern, ihre Kinder nicht im Übermaß zu behüten und ihnen alle Wünsche zu erfüllen. Auch die Großeltern, Tanten und Onkel sollten dies nicht übertreiben.
Die Forschung zeige aber, dass das Vorurteil der egoistischen Einzelkinder nicht stimme. Im Gegenteil: "Einzelkinder können besser abgeben und teilen, weil sie nicht zu kurz gekommen sind." Sie pflegten auch Freundschaften, weil diese für sie besonders wichtig seien. "Und sie sind in Cliquen beliebt."
Viele Einzelkinder würden bei den Hausaufgaben und ihren Hobbys besonders gut gefördert und unterstützt, sagt Honkanen-Schoberth. "Dadurch sind viele relativ pfiffig und halten damit auch nicht hinterm Berg." Ihr Wortschatz und ihre Leistungen seien häufig gut. Manchmal liefen sie so Gefahr, in der Schule in eine Streberposition zu geraten.
Einzelkinder können sich schlechter durchsetzen
Die Selbstsicherheit von Einzelkindern sei meist brüchig, sagt Psychologe Gross. Dies begründet Honkanen-Schoberth damit, dass die Kinder ohne Geschwister nicht so gut gelernt hätten, ihre Ellbogen zu nutzen und sich manchmal schlechter durchsetzen könnten. Sie rät Eltern von Einzelkindern, schon früh für regelmäßigen Umgang mit Freunden, Verwandten, Sport- und sozialen Gruppen zu sorgen. "Kinder lernen schon im Krabbelalter voneinander."
Ob Einzelkinder selbst häufig nur ein Kind bekommen, ist wissenschaftlich nicht geklärt - zumal selten beide Eltern Einzelkinder sind. "Die Daten des Generations and Gender Survey - einer Untersuchung zu Kindern und Eltern - zeigen in einer Auswertung für Österreich, Frankreich, Norwegen und Russland, dass Einzelkinder tatsächlich überzufällig nur ein Kind bekommen oder sogar kinderlos bleiben", sagt Walper. Sicher sei: "Erwachsene, die mit Geschwistern aufgewachsen sind, wünschen sich in der Regel selbst mehrere Kinder."