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Vergesslichkeit: Woher Erinnerungslücken kommen


Erinnerungslücken
Woher Vergesslichkeit kommt und was hilft


Aktualisiert am 10.01.2024Lesedauer: 4 Min.
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Ältere Dame vor Laptop ist müde: Schlafmangel wirkt sich auf die Leistungsfähigkeit des Gehirns aus. Als Folge können Konzentrationsstörungen auftreten.Vergrößern des Bildes
Schlafmangel wirkt sich auf die Leistungsfähigkeit des Gehirns aus. Als Folge können Konzentrationsstörungen auftreten. (Quelle: fizkes/getty-images-bilder)

Habe ich die Mail geschrieben? Wo sind die Schlüssel? Erinnerungslücken im Alltag sind nichts Ungewöhnliches. Schuld daran ist häufig eine zu große Informationsflut.

Vergesslichkeit ist in den meisten Fällen die Folge von Stress oder Übermüdung. Manchmal sind aber auch schwerwiegendere Ursachen verantwortlich. Fünf Gründe, warum das Gedächtnis phasenweise streikt.

Stress macht vergesslicher

Viele dürften es kennen: In stressigen Phasen, in denen ein Termin auf den anderen folgt, ist die Vergesslichkeit oft besonders groß. Muss das Gehirn ununterbrochen von einem Sachverhalt zum nächsten springen, funktioniert das Kurzzeitgedächtnis oft nur eingeschränkt. Das Gehirn sortiert oft verstärkt aus: Was ist wichtig, was unwichtig? Die Mail vor zwei Stunden? Nicht so wichtig. Der Schlüssel auf der Anrichte? Aussortiert. Besonders Informationen, die emotional keine größere Bedeutung haben, gehen in stressigen Phasen leicht vergessen.

Für das Gehirn ist wichtig, was emotional berührt – positiv wie negativ. Zwar ist das Gehirn darauf trainiert, viele Informationen auf einmal zu verarbeiten. Doch es arbeitet ökonomisch: Je größer die Fülle ist, desto stärker wird gefiltert und ausgemistet. So behält man die Geburtstage seiner Lieben leicht im Kopf, weiß aber oft schon wenige Stunden später nicht mehr, was man zu Mittag gegessen hat.

"Für das Gehirn ist sowohl akuter als auch anhaltender Stress ein Alarmzustand – besonders negativer Stress, der mit Gefühlen von Überforderung, Hilflosigkeit und Kontrollverlust verbunden ist", erklärt Dr. Torsten Grüttert, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Chefarzt der Privatklinik Duisburg. "Dann wird der Körper von Stresshormonen geflutet, darunter Adrenalin und Kortisol. Das macht den Körper reaktionsbereit und fokussiert die Aufmerksamkeit auf das, was unser Gehirn als bedeutsam einstuft. Und das ist meist das, was Emotionalität besitzt. Andere Inhalte gehen in Folge der 'Stresshormon-Dusche' oftmals verloren. Das Kurzzeitgedächtnis funktioniert nur noch eingeschränkt. Das Erinnerungsvermögen wird schwächer."

Stress kann das Gedächtnis dauerhaft schwächen

Anhaltender starker Stress kann das Gedächtnis sogar längerfristig beeinträchtigen. Ist das Gehirn anhaltend in dem Not-Modus verhaftet – hat es nur ein Ziel: Die Situation zu meistern. Das Gehirn fokussiert sich auf das Überleben – auch wenn von den Stressfaktoren, etwa Terminstress, Streit, Trauer oder Leistungsdruck, keine lebensgefährliche Bedrohung ausgeht. Das ist ein Relikt aus früheren Zeiten.

"Stress führt zu einer hohen Selektion von Informationen. Hält die Belastung dauerhaft an, verankert sich der Stress im Gehirn. Die Nervenzellen verzweigen sich weniger und kommunizieren weniger untereinander. Die Überflutung von Stresshormonen ist Gift für das Gedächtnis. Gehirnstrukturen und Gehirnstoffwechsel verändern sich. Das Gute ist: Die Veränderungen lassen sich rückgängig machen, wenn das Stresslevel abnimmt und sich der Organismus erholt", sagt Grüttert.

Intensive Emotionen können zu Erinnerungslücken führen

Bei einem emotional extrem belastenden Ereignis kann das Gedächtnis sogar komplett streiken. Betroffene, die ein traumatisierendes Erlebnis – also eine für sie oder andere existenziell bedrohliche Situation – erlebt haben, etwa einen Unfall, den Tod einer geliebten Person, Krieg oder Gewalt, haben häufig Erinnerungslücken an das traumatische Geschehen. Ursache ist eine Überforderung der psychischen Schutzmechanismen. Ohne jede Vorbereitung befindet sich die Person in einer Extremsituation mit intensiven Gefühlen, etwa extremer Angst (nicht zu überleben), Panik, Kontrollverlust, Ausgeliefertsein, Hilflosigkeit, Sicherheitsverlust, Verzweiflung und Ohnmacht. Ein Trauma ist eine Extrembelastung und kann im Gehirn Spuren hinterlassen.

"Zum einen kann ein Erinnerungsverlust eintreten, weil das Gehirn die einströmenden Informationen nicht verarbeiten kann und von der Flut aus Stresshormonen und emotionalen Einflüssen überfordert ist. Zum anderen, weil Vergessen auch ein Schutzmechanismus darstellen kann, um mit dem Erlebten umzugehen. Es kann bis hin zum kompletten Gedächtnisverlust (Amnesie) kommen", so der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. "Doch auch wenn Teile des Erlebten aus dem Gedächtnis gelöscht scheinen: Das Gehirn ist hoch sensibilisiert und kann in Situationen, die an das Geschehnis erinnern, mit starkem Stress reagieren." Das können zum Beispiel bestimmte Gerüche, Geräusche, Stimmen und andere Reize sein. Für die betroffene Person kann die Stressreaktion ganz unerwartet geschehen. Oft ist ihr die Verbindung zu dem Trauma nicht bewusst.

(Quelle: Privat)


Dr. Torsten Grüttert ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Chefarzt der Privatklinik Duisburg.

Alkohol schadet dem Gedächtnis

Doch nicht nur körperlicher und emotionaler Stress setzt dem Gedächtnis zu. Auch von außen zugeführte Substanzen können Erinnerungslücken begünstigen. Alkohol zum Beispiel kann sich so auf das Gehirn auswirken, dass Erinnerungen verloren gehen. Ein Alkoholrausch kann so stark sein, dass die betrunkene Person am kommenden Tag keine Erinnerung mehr an den letzten Abend hat. Diese Erinnerungslücke wird als Blackout oder Filmriss bezeichnet. Alkohol in großen Mengen verursacht Fehlfunktionen im Hippocampus, dem Bereich im Gehirn, der für das Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis zuständig ist. Informationen werden unter starkem Alkoholeinfluss nur bruchstückhaft oder gar nicht gespeichert.

Neben dem Rauschtrinken ist auch langfristiger Alkoholkonsum schädlich für das Gehirn. Die medizinische Forschung hat gezeigt, dass regelmäßiger Alkoholkonsum eine Abnahme sowohl der grauen als auch der weißen Substanz zur Folge haben kann – und das nicht nur bei starkem Alkoholkonsum, sondern auch bei moderatem.

Hormonelle Einflüsse können das Gedächtnis blockieren

Auch hormonelle Einflüsse können eine Wirkung auf das Gehirn haben. Viele schwangere Frauen klagen über leichte Vergesslichkeit und Verwirrtheit. Umgangssprachlich ist von Schwangerschaftsdemenz die Rede. Als mögliche Ursache werden die hormonellen Veränderungen im Körper diskutiert. Nicht weniger bedeutsam scheint die emotionale Situation zu sein: Die werdende Mutter ist ganz auf das kleine Leben in ihrem Körper konzentriert. Da geht "Unwichtiges" schnell vergessen. Zudem ist die Zeit der Schwangerschaft häufig auch mit Stress verbunden. Vieles muss organisiert und vorbereitet werden: ein weiterer Einflussfaktor, der Gedächtnislücken begünstigen kann.

Schlafmangel macht vergesslicher

Nach der Geburt ist es meist Schlafmangel, der zu Erinnerungslücken führt. Fehlen Körper und Gehirn Schlaf und die damit verbundene Regenerationszeit, ist man weniger aufnahmefähig. Konzentration, Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit lassen nach. Auch das Langzeitgedächtnis verschlechtert sich. "Schlafmangel ist in jedem Fall ungünstig für die Gedächtnisleistung", sagt Grüttert. "In stressigen Phasen schlafen wir tendenziell schlechter ein, weniger tief und wachen oft früh auf, weil der Körper durch die Stresshormone in hohem Maße aktiviert ist. Doch wir brauchen ausreichend Schlaf sowie genügend Tiefschlaf, um regenerieren zu können – körperlich wie geistig."

Im Schlaf sortiert das Gehirn Erlebtes. Relevante Informationen wandern vom Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis. Fehlt Schlaf, ist die Informationsverarbeitung gestört. Zudem fehlt uns Konzentration am Tag – was Gedächtnislücken weiter begünstigt. Entspannungstechniken und Maßnahmen zur Stressreduktion können helfen, Stress erfolgreicher zu bewältigen und den Schlaf zu verbessern.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
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