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Therapieresistente Depression: Was hinter der Variante steckt


Was helfen kann
Therapieresistente Depression – was hinter der Variante steckt


15.04.2024Lesedauer: 5 Min.
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Rückansicht einer älteren Frau, die auf ihrem Bett sitzt.Vergrößern des Bildes
Etwa jede dritte schwere Depression gilt als therapieresistent. (Quelle: monkeybusinessimages/getty-images-bilder)

Bei einer therapieresistenten Depression schlagen gängige Behandlungen nicht an. Was dann helfen kann, verrät ein Experte im Gespräch mit t-online.

Angaben der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention zufolge gehören Depressionen zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzen Erkrankungen. Pro Jahr erkranken über fünf Millionen Deutsche an einer depressiven Störung. Studien zufolge ist etwa jeder fünfte bis sechste Erwachsene einmal in seinem Leben von einer Depression betroffen.

Was ist eine therapieresistente Depression?

Während bei manchen die Therapie wie erhofft anschlägt und sie den Weg zurück in ein Leben ohne Depression finden, zeigt die Therapie bei anderen nicht den gewünschten Erfolg. Etwa 30 Prozent der schweren Depressionen werden dem Bundesministerium für Gesundheit zufolge als therapieresistente Depression (TRD) eingestuft.

Dr. Andreas Hagemann
Dr. Andreas Hagemann (Quelle: privat)

Zur Person

Dr. Andreas Hagemann ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Ärztlicher Direktor der unter anderem auf Burnout und Stresserkrankungen spezialisierten Privatkliniken Duisburg, Eschweiler und Merbeck.

"Von einer hartnäckigen, beziehungsweise therapieresistenten Depression ist in der Psychiatrie die Rede, wenn infolge von psychotherapeutischen und medikamentösen Behandlungen keine Besserung der depressiven Symptome eintritt. Eine therapieresistente Depression liegt nach offizieller Definition vor, wenn zwei Versuche einer medikamentösen Behandlung in ausreichender Dosis und nach ausreichender Einnahmezeit ohne Verbesserung bleiben", erklärt Dr. Andreas Hagemann, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Ärztlicher Direktor der unter anderem auf Burnout und Stresserkrankungen spezialisierten Privatkliniken Duisburg, Eschweiler und Merbeck.

Antidepressiva allein bringen oft keine Verbesserung

Im Zusammenhang mit der Definition ist laut dem Experten wichtig, dass nur etwa ein Drittel der Betroffenen auf eine erste medikamentöse Therapie anspricht und die Psychotherapie, welche laut Behandlungsleitlinie obligat sein sollte, nicht als Diagnosekriterium einer therapieresistenten Depression herangezogen wird. "Des Weiteren kommt insbesondere der Aufklärung über die Wirkweise von Antidepressiva ein wichtiger Aspekt zu. Eine Verbesserung innerhalb einer kurzen Zeit, wie sie beispielsweise bei Mitteln gegen Kopfschmerzen nach weniger als einer Stunde eintritt, ist nicht zu erwarten", erklärt Hagemann.

Antidepressiva wirken nicht sofort

Vielmehr treten die unerwünschten Arzneimittelnebenwirkungen, etwa Übelkeit oder Kopfschmerzen, zusätzlich zu den depressiven Beschwerden auf. Erst zwei bis vier Wochen nach Erreichen der Zieldosis und eines konstanten Blutspiegels ist eine Verbesserung der depressiven Symptome zu erwarten. "Wird dies nicht ausreichend kommuniziert, wird das Medikament häufig falsch beziehungsweise unregelmäßig eingenommen und/oder zu schnell gewechselt, bevor eine Wirkung zu erwarten war", erklärt Hagemann.

Kombination von Antidepressiva und Psychotherapie verbessert Heilungschancen

Die Kombination von Antidepressiva und Psychotherapie steigert die Chance auf Heilung und ist für die Vermeidung und Überwindung von Therapieresistenz und Chronifizierung von großer Bedeutung. "Die alleinige Einnahme eines Antidepressivums oder die alleinige Psychotherapie sind deutlich weniger erfolgreich als die Kombination beider Therapieverfahren", so Hagemann.

Neben einer Kombinationstherapie verschiedener, sich gegenseitig unterstützender antidepressiver oder stimmungsstabilisierender Medikamente kommt der nichtmedikamentösen Therapie in einem tagesklinischen oder stationären Setting daher eine wichtige Rolle zu, darunter beispielsweise eine intensive Psychotherapie mit mehreren Stunden Psychotherapie pro Woche sowie das Erlernen supportiver Techniken wie Meditation, Yoga, progressive Muskelrelaxation, Aufbaus einer geregelten Tagesstruktur und so weiter.

"In einer solchen intensiven Behandlung kann die Psychopharmakotherapie auch entsprechend engmaschiger kontrolliert und optimiert werden", sagt Hagemann. Ohne Ansprechen der Therapiemaßnahmen besteht das Risiko, dass die Erkrankung chronisch wird. Von einer chronischen Depression sprechen Experten, wenn die depressive Episode über 24 Monate besteht.

Welche Faktoren die Entwicklung einer hartnäckigen Depression begünstigen

Nicht immer handelt es sich bei Nichtansprechen der Therapie um eine TRD. Spricht die Therapie nicht an, sollte die sogenannte Pseudoresistenz ausgeschlossen werden. Wirken Antidepressiva nicht, kann das verschiedene Ursachen haben, unter anderem:

  • Die Einnahmedauer ist zu kurz, eine Wirkung ist noch nicht zu erwarten.
  • Die individuelle Dosierung ist nicht ausreichend, beziehungsweise noch nicht erreicht.
  • Die Einnahme erfolgt unregelmäßig, ein konstanter Blutspiegel konnte nicht aufgebaut werden.
  • Der Wirkstoff des Antidepressivums ist noch nicht der passende.
  • Der Betroffene nimmt das Medikament nicht nach Anweisung ein.
  • Andere Ursachen oder Erkrankungen spielen in das Symptombild mit hinein. Bei traumatisierenden Erlebnissen als Auslöser ist zum Beispiel das Ansprechen von Antidepressiva laut dem Experten generell schlechter.
  • Die Aufnahme oder der Abbau des Wirkstoffs im Körper ist gestört.
  • Unerwünschte Nebenwirkungen treten auf.

Auch das Nichtansprechen einer Psychotherapie kann unterschiedliche Ursachen haben, etwa:

  • Das Setting ist nicht ausreichend haltgebend, beispielsweise lässt die Schwere der Depression eine Psychotherapie im ambulanten Setting nicht zu.
  • Die Abstände zwischen den einzelnen Therapiesitzungen sind zu lang, die Wirkung "verpufft".
  • Die therapeutische Beziehung zwischen Patient und Therapeut konnte nicht ausreichend etabliert werden. Die Passung stimmt nicht.
  • Möglichkeiten, Grenzen und Erwartungen an Psychotherapie wurden nicht ausreichend diskutiert und definiert.
  • Die Therapieziele vom Patient und Therapeut weichen voneinander ab, sie sind nicht ausreichend miteinander definiert worden.
  • Es ist nicht das richtige Therapieverfahren.

"Greift die Therapie einer Depression nicht wie erhofft, ist es von großer Wichtigkeit, der Ursache auf den Grund zu gehen", sagt Hagemann. "Gibt es in den oben genannten Bereichen keine Anpassungsmöglichkeiten mehr, können weitere Therapieoptionen überdacht werden."

Esketamin: Ein Weg aus der therapieresistenten Depression?

Helfen weder Antidepressiva als Mono- oder Kombinationstherapie noch Psychotherapie den Betroffenen, können weitere Behandlungsverfahren versucht werden. 2019 erfolgte die Zulassung des Wirkstoff Esketamin zur Behandlung therapierefraktärer Depressionen, welcher seither stark beworben wird.

Esketamin ist ein Wirkstoff, welcher dem Narkosemittel Ketamin ähnelt und ursprünglich aus dem Bereich der Anästhesie kommt. Der Wirkstoff soll den Botenstoff Glutamat im Gehirn erhöhen und wird in Kombination mit einem anderen Antidepressivum eingesetzt. Esketamin darf nur von einem Psychiater verschrieben werden. Bei der Einnahme in Form eines Nasensprays muss medizinisches Fachpersonal anwesend sein, um rasch auf mögliche Nebenwirkung reagieren zu können, etwa Benommenheit.

Elektrokonvulsionstherapie: Elektrische Reize fürs Gehirn

Eine weitere Option, die gemeinsam mit behandelnden Ärzten und Psychiatern abgeklärt werden kann, ist die sogenannte Elektrokonvulsionstherapie (EKT). Bei der EKT werden die Patienten in eine Narkose versetzt und über elektrische Impulse wird ein Krampfanfall ausgelöst. Die Vorstellung ist grob gesagt, dass "der Reset- Knopf gedrückt wird" und sich durch diese Stimulation das Gehirn neu organisiert – wie bei einem Neustart.

Die Wirksamkeit bei sorgfältiger Indikationsstellung ist in Studien belegt. Die genauen Wirkmechanismen sind jedoch nicht geklärt. Das Gehirn soll keinen Schaden nehmen und das Risiko für lebensbedrohliche Komplikationen gilt als gering.

Schrittmacher fürs Gehirn gegen therapieresistente Depression

Eine weitere Therapieoption bei schweren und therapieresistenten Depressionen stellt der "Hirnschrittmacher" dar. Der Patient bekommt unter Vollnarkose eine Elektrode in jede Gehirnhälfte implantiert, genauer: in eine Nervenbahn, welche zum Belohnungszentrum führt. Die Elektroden geben durchgängig schwache elektrische, für den Betroffenen nicht spürbare, Impulse ab und stimulieren so das Belohnungszentrum. Da die Batterien nach ein paar Jahren ausgetauscht werden müssen, sind weitere Eingriffe notwendig.

"Welche Verfahren bei einer therapieresistenten Depression infrage kommen, ist individuell verschieden und vom jeweiligen Fall abhängig. Wichtig ist, dass sich Betroffene ausführlich über mögliche Chancen und Risiken aufklären lassen", rät Hagemann.

Hinweis: Falls Sie viel über den eigenen Tod nachdenken oder sich um einen Mitmenschen sorgen, finden Sie hier sofort und anonym Hilfe.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview mit Dr. Andreas Hagemann
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