Klimasatellit "Earthcare" scannt Atmosphäre - "Das hat sonst keiner"
Das Wissen über die Erdatmosphäre ist lückenhaft. Ein neuer Esa-Satellit soll diese Lücken schließen. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.
Auf Dutzenden Monitoren flimmern Zahlenreihen und Tabellen. Aus dem Keller werden Fehler- und Gefahrenmeldungen an die Spezialisten geschickt. Weltraumschrott oder Sandstürme, im Notfall muss schnell reagiert werden. Seit Wochen trainieren Mitarbeiter der Europäischen Raumfahrtbehörde Esa im Kontrollzentrum in Darmstadt für den für Ende Mai geplanten Start des neuen Erdbeobachtungssatelliten "Earthcare".
Mit der Mission sollen global die Wechselwirkung von Wolken, Aerosolen und Sonneneinstrahlung auf die Atmosphäre und so bessere Klimamodelle und Wettervorhersagen ermöglicht werden. "Das hat sonst keiner", sagt Nicolaus Hanowski von der Esa-Direktion für Erd- und Umweltbeobachtung in Frascati bei Rom.
Neue Dimension bei der Erdbeobachtung
""Earthcare" ist einer der aufwändigsten Earth-Explorer, die wir haben", sagt Hanowski. Erstmals solle damit ein 3D-Modell der Atmosphäre im gesamten Höhenprofil erstellt werden können. "Die europäisch-japanische Erdbeobachtungsmission "Earthcare" wird unser Verständnis zu Klima- und Wetterphänomenen maßgeblich vorantreiben", heißt es beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das in die Mission eingebunden ist.
Ziel der Mission und der Messungen sei zu verstehen, wie sich die Atmosphäre im gesamten Höhenprofil verhalte, so Hanowski. Dabei gehe es um die dynamischen Bewegungen, um physikalische und chemische Eigenschaften und wie sich die Atmosphäre global zeitlich verändere. Das könne man auch mit einem Wetterballon machen, aber dann bekäme man nur ein punktuelles Bild, quasi eine Säule. "Wir machen die Säule dreidimensional, indem wir die komplette Erdoberfläche untersuchen", sagt der Esa-Spezialist über die bislang gut 500 Millionen Euro teure Mission mit ihren vier Instrumenten an Bord.
Neue Möglichkeiten für Wettervorhersagen
"Die Daten, die da gesammelt werden, werden von verschiedenen Organisationen genutzt, um Wettervorhersagen konkret zu optimieren", sagt Hanowski. So könnten voraussichtlich auch Unwetter wie die tödliche Flutkatastrophe 2021 im Kreis Ahrweiler besser vorhergesagt werden. Kurzfristige Warnungen vor derartigen Ereignissen seien indes auch mit den neuen Daten nicht möglich.
Es gehe darum, die Vorhersagen zu verbessern, und dazu sei ein Verständnis für die Dynamik von Wolken, Tiefdruckgebieten und der Atmosphäre nötig. Mit aus den Daten gewonnenen Klimamodellen könnten vielleicht auch drohende Dürren prognostiziert werden. Doch: "Wir wissen zu wenig über die Wechselwirkung zwischen Sonneneinstrahlung und den verschiedenen Schichten der Atmosphäre."
Die Instrumente an Bord von "Earthcare" (Earth Cloud Aeorosol and Radiation Explorer) sollen nun Dichteprofile, Wassergehalt von Wolken, die chemische Zusammensetzung oder auch die Art der Moleküle messen und erfassen, um so Wechselwirkungen zwischen Wolken, Aerosolen und der Sonnenstrahlung zu untersuchen. Die daraus erstellten umfassenden Modelle sind Hanowski zufolge sehr wertvoll: "Da hat man alles im Kontext."
Hochkomplexe Instrumente an Bord
Wenn seine Solarpanele ausgeklappt sind, ist der Orbiter dem DLR zufolge rund 17 Meter lang, 2,5 Meter breit und 3,5 Meter hoch. Die Instrumente an Bord würden Lichtimpulse senden und die reflektierten Signale analysieren. Die japanische Raumfahrtbehörde Jaxa habe ein Wolkenprofilradar beigesteuert, mit dem das Innenleben von Wolken untersucht werden könne. Zudem gebe es ein Instrument, das hochauflösende Bilder im sichtbaren und infraroten Lichtspektrum mache. Das vierte Instrument messe die reflektierte Sonnenstrahlung und die von der Erde ausgehende Wärmestrahlung.
Drei Schritte für einen erfolgreichen Start
Bis zum Start mit einer Falcon-9-Rakete des US-Raumfahrtkonzerns SpaceX im kalifornischen Vandenberg bereitet sich der Leiter des Kontrollzentrums in Darmstadt, Simon Plum, mit seinen Teams vor: "Wir trainieren auch den Ausfall des Kontrollzentrums." Im Notfall müssten schnell Entscheidungen getroffen werden. Für den rund zwei Tonnen schweren Satelliten ist auch ein reibungsloser Beginn der Mission wichtig.
Plum zufolge gibt es drei Schritte, die auf dem Weg dorthin klappen müssen: zum einen der Start selbst, dann die Ausrichtung der Solarpanele zur Sonne zur Energiegewinnung und schließlich das Herstellen der Kommunikation mit dem Orbiter. Geht hier etwas schief, wird es im Kontrollzentrum am Starttag nicht heißen "We have a mission"("Wir haben eine Mission").
- Nachrichtenagentur dpa