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HomePolitikUwe Vorkötter: Elder Statesman

Karl Lauterbach überzeugt als Minister: Drei erfolgreiche Reformen


Meinung
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Lichtblicke der Ampel
Er wird fehlen

  • Uwe Vorkötter
MeinungEine Kolumne von Uwe Vorkötter

Aktualisiert am 03.12.2024Lesedauer: 5 Min.
Gesundheitsminister Karl LauterbachVergrößern des Bildes
Ego-Shooter? Vielleicht. Aber die Bilanz von Karl Lauterbach (SPD) kann sich sehen lassen. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa/dpa-bilder)
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Die Ampelkoalition ist Geschichte. Gut so. Aber es war doch auch nicht alles schlecht, oder? Mindestens ein Minister von Olaf Scholz verdient eine gute Note. Unser Kolumnist meint nicht Boris Pistorius.

Was hat die Ampel gut gemacht? Olaf Scholz und Robert Habeck verweisen auf den Winter vor zwei Jahren: Russland griff die Ukraine an, Putin drehte Deutschland den Gashahn zu. Scholz rief die Zeitenwende aus, Habeck organisierte Flüssiggas und Stromimporte. Gelungenes Krisenmanagement, stimmt. Aber, bei allem Respekt: Das erwarten wir auch von der Regierung der viertgrößten Industrienation der Welt. Was denn sonst?

Ein Blick ins Kabinett: Boris Pistorius war der richtige Mann im wichtigen Verteidigungsressort. Auch Cem Özdemir hat sich Anerkennung erworben, als grüner Bauern-Versteher. Dann wird es personell dünn. Über Annalena Baerbock, Nancy Faeser und Volker Wissing haben Sie sich sicher ein eigenes Urteil gebildet. An Christine Lambrecht und Anne Spiegel erinnern wir uns kaum noch; die traten zurück, mangels persönlicher Eignung (Spiegel), mangels fachlicher und persönlicher Eignung (Lambrecht). Klara Geywitz und Svenja Schulze sind nicht weiter aufgefallen. Bettina Starck-Watzinger fiel erst durch ihren Rücktritt nach dem Ampel-Aus auf – ach so, die gehört zur FDP.

Hier und heute geht es nicht um die gescheiterten Protagonisten einer gescheiterten Regierung. Sondern um einen Minister, der sehr wohl etwas zustande gebracht hat. Der in puncto Beliebtheit nicht an Pistorius herankommt, der im Gegenteil hoch umstritten ist, der aber ein besonders schwieriges Ressort mit Fachkompetenz und Leidenschaft geführt hat. Ich habe etwas Sorge, dass Sie nicht mehr weiterlesen, wenn ich gleich den Namen nenne. Deshalb eine Bitte: Bleiben Sie dabei, es lohnt sich.

Uwe Vorkötter
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Uwe Vorkötter gehört zu den erfahrensten Journalisten der Republik. Seit vier Jahrzehnten analysiert er Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, er hat schon die Bundeskanzler Schmidt und Kohl aus der Nähe beobachtet. Als Chefredakteur leitete er die "Stuttgarter Zeitung", die "Berliner Zeitung" und die "Frankfurter Rundschau". Er ist Herausgeber von "Horizont", einem Fachmedium für die Kommunikationsbranche. Nach Stationen in Brüssel, Berlin und Frankfurt lebt Vorkötter wieder in Stuttgart. Aufgewachsen ist er im Ruhrgebiet, wo man das offene Wort schätzt und die Politik nicht einfach den Politikern überlässt. Bei t-online erscheint jeden Dienstag seine Kolumne "Elder Statesman".

Also, es geht um Karl Lauterbach. Lassen Sie's erst mal sacken. – So, jetzt als Erstes die Einwände: Ausgerechnet Lauterbach soll ein super Minister gewesen sein? Der Corona-Karl, der uns alle einsperren wollte, der noch ganz am Ende der Pandemie den Rat seiner Experten in den Wind schlug? Hat er nicht auch das Cannabis-Gesetz auf den Weg gebracht? Doch, hat er. Ich komme auf beide Schwachstellen zurück, versprochen. Aber erst einmal die Pluspunkte – drei Reformen, mit denen der Gesundheitsminister Lauterbach das Leben der Patienten erleichtert, das Gesundheitssystem effizienter und die medizinische Versorgung besser macht oder schon gemacht hat.

Wann hat Ihnen zuletzt ein Arzt ein Medikament verschrieben? Erst kürzlich oder jedenfalls in diesem Jahr? Dann haben Sie ein E-Rezept bekommen, entweder auf Ihre Smartphone-App oder Sie haben es mit Ihrer Gesundheitskarte in der Apotheke eingelöst. Wenn Sie unter einer chronischen Krankheit leiden und ein Folgerezept benötigen, können Sie sich jetzt Wartezeiten in der Praxis ersparen. Der Doktor muss nicht mehr persönlich unterschreiben, auch das machte die Sache mit dem rosa Papierrezept umständlich. Sind wir uns einig, dass das E-Rezept eine gute Sache ist?

Er hat sich gegen schwerst vermachtete Strukturen durchgesetzt

Karl Lauterbach hat durchgesetzt, dass dieser digitale Fortschritt seit Anfang 2024 verbindlich für alle Kassenpatienten gilt. Das war überhaupt nicht selbstverständlich, denn im Gesundheitswesen stößt jede Veränderung, sogar die kleinste, auf den massiven Widerstand von mächtigen Interessenverbänden und anderen Leuten, die sich als Anwalt der Patienten ausgeben. Eine kleine Auswahl der Widerstandskämpfer gegen das E-Rezept: die Kassenärzte, der Sozialverband VdK, der Chaos Computer Club. Am Ende hatten sie keinen Erfolg.

Die Art und Weise, wie Lauterbach seine Vorhaben durchsetzt, ist einfach zu beschreiben: Der Mann nervt. Er diskutiert so lange, bis die Gegenseite ermattet aufgibt. Er kennt immer noch eine Studie, die seinen Plan wissenschaftlich untermauert. Er weiß alles besser. Wenn die Argumente ausgetauscht sind, wischt er die Gegenargumente einfach vom Tisch. Genau so einen braucht es in diesem Amt.

Anfang 2025 kommt die elektronische Patientenakte. Das heißt: Arztberichte, Befunde, Blutwerte, Medikation, Röntgen- und MRT-Bilder werden in einer digitalen Datei gespeichert. Sie müssen nicht mehr den Bericht Ihres Facharztes ins Krankenhaus mitnehmen und den Arztbericht aus der Klinik beim Hausarzt abliefern. Wenn es aktuelle CT-Bilder gibt, werden Sie nicht noch mal in die Röhre geschoben. Der Facharzt sieht, welche Diagnose der Hausarzt schon gestellt hat.

Seit 20 Jahren angekündigt

Die "ePA" ist ein Fortschritt, wie das E-Rezept. Sie erleichtert den Patienten den Alltag, sie spart Zeit und Kosten. Im Notfall kann Ihnen schneller und besser geholfen werden.

Die Lobbyisten des Status Quo haben natürlich auch gegen diese digitale Akte mobil gemacht. Vor allem haben Sie Verunsicherung geschürt: Kann künftig der Physiotherapeut, der Ihnen gegen die Rückenschmerzen hilft, die Ultraschallbilder Ihrer Gynäkologin einsehen? Nein, natürlich nicht. Ist so ein System denn überhaupt sicher? Ja, ungefähr so sicher wie die App, die Sie fürs Online-Banking nutzen. Und sicherer als ein Leitz-Ordner voller Papier-Dokumente, der irgendwo über Sie aufbewahrt wird.

Die elektronische Patientenakte wurde übrigens vor 20 Jahren angekündigt, von Ulla Schmidt, einer Sozialdemokratin. Danach kamen die Gesundheitsminister Philipp Rösler und Daniel Bahr von der FDP, Hermann Gröhe und Jens Spahn von der CDU. Alle hielten die ePA für sinnvoll, keiner konnte sie durchsetzen. Lauterbach schaffte es.

Die dritte Reform ist seine größte: das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz. Das heißt wirklich so. Und die Sache ist so sperrig wie der Name. Es geht um eine Menge Geld, um politische Interessen von Bundesländern, Landkreisen und Städten, um wirtschaftliche Interessen von Klinikkonzernen, Kirchen und Kommunen. Und vor allem, Originalton Lauterbach, um eine Revolution.

Die Finanzierung der Kliniken wird vom Kopf auf die Füße gestellt. Krebspatienten sollen dort behandelt werden, wo sie optimal versorgt werden. Schlaganfallpatienten auch. Nicht möglichst viele Hüftoperationen soll es geben, sondern möglichst gute. Die Details sind hoch kompliziert, es gibt sicher auch berechtigte Einwände. Aber im Grundsatz ist diese Reform nicht nur richtig, sondern überfällig.

Die politischen Abläufe der vergangenen Wochen belegen das. Bis zum Scheitern der Ampel standen die Ministerpräsidenten der Länder an der Spitze der Lauterbach-Kritiker. Nach dem Scheitern der Ampel mussten sie im Bundesrat Farbe bekennen: entweder Zustimmung zur Klinikreform oder Ablehnung. Sie stimmten zu. Weil "ihre" Kliniken sonst in den finanziellen Abgrund geblickt hätten.

Bei Corona hat er Fehler eingeräumt

Jetzt noch mal zurück zum Thema Corona. Ja, Lauterbach war der Lockdown-Experte. Einige Fehler von damals räumt er ein: dass die Schließung der Schulen übertrieben war, dass er von Impfungen ohne Nebenwirkungen gesprochen hat. Mal gibt er auch zu, dass am Ende der Corona-Pandemie die Einschränkungen schneller hätten aufgehoben werden können, mal hält er trotzig an seiner damaligen Haltung fest.

Man sollte allerdings nicht außer Acht lassen, wie Lauterbach 2021 ins Amt kam: Nach der Wahl gab es eine regelrechte Volksbewegung für den Chef des Teams Vorsicht. Olaf Scholz hatte Zweifel, ob der Professor ein Ministerium führen könnte, ob er diese 500-Milliarden-Gesundheitsbranche in den Griff bekommen würde. Aber die Mehrheit der Deutschen wollte ihn – weil er der Hardliner im Kampf gegen Corona war, nicht obwohl.

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Und das Cannabis-Gesetz? Sorry, da fällt mir nichts zu Lauterbachs Verteidigung ein. Einer der krassen Flops der Ampel, den er schöngeredet hat. Ausgerechnet er, der nicht raucht, nicht trinkt, beim Essen möglichst auf Salz verzichtet. Vielleicht war er von der Askese berauscht, so etwas soll es ja geben.

Das Direktmandat schon fünfmal gewonnen

Karl Lauterbach hat egomanische Züge, Teamplay ist nicht seine Kernkompetenz. Ein Sozialdemokrat, aber kein Parteisoldat. Ein Typ, der Klartext redet – seinen eigenen Text. In Parteien und Regierungen gibt es nicht viele dieser Typen, man braucht sie aber. Seinen Wahlkreis in Leverkusen hat Lauterbach schon fünfmal direkt gewonnen.

Im Gesundheitswesen gibt es noch viel zu tun. Gängige Medikamente fehlen in der Apotheke, weil es im System nicht stimmt. Pflegekräfte müssen einen Arzt rufen, um dem Patienten Blut abzunehmen; sie können das auch, dürfen aber nicht. Auf einen Termin beim Orthopäden oder beim Augenarzt warten Sie Monate. Missstände, die zu beheben sind. Karl, übernehmen Sie! Auch die nächste Regierung braucht einen Lauterbach.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen und Bewertungen
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