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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Coronavirus und der Sport Erst Geisterspiele, dann der Bundesliga-Abbruch?
Die erste Bundesligapartie fand bereits ohne Zuschauer statt. Wirklich glücklich waren danach selbst die Sieger nicht. Ohne Fans machen die Spiele weniger Spaß. Hat die Geisterkulisse eine Zukunft?
Wenn selbst der Schiedsrichter, der bei einem hitzigen Derby eigentlich nur verlieren kann, die Fans vermisst, dann hat das viel zu bedeuten. "Ohne Fans ist es nicht mal halb so viel wert", sagte Deniz Aytekin nach dem Geisterspiel am vergangenen Mittwoch zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln am TV-Mikrofon. "Ich kann nur hoffen, dass sich das langfristig nicht durchsetzt. Es war sehr, sehr schwierig, sich durchgängig zu konzentrieren."
"Das fühlt sich nicht richtig an"
Normalerweise ist das Rheinderby für beide Mannschaften das Spiel des Jahres. So, ohne Zuschauer aufgrund der Coronakrise, war es für viele der Beteiligten eher das Gegenteil. "Wir freuen uns über den Sieg, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass es ohne Fans nicht der Fußball ist, den wir uns wünschen", sagte Gladbachs Christoph Kramer. Kölns Manager Horst Heldt bezeichnete die Partie als "skurril".
Es war das erste Geisterspiel der Bundesliga-Geschichte. Am Wochenende folgen neun weitere. Wirkliche Vorfreude empfindet keiner der Beteiligten. Leverkusens Trainer Peter Bosz sagte: "Wir sollten nicht ohne Fans spielen. Das fühlt sich nicht richtig an."
Bosz ist für Absagen
Aufgrund der Regularien der Gesundheitsämter bleibt das Spielen mit Fans untersagt. Zu hoch ist die Gefahr einer Ausbreitung des Coronavirus, sollten bis zu 80.000 Menschen pro Partie auf engem Raum sein. Es gibt deshalb nur zwei Optionen: Geisterspiele oder generelle Absagen. In der Schweiz hat man sich sofort für Letzteres entschieden. Seit zwei Wochen wird dort nicht mehr gespielt. Bis Anfang April wurde die Liga ausgesetzt. Auch in Italien gibt es keine Partien mehr. Nachdem es einen Spieltag mit Geisterspielen gab, hat man sich für das Schweizer Modell entschieden.
Auch in der Bundesliga werden die Stimmen lauter, die Spiele wenigstens für ein paar Wochen komplett abzusagen. "Man sollte sie verschieben", so Bosz. "Ich weiß nicht, wo das hinführt mit dem Terminplan. Bis Ende Mai ist alles durchgeplant. Aber wir spielen für die Fans. Deshalb ist es verrückt, wenn sie nicht da sind." Am Freitag teile die DFL nun mit, den Spielbetrieb nach den Partien vom Wochenende bis zum 2. April aussetzen zu wollen. Auch die Uefa verschob die für kommende Woche angesetzten Europapokalspiele.
Der Sinn der Geisterspiele verpufft
Ein weiteres Problem der Geisterspiele: Es kommt trotzdem zu Fan-Ansammlungen. Die Anhänger wollen ihre Klubs unterstützen. Wenn das nicht im Stadion geht, dann wenigstens davor. Die Beispiele aus Valencia, Gladbach und Paris beweisen genau das. Eine Verbreitung des Coronavirus ist auch hier möglich. Verpufft so nicht auch der Sinn der Geisterspiele?
Die Wahrscheinlichkeit steigt also, dass die Spiele ganz abgesagt oder verschoben werden. Am Montag kommt es zu einer Krisensitzung von Vertretern aller 36 Erst- und Zweitligisten. Dann wird über das weitere Vorgehen entschieden. Die Optionen sind folgende:
- Es geht weiter mit den Geisterspielen. Die Klubs spielen wahrscheinlich bis Mitte April ohne Fans. Die Einnahmen aus den Ticketverkäufen gehen verloren. Das würde den kommenden Transfersommer stark beeinflussen, da die Klubs viel Geld aus den Fans im Stadion generieren. Zum Beispiel: Bei Hertha BSC haben 2019 die Kartenverkäufe 11,2 Prozent der Einnahmen ausgemacht.
- Die Spiele werden verschoben und Ende Mai nachgeholt, sollte sich die Situation um das Coronavirus dann etwas entspannt haben. Das würde aber die EM-Vorbereitung und womöglich auch die EM an sich stark beeinflussen. Wie Bosz es bereits sagte, ist der Terminplan voll. Viele Möglichkeiten für Nachholspiele gibt es nicht. Dafür würde man keine weiteren Gelder durch fehlende Ticketverkäufe verlieren.
- Die Saison wird annulliert, wie es zum Beispiel die DEL gemacht hat. Die Eishockey-Saison wurde sofort beendet, einen Meister gab es nicht. Tabellenführer EHC Red Bull München lehnte eine Meisterschaft ab. Doch in diesem Fall wäre die Aufstiegs- und Abstiegssituation kompliziert. Eine Option: Die Ligen werden erweitert. Keiner steigt ab, aber die aktuellen Aufsteiger der zweiten Liga auf. Gleiches gilt für zweite und dritte Liga. Durch eine höhere Zahl an Absteigern in der Folgesaison könnte es eine Ausnahme bleiben. Nur die Frage nach dem Meister bliebe ungeklärt. Dafür würde sich der Terminplan nicht mit der EM überschneiden.
Keine der genannten Optionen wird die Fans, Vereine, Nationalmannschaften und Gesundheitsämter glücklich stimmen. Das ist in dieser Lage auch kaum möglich. Es bleibt nur die Frage, was davon das geringste Übel ist.
- Eigene Recherche
- Aussagen aus den Nachrichtenagenturen SID, dpa