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EM-Stadionbesuch in Budapest: Wenn 60.000 zum Privileg werden


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Ein Stadionbesuch in Budapest
Wie aus einer anderen Zeit – "und Lärm, lauter als jeder Jumbojet"


24.06.2021Lesedauer: 4 Min.
Bilder wie aus einer anderen Zeit: Portugiesische Fans liegen sich in der Budapester Puskas Arena in den Armen.Vergrößern des Bildes
Bilder wie aus einer anderen Zeit: Portugiesische Fans liegen sich in der Budapester Puskas Arena in den Armen. (Quelle: Robert Michael/dpa)

15 Monate lang habe ich als Fußballfan und Sportreporter kein Stadion mehr von innen gesehen. Das änderte sich bei der EM. Über 60.000 Zuschauer waren mit mir in der Budapester Arena. Ein Erlebnis.

Mein letztes Fußballspiel in einem vollen Stadion sah ich am 7. März 2020. Schalke 04 gegen die TSG Hoffenheim. Ein lausiges 1:1, und doch eine historische Partie. Einen Tag nach dem Sonntagskick verkündete die DFL die Aussetzung des Spielbetriebs. Die Corona-Pandemie hatte begonnen.

Ich hätte niemals gedacht, dass es 15 Monate dauern würde, bis ich wieder das Raunen eines prall gefüllten Stadionrunds, dieses unnachahmliche "Roar", hören darf. Und es sind ja "nur" 15 Monate, denn so privilegiert wie ich sind nur die wenigsten Fußballverrückten. Ich sitze an einem schwülheißen Abend auf der Pressetribüne der Budapester Puskas Arena. Auf dem Platz kämpfen Weltmeister Frankreich und Europameister Portugal um die letzten zu vergebenden Punkte der EM-Gruppenphase. Um sie herum auf den steilen Tribünen: über 60.000 enthusiastische Zuschauer.

Stimmung wie aus einer vergangenen Zeit

Bereits zwei Stunden vor Anpfiff des Prestigeduells nehme ich meinen Platz ein. Ich will so viel von der Atmosphäre und Geräuschkulisse wie nur irgend möglich aufsaugen. Wer weiß schließlich, wann ich wieder in diesen exklusiven Genuss komme? Meine Vorfreude auf diesen Moment begann jedoch schon viel früher am Tag.

In Budapest herrschte bereits Stunden zuvor reges Treiben. Die Straßen und Cafés rund um die Basilika St. Stephan nahe der Donau waren gefüllt mit gut gelaunten portugiesischen und französischen Fans. Es herrschte eine Spieltagsstimmung, wie wir sie aus Zeiten vor der Pandemie kannten: Gesänge, Fahnenmeere, Trikots aus allen Jahrzehnten und Stoffen. Dieses bunte Menschengewimmel erwärmte mein Herz viel mehr als es der Gedanke, abends Cristiano Ronaldo und Kylian Mbappé gemeinsam das gleiche Stück Rasen teilen zu sehen, je könnte.

Doch die Zweifel waren stets in meinem Hinterkopf. Denn Corona ist noch längst nicht vorbei, wie die Delta-Variante aktuell nachdrücklich unter Beweis stellt.

Euphorische Fans freuen sich ohne Sorgen auf das Spiel

Nur, mit wem ich auch sprach: niemand teilte meine Bedenken. Die Euphorie über ein großes Stück zurückgewonnener Freiheit überwog. Wohl auch wegen des strikten Testregimes, das die ungarische Regierung für EM-Touristen installierte – und dem auch ich fast zum Opfer fiel.

Je nach Länge des Aufenthalts in Ungarn sind bis zu vier negative PCR-Tests notwendig, um ein EM-Spiel in Budapest im Stadion mitzuerleben: zwei im Falle einer Einreise von mehr als drei Tagen vor der Partie, einer in einem ungarischen Labor analysierter maximal 48 Stunden vor Anpfiff sowie ein weiterer, hält man sich länger als 24 Stunden nach dem Schlusspfiff weiter in Ungarn auf. Mit diesem engmaschigen Netz rechtfertigt die Regierung von Premierminister Viktor Orbán, dass die Puskas Arena als einziges Stadion der EM Vollauslastung erzielt.

Für Journalisten wie mich ist das Prozedere ein anderes: Vor der Einreise nach Ungarn müssen wir uns zwei PCR-Tests unterziehen, die innerhalb von fünf Tagen vor der Einreise nach Ungarn vorgenommen werden müssen und zwischen denen ein zeitlicher Mindestabstand von 48 Stunden bestehen muss. Zudem gilt es, ein Uefa-Covid-Protokoll zu lesen, berücksichtigen und unterschreiben. Erst dann erhalten wir unsere Akkreditierung.

Niemand trägt Maske – nicht einmal die "Vorbilder"

Als ich an der Puskas Arena ankomme und nach dem Presseeingang frage, werde ich nach meinem ungarischen PCR-Testergebnis gefragt. Ich erkläre, dass ich eine gültige Akkreditierung habe und dieser Regelung nicht unterliege. Barsch werde ich weggeschickt, mit dem Hinweis, dass ich mit Testergebnis und Eintrittskarte zurückkehren soll. Erst einige Runden ums Stadion, verzweifelte Anrufe und ein überaus freundlicher Volunteer klären das Missverständnis auf: Man vermutete, ich sei ein TV-Reporter, der die Kommentatorentribüne suche. Diese benötigen nämlich – um maskenlos ins Mikrofon sprechen zu dürfen – eben jenes ungarische Testergebnis.

Die Sache mit den Masken in der Puskas Arena ist grundsätzlich eine komplizierte.

Zwar werden die Besucher an den Eingängen, im Stadionumlauf sowie über Hinweise auf den Bildschirmen im Innenbereich darum gebeten, jederzeit eine Maske zu tragen, nur hält sich kaum jemand daran. Das viel größere Problem ist: Es setzt auch niemand durch, dass im Stadion Maske getragen wird – was wohl auch daran liegen mag, dass viele der Stadionmitarbeiter ihrer Vorbildfunktion nicht nachkommen und ihre Maske mindestens unter der Nase tragen.

Die Pressetribüne, der einzige Ort im Stadion mit Abstand

Wieder kommt dieses mulmige Gefühl in mir hoch. Ob das Testnetz wirklich engmaschig genug ist, um hier kein "Superspreader"-Event entstehen zu lassen? Meine Gedanken sind vermutlich legitim, doch auch sie kommen mir aus einer privilegierten Position. Denn: die Pressetribüne ist der einzige Ort in der ganzen Puskas Arena, in der penibel ein Sicherheitsradius von mindestens 1,5 Metern um jeden Sitzplatz eingehalten wird.

Es ist diese Maßnahme, die mich dann auch zurücklehnen und das Erlebnis genießen lässt. Die portugiesischen und französischen Anhänger geben alles von sich, singen, hüpfen, pfeifen, und geben ohnehin ein besseres Bild ab als die 22 Spieler, die zwar durch vier Tore und drei Elfmeterentscheidungen ein spektakuläres, aber vom Niveau dürftiges Spiel abliefern.

Die beste Stimmung jedoch machen die "neutralen" ungarischen Fans: Als die Magyaren im fernen München gegen die DFB-Elf in Führung gehen, gibt es kein Halten mehr. Ein ohrenbetäubendes Geräusch erfüllt das Rund der Puskas Arena, das ich so in meinem Leben noch nie wahrgenommen habe. Der Lärmpegel liegt fernab des oft bemühten Vergleichs mit einem startenden Jumbojet, er wird viel mehr zu einer körperlichen Erfahrung. Für viele mag dieser Lärm eine Kakofonie sein, für mich ist es die schönste Symphonie, der ich an diesem Abend hätte lauschen können.

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