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Koalitionsvertrag: Hält die Ampel ihre Wahlversprechen?


Wer sich wo durchgesetzt hat
Finanz-Schlappe für die Grünen – ein wichtiger Posten für die FDP


25.11.2021Lesedauer: 6 Min.
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Die künftigen Ampelkoalitionäre: Jede Partei konnte Punkte im Koalitionsvertrag durchsetzen.Vergrößern des Bildes
Die künftigen Ampelkoalitionäre: Jede Partei konnte Punkte im Koalitionsvertrag durchsetzen. (Quelle: Fabrizio Bensch/reuters)

Welche Partei konnte ihre Inhalte am besten im Koalitionsvertrag durchsetzen? Ein Blick in das Papier lässt erahnen, wo die Konfliktlinien zwischen den Parteien in den Verhandlungen lagen.

Das wochenlange Verhandeln hat ein Ende. Am Dienstagnachmittag stellten die Spitzen von SPD, Grünen und FDP ihren Koalitionsvertrag vor. "Die Ampel steht", verkündete Olaf Scholz, der im Dezember Angela Merkel (CDU) im Kanzleramt ablösen will.

Auf 177 Seiten und in neun Kapiteln skizzieren die drei Parteien, wie sie "mehr Fortschritt wagen" wollen. Doch was ist aus den zentralen Wahlversprechen der einzelnen Parteien geworden? Ein Überblick.

SPD

Was waren die größten Versprechen im Wahlkampf?

Die Sozialdemokraten setzten voll auf ihre Kernthemen Soziales und Arbeit. "Respekt" war das zentrale Wort, das Olaf Scholz mantraartig in jeder Wahlkampfveranstaltung wiederholte. Mehr Respekt bedeutete für die Partei an oberster Stelle die Erhöhung des Mindestlohns. Zwölf Euro sollte der Stundenlohn künftig betragen, "damit alle im Alter von der Rente leben können". Hartz IV wolle man zudem in ein Bürgergeld umwandeln: Zwei Jahre sollte etwa Vermögen und Wohnungsgröße nicht geprüft werden. Wer länger in die Arbeitslosenversicherung einzahlt, sollte künftig auch länger das Arbeitslosengeld I erhalten.

Für mehr Respekt sollte auch die Rentenpolitik sorgen: Der kommende Bundeskanzler sprach im Wahlkampf gegenüber t-online von einer "Rentengarantie". Das Niveau der Rente solle demnach weiter stabil bei mindestens 48 Prozent liegen. Gleiches gilt für das Eintrittsalter: Auch in Zukunft soll es weiter bei 67 Jahren liegen.


Ähnlich wie zu seiner Zeit als Bürgermeister von Hamburg versprach Scholz zudem eine neue Bauinitiative, um für mehr bezahlbaren Wohnraum zu sorgen: Jährlich kündigte die SPD in ihrem Wahlprogramm 400.000 neue Wohnungen für Deutschland an, ein Viertel davon staatlich gefördert.

Was findet sich davon im Koalitionsvertrag?

Betrachtet man die Verteilung der Ressorts, hat die Partei in ihren zentralen Themen alle Kompetenzen: Das Arbeits- und Sozialministerium wird weiter von einem Sozialdemokraten geführt, der bisherige Minister Hubertus Heil gilt auch für die kommende Regierung in dem Amt als gesetzt. Zudem wird die Partei auch einen Bundesminister für Bauen und Wohnen stellen, wodurch das Thema massiv aufgewertet wird. In der vorherigen Regierung wurden die Aufgaben noch dem Innenministerium von Horst Seehofer (CSU) zugeteilt.

Dementsprechend konnte die SPD auch ihre geplanten 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr im Koalitionsvertrag durchsetzen. Gleiches gilt für die Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro und die Reform von Hartz IV zu einem Bürgergeld. Letzteres hatten allerdings auch die Grünen gefordert. Eine Prüfung des Vermögens und der Wohnungsgröße soll es dabei tatsächlich innerhalb der ersten zwei Jahre nicht geben. Eine längere Laufzeit des Arbeitslosengelds I findet sich dagegen nicht mehr in dem Vertrag.

Auch in der Rentenpolitik konnte die SPD ihre Ziele im Koalitionsvertrag verankern. Das Rentenniveau soll weiter bei mindestens 48 Prozent liegen, eine Anhebung des Eintrittsalters soll es nicht geben, explizit wird die Zahl 67 allerdings nicht genannt.

Grüne

Was waren die größten Versprechen im Wahlkampf?

Kaum überraschend drehten sich die wichtigsten Wahlversprechen der Grünen um das Klima. Um auf den 1,5 Grad-Pfad zu kommen, brauche es schärfere Ziele: Kohleausstieg und mindestens 70 Prozent weniger Treibhausgase bis 2030, 100 Prozent erneuerbare Energien bis 2035. Erreicht werden sollte das mit einem "Klimaschutz-Sofortprogramm", das direkt wirksame Maßnahmen anstößt, etwa im Verkehr, im Wohnungsbau und beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. Ein "Energiegeld" sollte vor allem Familien und Geringverdiener entlasten.

Neben der Kohle sollte 2030 nach den Plänen der Grünen ebenfalls für die Verbrennermotoren Schluss sein. Ab dem Jahr sollten nur noch emissionsfreie Autos zugelassen werden dürfen. Dafür wollten die Grünen das Bahnnetz deutlich ausbauen und auch die stillgelegten Nachtlinien wieder aktivieren.

Um Deutschland nach der Corona-Krise wieder auf Trab zu bringen, kündigten die Grünen zusätzliche 50 Milliarden Euro jährlich an, um etwa in schnelles Internet, Ladesäulen, Forschung oder emissionsarmen Verkehr zu investieren. Das Geld sollte aus Krediten stammen. Dazu müsste allerdings die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse reformiert werden.

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Was findet sich davon im Koalitionsvertrag?

Zum Beispiel der Begriff "Klimaschutz-Sofortprogramm". Wie genau das aussehen wird, steht aber noch nicht fest: Die Ampelparteien kündigten an, es mit allen "notwendigen Gesetzen, Verordnungen und Maßnahmen" bis Ende des kommenden Jahres auf den Weg zu bringen.

Auch ein anderes Versprechen ist auf einem guten Weg: Im Koalitionsvertrag ist für 2030 eine Erneuerbarer-Energie-Anteil von 80 Prozent vorgesehen – die Grünen selbst hatten in ihrem Wahlprogramm für das Jahr sogar nur von "mindestens 70 Prozent" gesprochen. Die zukünftigen Koalitionäre wollen für dieses Ziel den Ausbau deutlich beschleunigen und "alle Hürden und Hemmnisse" abbauen. Zudem bekennt sich die Koalition zu einem beschleunigten Ausstieg aus der Kohleverstromung: Der soll "idealerweise" bis 2030 gelingen.

Das Wort "Energiegeld" taucht in dem Vertrag nicht auf. Allerdings versprechen die Ampelparteien: "Wir setzen auf einen steigenden CO2-Preis als wichtiges Instrument, verbunden mit einem starken sozialen Ausgleich und werden dabei insbesondere Menschen mit geringeren Einkommen unterstützen."

Beim Thema Verbrennermotoren steht 2030 nicht als harte Grenze drin, lässt sich aber aufgeweicht und verklausuliert noch in Teilen herauslesen: "Gemäß den Vorschlägen der Europäischen Kommission werden im Verkehrsbereich in Europa 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen – entsprechend früher wirkt sich dies in Deutschland aus", heißt es im Vertrag. Bis 2030 soll Deutschland außerdem Leitmarkt für Elektromobilität mit mindestens 15 Millionen E-Autos werden, 1 Million Ladesäulen sollen bis dahin öffentlich zugänglich sein.

Eine Schlappe müssen die Grünen bei der Reform der Schuldenbremse hinnehmen. Sie ist im Grundgesetz verankert und setzt dem Staat enge Grenzen für eine Neuverschuldung. Laut Koalitionsvertrag soll sie, nachdem die Corona-Krise überwunden ist, wieder uneingeschränkt gelten – anders als es die Grünen wollten.

Gleichzeitig aber versprechen die drei Parteien ein "Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen". Sie wollen die öffentlichen und privaten Investitionen deutlich erhöhen, zum Beispiel für Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung, Forschung, Infrastruktur und die Wirtschaft. Die Einhaltung der Schuldenbremse soll trotzdem gelingen, indem überflüssige sowie klimaschädliche Subventionen und Ausgaben gestrichen werden. Hier fehlen im Vertrag allerdings konkrete Zahlen.

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Dass der Klimaschutz bei den Grünen von größter Bedeutung ist, zeigt sich auch in der Verteilung der Ministerien: Gleich drei Ministerien erhält die Partei, die sich grob mit Natur, Umwelt und Klima befassen. Das Wirtschaftsministerium wird um das Thema Klimaschutz ergänzt, das mit hoher Wahrscheinlichkeit Robert Habeck übernimmt. Zusätzlich erhält die Partei auch das Umweltministerium sowie Ernährung und Landwirtschaft. Einzig das Verkehrsministerium, das auch lange als grünes Ressort gehandelt wurde, liegt mit Volker Wissing bei der FDP.

FDP

Was waren die größten Versprechen im Wahlkampf?

Das Thema der Liberalen war vor allem eine schlankere Steuerpolitik und das Ankurbeln der durch die Corona-Pandemie geschwächten Wirtschaft. "Entlasten, entfesseln, investieren" lautete die Parole. FDP-Chef Christian Lindner kündigte daher an, dass seine Partei unter keinen Umständen in eine Regierung eintrete, die die Erhöhungen von Steuern plane. Im Gegenteil versprach er: Die Unternehmenssteuer sollte etwa auf 25 Prozent fallen, der Solidaritätszuschlag komplett abgeschafft werden. Das Niveau des Spitzensteuersatzes sollte schrittweise angehoben werden, sodass er erst bei Einkommen ab 90.000 Euro greift.

In der Rentenpolitik warb die Partei für mehr Flexibilität: Grundsätzlich sollte es den Bürgern ab dem Alter von 60 Jahren freistehen, wie lange sie noch arbeiten wollen. Je länger man arbeitet, desto höher sollte die Rente ausfallen. Zudem warb die FDP für den Einstieg in die gesetzliche Aktienrente: Ein Teil des monatlichen Rentenbeitrags sollte künftig am Kapitalmarkt angelegt werden.

Was findet sich davon im Koalitionsvertrag?

Geld- und Finanzfragen sind in Zukunft die Aufgabe von Christian Lindner: Wie bereits im Wahlkampf angekündigt wird der FDP-Chef Bundesfinanzminister – ein Erfolg. Auch beim Thema Schuldenbremse setzte die FDP sich durch.

Die von den Liberalen geplanten Entlastungen finden sich allerdings nicht in dem Koalitionsvertrag: Das Wort "Solidaritätszuschlag" taucht in dem 177 Seiten langen Dokument kein einziges Mal auf. Bei der Unternehmenssteuer ist es der Ampel "ein Anliegen, die Steuerprüfung zu modernisieren und zu beschleunigen", aber nicht zu senken.

Das Papier sieht aber auch keine Erhöhungen vor. Gerade die SPD hatte im Wahlkampf angekündigt, vor allem Spitzenverdiener künftig stärker belasten zu wollen. Stattdessen ist der Koalitionsvertrag nun frei von Steuererhöhungen, eine Kompromisslösung und damit schon ein Erfolg für die Liberalen.

Obwohl die Rentenpläne stark von der SPD geprägt sind, ist auch der von der FDP gewollte Einstieg in die Aktienrente vorgesehen. "Wir werden der Deutschen Rentenversicherung auch ermöglichen, ihre Reserven am Kapitalmarkt reguliert anzulegen", heißt es in dem Papier.

Das Renteneintrittsalter soll zwar wie von der SPD gewünscht nicht erhöht werden. Allerdings soll es auch dort mehr Freiheiten geben: Die Ampel will stärker für die Flexi-Rente werben und in "einen gesellschaftlichen Dialogprozess darüber eintreten, wie Wünsche nach einem längeren Verbleib im Arbeitsleben einfacher verwirklicht werden können".

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