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CDU: Machtkampf zwischen Spahn, Laschet und Merz: Wer zuerst zuckt, verliert


Kampf um die Kanzlerkandidatur
Wer zuerst zuckt


Aktualisiert am 14.02.2020Lesedauer: 7 Min.
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Jens Spahn, Friedrich Merz und Armin Laschet: Die drei Kontrahenten sind in Gesprächen darüber, wer von ihnen den CDU-Vorsitz übernimmt.Vergrößern des Bildes
Jens Spahn, Friedrich Merz und Armin Laschet: Die drei Kontrahenten sind in Gesprächen darüber, wer von ihnen den CDU-Vorsitz übernimmt. (Quelle: imago-images-bilder)

Wer wird nächster CDU-Chef? Friedrich Merz, Jens Spahn und Armin Laschet versuchen sich zu einigen. Ein offener Machtkampf soll vermieden werden, doch Annegret Kramp-Karrenbauers Einfluss schwindet. Psychogramm einer Partei unter Druck.

Der Mann mit den grauen Haaren und dem blauen Hemd kann präzise erläutern, was er für das Hauptproblem der CDU hält: "Wenn die Partei noch auf die Sozialdemokratisierung setzt, dann geht ihr Trend in den Umfragen weiter: Und zwar weiter nach unten." Er rollt das "r", sein Fränkisch lässt die Sätze weich klingen. Doch scharf schiebt er nach: "Gegen diesen Trend kann nur Friedrich Merz etwas tun!"

Dann betritt er an diesem Donnerstagabend das "Ballhaus Berlin", wo Friedrich Merz bald sprechen wird. Eine Dreiviertelstunde bevor der ehemalige CDU-Fraktionschef im Saal ankommt, sind viele hier schon beim zweiten Bier. Hunderte Menschen wollen Merz nicht nur zuhören, sie wollen ihn auch beklatschen, bewundern, bejubeln. Es werden Schilder hochgehalten, auf denen steht: "Ein Herz für Merz".

Selten Zeit für glamouröse Inszenierungen

Eingeladen wurde Merz vom "Forum Mittelstand", einem wirtschaftlichen, überparteilichen Bündnis. Nach dem angekündigten Rückzug der CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer gilt Merz neben Armin Laschet und Jens Spahn als einer der wichtigsten Kandidaten um die Nachfolge an der Parteispitze. Die drei Konkurrenten sprechen miteinander – doch auch ihre Interessen verschieben sich offenbar und innerhalb der Partei steigt allmählich der Druck für eine Entscheidung.

Eines hat Merz seinen Mitbewerbern voraus: Die beiden anderen müssen Termine wahrnehmen, sind in ihr jeweiliges Regierungsgeschäft inhaltlich eingebunden. Laschet als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Spahn als Gesundheitsminister, da bleibt selten Zeit für glamouröse Inszenierungen. Friedrich Merz dagegen kann sich feiern lassen und bei den Auftritten in Ruhe sein politisches Profil schärfen. An diesem Donnerstag fängt er damit an.

Klingt wie eine Bewerbungsrede

Pünktlich um 18:30 Uhr betritt er die Bühne und schlägt bei seiner Rede den großen Bogen: Er kritisiert die FDP für das Platzen der Jamaika-Verhandlungen, mahnt zur Vorsicht gegenüber China, regt eine neue Umweltpolitik an. Anschließend erklärt Merz, was für ein großartiges Land Deutschland sei, denn: "Sonst würden die Flüchtlingsströme ja in die andere Richtung gehen!"

Merz preist die Bundesrepublik in den schillerndsten Farben – und erklärt, dass es schon eine starke Union brauche, um Deutschland so zu erhalten, wie es ist und um das Land auf die Zukunft vorzubereiten. All das klingt wie eine erste Bewerbungsrede für eine Kanzlerkandidatur.

Merz grinst vielsagend

Die Zuhörer gehen währenddessen zur Bar, es fließt weiterhin viel Bier, das merkt man auch an den immer lauter werdenden Jubelzwischenrufen. Der Moderator des Abends, ein "Bild"-Journalist, wird ausgebuht, wenn er Fragen nach der möglichen Kanzlerkandidatur von Merz stellt. Das sei "doch jetzt gar nicht nötig", murmelt eine Zuhörerin verärgert. Merz grinst dann vielsagend, will sich nicht festnageln lassen, doch verneint die Frage auch nicht – und die Menge jubelt.

Es zeigt sich an diesem Abend, wie enorm beliebt Merz bei seinen Anhängern ist, solche Jubelstürme können weder Jens Spahn noch Armin Laschet in der CDU auslösen. Insbesondere im konservativen Flügel der Partei und den Ost-Verbänden wird Merz gefeiert. Doch in anderen, liberalen Teilen der CDU gilt er als gefühlloser Manager, der in der freien Wirtschaft viel Geld verdiente und nun nochmal – im Herbst seiner Karriere – politisch nach ganz oben will. Es könnte die vielleicht schwierigste Aufgabe von Merz werden, diesen Teil der Basis zu überzeugen, wenn er Erfolg haben möchte.

Die CDU wirkt wie ein Haus, bei dem ein Luftzug sämtliche Türen knallen lässt

Merz hat bereits ein erstes Signal gesetzt: Am Mittwoch berichtete die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf sein Umfeld, dass Merz jetzt sicher bereit ist, für den Vorsitz der Partei zu kandidieren. Merz wollte das zunächst nicht offiziell bestätigen, doch er dementierte es in den darauffolgenden Tagen auch nicht. Ein führendes Parteimitglied sagt gegenüber t-online.de: "Merz will, kann und wird."

Obwohl die Kandidatur nicht bestätigt wurde, löste die Nachricht große Unruhe aus: Die CDU wirkt in diesen Tagen wie ein Haus, bei dem ein Luftzug sämtliche Türen laut knallen lässt. Solch ein Luftzug war die dpa-Meldung.

In der Bundestagsfraktion herrscht jetzt Verunsicherung: Die Abgeordneten schreiben sich im Minutentakt gegenseitig SMS, keiner ist es gewohnt, dass es an der Führungsspitze ein offenes Vakuum gibt. Jedes Zucken wird genau beobachtet. Auch an der Basis ist die Ankündigung von Merz angekommen: Die einen jubeln schon, andere sind entsetzt – und alle in Aufruhr. Niemand hat ein Interesse daran, dass dieser Zustand lange anhält. Eine öffentliche, scharfe Auseinandersetzung soll jedoch auch vermieden werden. Dafür ist die Partei zu strukturkonservativ und die Sehnsucht nach Ruhe zu groß.

"Wenn die beiden sich einigen, ist Laschet raus"

In den Fokus rücken so auch die beiden schärfsten Konkurrenzen von Friedrich Merz: Jens Spahn und Armin Laschet. Zunächst war vermutet worden, ob beide auch ihre Kandidatur verkünden wollen.

Für einen zeichnet sich jedoch eine andere Möglichkeit ab. Jens Spahn dürfte klar sein, dass seine Chancen auf den Parteivorsitz eher überschaubar sind. Im ARD-Deutschlandtrend sprachen sich aktuell 40 Prozent der Deutschen für Merz als Kanzlerkandidaten aus, 30 Prozent für Laschet – und nur 24 Prozent für Spahn.

Statt einer eigenen, aussichtslosen Kandidatur könnte ein Deal mit Merz für Spahn daher reizvoller sein: In der Partei wird gemunkelt, dass er auf das Amt des Fraktionsvorsitzenden im Bundestag schielt und dafür Merz unterstützen würde. "Wenn die beiden sich einigen, ist Laschet raus", sagt ein hochrangiges Mitglied der Partei zu t-online.de. Gemeint ist: Dann wüssten Merz und Spahn so viele Funktionäre in der Partei hinter sich, dass sie selbst auf die vielen Stimmen des großen NRW-Landesverbandes von Laschet verzichten könnten.

Wie ein zukünftiger Parteichef

Für eine solche Aufteilung künftiger Rollen sprechen die neuesten Äußerungen von Spahn und Merz. Ausgerechnet Friedrich Merz zeigte sich am Montagabend versöhnlich gegenüber Angela Merkel, bislang hatte er nie einen Hehl aus seiner Abneigung gegenüber der Kanzlerin gemacht.

Doch nun erklärte er feierlich: "Sie ist ein Stück weit ein Vorbild für mich". Das sollte staatsmännisch wirken. Wie ein zukünftiger Parteichef, der nicht nachtritt.


Am selben Tag ging Jens Spahn im "Spiegel"-Interview hart mit der Kanzlerin ins Gericht: "Nach so vielen Jahren, die von Angela Merkel geprägt waren, muss die CDU nun wieder laufen lernen." Es war ein Angriff – und könnte bereits das erste Indiz für die Sehnsucht nach dem Amt des Fraktionsvorsitzenden sein. Oder zumindest verdeutlichen, wie klar sich Spahn von Merkel abgrenzen will.

Aus Spahns Umfeld dringt genauso wenig nach außen wie aus dem von Merz, alle Szenarien sind noch möglich. Trotzdem verdichten sich die Hinweise, dass es zwischen den beiden nicht zum offenen Duell kommen wird. Merz dürfte an dem Vorschlag reizen, dass er Spahn einbindet, so wie viele es in der Partei fordern – und gleichzeitig einen Konkurrenten los wird.

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Laschet bleibt in der Defensive

Währenddessen liegt Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen auf der Lauer: Am Donnerstag sprach er im Landtag davon, dass er solche Machtspielchen wie in Thüringen mit der AfD nicht dulden würde. "Wir wollen keinerlei Kooperation, Zusammenarbeit, Duldung, auch nix Zufälliges – so was wird es in Nordrhein-Westfalen nie geben!" Zur Kandidatenfrage der CDU verlor Laschet kein Wort. Nicht einmal der vagen Aussage von Merz und Spahn, die ihre Bereitschaft für mehr "Verantwortung" in der Partei signalisierten, wollte Laschet sich bislang anschließen. Die Tage verstreichen. Während Merz klare Signale sendet und Spahn öffentlich in Erscheinung tritt, bleibt Laschet in der Defensive.

Laschet zögerte schon einmal zu lange: Im Winter 2018, als die Kanzlerin ihren Rückzug verkündete, wagte er sich nicht so schnell wie Merz aus der Deckung, und am Ende war es zu spät, um glaubwürdig eine Kandidatur zu verkünden.

Ein Liebling der Kanzlerin

Armin Laschet muss sich in diesen Tagen entscheiden, ob er König oder Königsmacher sein möchte. Sollte er Merz unterstützen, wäre der sicherlich auch zu einer Einigung mit ihm bereit. Laschets Manko ist: Er gilt als erklärter Liebling der Kanzlerin. Keiner der drei Kandidaten steht so sehr für eine Fortführung von Merkels Politik wie der nordrhein-westfälische Ministerpräsident. Das wäre parteiintern all jenen schwierig zu vermitteln, die einen Vorsitzenden haben wollen, der für einen Neuanfang steht.

Offen ist jedoch, wie die Kanzlerin Laschet unterstützt, ohne dass es jemand mitbekommt. Merkel war schon immer gut darin, parteipolitisch zu agieren, ohne dass es gleich an die Öffentlichkeit dringt.

Sicher ist nur, dass die Lage sich zuspitzt. CSU-Chef Markus Söder hat bereits klargemacht, dass er auf eine schnelle Entscheidung drängt. Viele in der CDU schauten mit blankem Grauen auf das Agieren der SPD im letzten Jahr: Die Sozialdemokraten waren über Monate damit beschäftigt, die Nachfolge von Andrea Nahles in einem aufwendigen Prozess zu regeln. Solch eine lange Beschäftigung mit sich selbst wollen die Basis und die Funktionäre vermeiden. Auch Söder will kein öffentliches Gerangel der Konkurrenten. Viele Parteimitglieder bis in die höchsten Führungszirkel glauben, dass dies das Image der CDU massiv beschädigen würde.

Kramp-Karrenbauers Einfluss schwindet

"Wir werden nächste Woche mit dem Auswahlverfahren beginnen", sagte die noch-amtierende Parteivorsitzende Kramp-Karrenbauer in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. "Ich habe diejenigen, deren Namen derzeit im Umlauf sind, zu Einzelgesprächen eingeladen." Gespräche wird es wohl geben, doch ihr Einfluss schwindet. Zwar wagte sich selbst Friedrich Merz nicht vor dem Gespräch mit Kramp-Karrenbauer mit einem klaren Bekenntnis zu seiner Kandidatur aus der Deckung.

Das kann man respektvoll nennen. Trotzdem verliert sie an Rückhalt. Aus ihrem Umfeld hieß es kürzlich noch, sie widme sich jetzt vor allem ihren Aufgaben im Verteidigungsministerium. Sie wird wohl daher den Prozess moderieren können, wirklichen Einfluss darauf traut ihr kaum jemand aus der CDU noch zu. Bereits vor ihrem angekündigten Rücktritt war deutlich geworden, dass sie die Partei kaum führen kann, die CDU-Mitglieder in Thüringen ignorierten die Parteichefin fast.

Mit Laschet könnte sich Merkel am ehesten arrangieren

Der Kampf der Kandidaten wird daher primär ein Machtkampf mit Angela Merkel. Es ist fraglich, wie lange sich die Kanzlerin in ihrem Amt noch halten kann. Nicht nur Merz dürfte das Schicksal seiner ehemaligen Konkurrentin Kramp-Karrenbauer seit deren Wahl auf dem Bundesparteitag 2018 genau verfolgt haben: Der Versuch, Parteivorsitz und Kanzleramt oder Kanzlerkandidatur zu trennen, ist gründlich schiefgegangen. Das soll sich nun ändern.

Doch die Kanzlerin besitzt enorme Beharrungskräfte: In den Jahren ihrer Regierungsmacht hat sie einen riesigen Apparat aufgebaut, der auch jetzt eine große Rolle spielt. Mit ihrem Favoriten Armin Laschet könnte sie sich wahrscheinlich noch am ehesten arrangieren und die Legislatur zu Ende regieren. Spahn und Merz würden den Druck auf die Kanzlerin wohl deutlich vergrößern und versuchen, ihren Rücktritt zu erzwingen.

Erste Anzeichen dafür, dass der Prozess nun Fahrt aufnimmt, gibt es bereits. Eigentlich sollte der Bundesparteitag am 4. Dezember 2020 in Stuttgart stattfinden und dort der neue Parteichef gekürt werden. Doch mittlerweile sickert durch: Im Konrad-Adenauer-Haus suchen die Mitarbeiter bereits unter Hochdruck nach einer großen Halle für einen Sonderparteitag. Der Zeitraum, wann die Halle frei sein soll ist: April oder Mai 2020.

Verwendete Quellen
  • Informationen der Nachrichtenagentur Reuters
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