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Debatte im Bundestag: Gefährliche Botschaft hinter dem Down-Syndrom-Bluttest


Debatte im Bundestag
Die gefährliche Botschaft hinter dem Down-Syndrom-Bluttest

MeinungEin Gastbeitrag von CDU-Politikerin Jenna Behrends

Aktualisiert am 11.04.2019Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Ein Kind mit Down-Syndrom auf einer Demonstration: CDU-Politiker Jenna Behrends hält die Botschaft hinter den Test für gefährlich.Vergrößern des Bildes
Ein Kind mit Down-Syndrom auf einer Demonstration: CDU-Politiker Jenna Behrends hält die Botschaft hinter den Test für gefährlich. (Quelle: ZUMA Press/imago-images-bilder)

Sollte jeder kostenlos testen können, ob sein Baby das Down-Syndrom haben wird? Darüber debattiert der Bundestag heute. Im Gastbeitrag schreibt CDU-Politikerin Jenna Behrends, warum sie dagegen ist.

Der Bundestag debattiert am heutigen Donnerstag darüber, ob vorgeburtliche Bluttests auf das Down-Syndrom künftig von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden sollen. Die Frage wird auch in den Parteien selbst kontrovers diskutiert.

Denn bei der Debatte wird es schnell grundsätzlich: Wenn der medizinische Fortschritt erlaubt, Krankheiten schon vor der Geburt festzustellen – sollte man dann alles testen können, was möglich ist? Mit allen Konsequenzen – also auch Abtreibungen? Die Berliner CDU-Politikerin Jenna Behrends findet: Nein. Ein Gastbeitrag:

Heute diskutiert der Bundestag, ob ein Bluttest während der Schwangerschaft Kassenleistung werden sollte, der das Down-Syndrom bei Ungeborenen erkennt. Das mag zunächst gut klingen. Ist es nicht ein Zeichen medizinischen Fortschritts, dass solche Untersuchungen möglich sind? Und für die Eltern eine große Freiheit entscheiden zu können, ob sie ein Kind mit dieser Behinderung möchten? Ich finde nicht: Es ist ein Zeichen gesellschaftlichen Rückschritts.

Schwangeren stehen heutzutage zahlreiche Diagnostikverfahren zur Verfügung. Sie können wählen, ob sie eine Nackenfaltenmessung oder einen Organultraschall vornehmen lassen wollen. Vieles hat einen therapeutischen Nutzen. Wer zum Beispiel vor der Geburt von einem Herzfehler des Kindes erfährt, kann sich frühzeitig um eine darauf spezialisierte Klinik kümmern.

Bluttest zielt nur auf eine Frage ab

Der Bluttest zur Früherkennung von Trisonomie 13, 18 und 21, über den jetzt debattiert wird, hat hingegen keine Vorteile für künftige Behandlungen. Er ermöglicht nur eine Entscheidung: Möchten wir ein Kind mit Down-Syndrom oder treiben wir es ab? Die Abtreibungsrate beträgt je nach Studie und Schätzung zwischen 68 und 95 Prozent. Verlässliche Zahlen existieren nicht.

Jenna Behrends, geboren 1990, ist Politikerin der CDU und Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung in Berlin-Mitte. Sie hat Jura studiert, eine journalistische Ausbildung und ist Autorin des Buches "Rabenvater Staat. Warum unsere Familienpolitik einen Neustart braucht". (Foto: Andi Weiland)

Bereits heute übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für eine Fruchtwasseruntersuchung zur Erkennung von Chromosomenanomalien. Der Bluttest ist als Alternative zwar zugelassen, für dessen Kosten müssen die werdenden Eltern jedoch selbst aufkommen.

Dabei hat der Bluttest einen entscheidenden Vorteil: Im Gegensatz zur Fruchtwasseruntersuchung, die eine Fehlgeburt nach sich ziehen kann, ist er risikolos. Eine Untersuchung, die das werdende Leben gefährdet, gegen eine risikolose auszutauschen, ist auf den ersten Blick sinnvoll. Diesen Test dann allen zu ermöglichen und nicht nur denen, die sich das bessere Verfahren leisten können, ebenso. Es wäre falsch, das gefährlichere Verfahren weiterhin als Abschreckung einzusetzen. Denn sie würde nur den Familien gegenüber wirken, die sich den Bluttest nicht leisten können. Trotzdem ist mir sehr unwohl beim Gedanken, dass der Bluttest selbstverständliche Kassenleistung werden könnte.

Keine rein private Entscheidung

In den vergangenen Tagen wurden zahlreiche Berichte über Familien veröffentlicht, in denen Kinder mit Down-Syndrom leben. Außerdem kamen Paare zu Wort, die sich für eine Abtreibung des auffälligen Fötus entschieden haben. Immer ging es um ihre persönlichen Gründe für oder gegen die Kinder. Mich hat das geärgert, denn es entsteht der Eindruck, als seien das ganz private Entscheidungen. Entscheidungen, die unabhängig vom gesellschaftlichen Umfeld getroffen worden sind. Aber das stimmt nicht.

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Die Bundestagsfraktion der FDP postete vor Kurzem das Foto einer Mutter mit ihrem Kind, das mit Trisomie 21 zur Welt kam. Auf dem Bild stand die Forderung: "Trisomie-21-Test muss Kassenleistung werden!". Mittlerweile ist der Beitrag wieder gelöscht. Es sei missverständlich gewesen. Aus meiner Sicht war die Botschaft klar: Das auf dem Plakat zu sehende Kind hätte mit den Voruntersuchungen vermieden werden können. Es ist eine Behinderung, die nicht mehr sein muss. Gegen die wir uns entscheiden können und womöglich sogar sollten.

Wahlfreiheit der falschen Art

Aber wenn wir die werdenden Eltern mit dem Wissen um eine Behinderung ihres Kindes und der Entscheidung für oder gegen eine Abtreibung im Stich lassen, dann entzieht sich Politik ihrer Verantwortung. Sie individualisiert Entscheidungen, die auf gesellschaftlicher Ebene getroffen werden müssten und nennt das fälschlicherweise Wahlfreiheit.

Schwangere wissen um die zusätzliche Belastung, die ein Kind mit Auffälligkeiten in unserer Gesellschaft noch immer bedeutet. Für ein altersgerecht entwickeltes Kind einen Kitaplatz in einer Großstadt zu finden, ist bereits ein großer Kampf. Für ein Kind, das einen höheren Betreuungsbedarf hat, klingt es wie eine unmögliche Aufgabe. Und welche Schule wird bereit sein, das behinderte Kind aufzunehmen?

Werden die eventuell notwendigen Therapien in den Familienalltag passen oder muss ein Elternteil die Berufstätigkeit aufgeben? Was bedeutet das für die Geschwister, die Beziehung? Achtzig Prozent der Eltern von behinderten Kindern trennen sich. Und wie wird es dem Kind selbst in unserer heutigen Gesellschaft ergehen, in der Behinderte noch immer kaum Zugang zum normalen Arbeitsmarkt finden?

Verantwortungslose Politik

Eltern mit diesen Fragen alleine zu lassen, ist für mich verantwortungslose Politik. Mit der Fruchtwasseruntersuchung und womöglich bald dem Bluttest als Kassenleistung entsteht der Eindruck, dass es normal sei, Tests zur Erkennung des Down-Syndroms vornehmen zu lassen. Schließlich werden die Kosten als Teil des Leistungskatalogs übernommen.

Aber mit dem Wissen um eine Behinderung ihres Kindes zwingen wir die werdenden Eltern zu einer Entscheidung für oder gegen Leben. Haben wir nicht aus unserer Geschichte gelernt, dass wir nie wieder Leben als lebensunwert betrachten dürfen?


Allein die Existenz eines solchen Tests vermittelt genau die falsche Botschaft. Der medizinische Fortschritt überholt die politischen Bemühungen um Inklusion und Teilhabe. Das ist ein gesellschaftlicher Rückschritt. Denn heute ist es das Down-Syndrom, das wir ausselektieren. Und morgen vielleicht eine hohe Wahrscheinlichkeit für Alzheimer oder Krebs?

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten spiegeln die Meinung der Autorin wider. Sie entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online.de-Redaktion.

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