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Israel | Hunderttausende protestieren gegen geplante Justizreform


"Gefahr für Demokratie"
Israel: Hunderttausende protestieren gegen geplante Justizreform

Von dpa, afp
Aktualisiert am 12.03.2023Lesedauer: 2 Min.
Proteste in Tel Aviv: Auf einem Plakat der Demonstrierenden steht "Unsere Demokratie wird attackiert".Vergrößern des Bildes
Proteste in Tel Aviv: Auf einem Plakat steht "Unsere Demokratie wird attackiert". (Quelle: IMAGO/Eyal Warshavsky/imago-images-bilder)

Seit Wochen wird in Israel gegen die geplante Justizreform demonstriert. Bürgerinnen und Bürger sehen die Demokratie bedroht.

Vor einem Berlin-Besuch von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu haben in Israel erneut Hunderttausende gegen eine Justizreform demonstriert. Allein in der Küstenmetropole Tel Aviv zogen am Samstagabend etwa 200.000 Demonstranten mit blau-weißen Flaggen durch die Straßen. In Haifa waren es nach Medienberichten etwa 50.000. Auch in Städten wie Jerusalem, Beerscheba und Eilat gab es Kundgebungen.

Die Proteste lösten sich weitestgehend ohne größere Zwischenfälle auf. Gegen die von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angestrebte Justizreform gibt es seit zehn Wochen heftige Proteste. Nach Ansicht der Demonstranten gefährdet das geplante Gesetz die Gewaltenteilung und damit die Demokratie im Land.

"Ich demonstriere, weil die Maßnahmen, die die neue Regierung ergreifen will, eine reale und unmittelbare Bedrohung für die israelische Demokratie bedeuten", sagte der Unternehmer Ran Shahor der Nachrichtenagentur AFP.

Ultraorthodoxe und rechtsextreme Parteien

Das neue Gesetz würde dem Parlament unter anderem erlauben, Entscheidungen des Obersten Gerichts mit einer einfachen Mehrheit aufzuheben. Es würde damit dessen Befugnis zur rechtlichen Überprüfung von Gesetzen fast vollständig abschaffen. Zudem soll es der Regierung die Kontrolle über die Ernennung der Obersten Richter übertragen. Derzeit stimmt darüber ein Gremium aus Politikern, Richterinnen und Mitgliedern der Anwaltskammern ab.

Ungeachtet der Forderungen nach Nachbesserungen an dem Gesetzestext setzt die am weitesten rechts stehende Regierungskoalition der Geschichte Israels, an der ultraorthodoxe und rechtsextreme Parteien beteiligt sind, offenbar auf eine zügige Verabschiedung. Von Sonntag bis Mittwoch sind täglich Debatten zu Teilen der Justizreform im Parlament angesetzt. Justizminister Jariv Levin strebt eine Verabschiedung zentraler Punkte der Reform vor Beginn der Parlamentspause Anfang April an.

Der israelische Präsident Isaac Herzog hatte sich gegen die Justizreform gestellt und die Regierung aufgefordert, das Projekt zu stoppen. Herzog sprach von einer "Gefahr für die Grundfesten unserer Demokratie". Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte sich beunruhigt über den "geplanten Umbau des Rechtsstaats" in Israel gezeigt.

Festnahme eines Journalisten

Netanjahu ist nach Angaben seines Büros von Mittwoch bis Freitag in Berlin, zum ersten Mal seit seiner Rückkehr an die Regierung. Geplant ist auch ein Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Demonstranten wollen nach Medienberichten am Mittwoch versuchen, die Abreise des konservativen Regierungschefs aus Israel zu stören. Am Donnerstag ist erneut ein "Tag des Zorns" mit Protesten geplant.

Die Polizei nahm Medienberichten zufolge am Samstag kurzzeitig einen Reporter der Zeitung "Haaretz" fest, der sich auf den Weg zu der Kundgebung in Tel Aviv machen wollte. Demnach gab es Beschwerden über einen Tweet, in dem der Journalist Netanjahu als "Diktator" bezeichnete und ihm abriet, nach Berlin zu reisen.

Kritiker sehen die Gewaltenteilung in Gefahr und warnen, Israel könnte sich in eine Diktatur verwandeln. Der Historiker Yuval Noah Harari («Eine kurze Geschichte der Menschheit») warf der Netanjahu-Regierung vor, einen "Staatsstreich" zu planen. Das Gesetzesvorhaben könnte Netanjahu auch in einem Korruptionsprozess in die Hände spielen, der seit längerer Zeit gegen ihn läuft. Die Regierung argumentiert dagegen, das Höchste Gericht übe derzeit zu viel politischen Einfluss aus. Die Reform stärke die Demokratie.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen AFP und dpa
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