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Cathy Hummels | Vermutlich ist das keine Naivität, sondern kalkül


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Cathy Hummels
Das ist obszön und dreist

  • Nicole Diekmann
MeinungEine Kolumne von Nicole Diekmann

Aktualisiert am 10.11.2022Lesedauer: 4 Min.
Cathy Hummels vor ihren Instagram-Posts: Auf der Plattform macht sie dreist Eigenwerbung, findet unsere Kolumnistin.Vergrößern des Bildes
Cathy Hummels vor ihren Instagram-Posts: Auf der Plattform macht sie dreist Eigenwerbung, findet unsere Kolumnistin. (Quelle: Imago / Future Image / Screenshot / t-online)

Cathy Hummels weiß sich zu vermarkten. Wie dreist sie dabei selbst ernste Themen instrumentalisiert, überrascht dennoch.

Alle Welt redet von Elon Musk. Das ist auch richtig und wichtig, denn bei dem, was Musk seit seiner Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter ebendort vollführt, muss Demokratiefreunden angst und bange werden.

Trotzdem sollte Instagram nicht völlig aus unserem Blickfeld verschwinden. Dort nämlich verbreitet Cathy Hummels aktuell selbst für Influencerinnen-Maßstäbe obszön dreiste Inhalte.

Es sieht erst mal aus wie Business as usual: Cathy Hummels hat ein paar Influencer zu einem Retreat in ein Fünf-Sterne-Resort nach Griechenland eingeladen. Mit im Gepäck: Make-up Artist, Personal Trainer, RTL-Kamerateam.

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politik-Berichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf Twitter – wo sie über 120.000 Fans hat. Dort filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich, ihr Blog findet man hier.

Drei Tage lang lassen es sich Hummels und die insgesamt zwölf anderen Influencer, darunter Insta-Promis wie Sophia Thiel und Diana zur Löwen, auf Rhodos gutgehen. Auf der Tagesordnung stehen Yoga, ein Mal-Kurs, Einschlafmeditation, gutes Essen und vieles mehr.

Alles wird gepostet, vor allem die beteiligten Sponsoren

Quasi in Echtzeit lässt die reichweitenstarke Reisetruppe ihre Follower teilhaben an ihrem Trip: Gefühlt alles wird gepostet. Natürlich auch alle beteiligten Sponsoren. Schließlich ist man nicht (nur) zum Privatvergnügen nach Rhodos geflogen: Jedes Foto, jedes Filmchen ist sorgfältig versehen mit Erwähnungen beteiligter Sponsoren – egal, wie erzwungen der Bezug zwischen ihnen und dem Bildinhalt auch ist.

Im Notfall wird ein Zusammenhang zwischen Gezeigtem und Verlinktem mit der Brechstange hergestellt. Auch das: typisch Instagram.

Man könnte darüber lachen. Hätte das Ganze nicht diesen sehr ernsten Hintergrund. Denn in diesem konkreten Fall muss man sagen: Hier werden, Stichwort Brechstange, die Regeln des Anstands gebrochen und ein äußerst ernstes Thema missbraucht. Und zwar für die Geschäftsinteressen der Cathy Hummels.

Denn bei dieser Reise handelt es sich nicht um einen dieser zahllosen Deals zwischen finanzstarken Unternehmen und reichweitenstarken Werbeikonen, die ein paar Tage in schöner Kulisse in teuren Klamotten posen. Nein. Die Rhodos-Reise steht unter der Überschrift "Strong Mind Retreat" und wird organisiert von Cathy Hummels' Firma.

Man wolle, so erklärt Hummels, auf mentale Erkrankungen aufmerksam machen. Wie zum Beispiel Depressionen. Eine ernstzunehmende, für Betroffene wie deren Angehörige belastende Krankheit. Eine Krankheit, die bei schwerem Verlauf in Suizid münden kann.

Hummels bagatellisiert eine schwere Erkrankung

Eine Krankheit, über die Hummels in einem Instagram-Posting vergangene Woche allen Ernstes dies schreibt: "Wenn man eine Depression hat, ist oft alles schwarz/weiss. Derweil ist Farbe viel schöner … Doch wie bekommt man Farbe in sein trübseliges Gedankenkarusell? Ein Faktor, der helfen kann, ist Licht. Let's shine. 'Sun 'n' Soul Retreat by'", und hier verlinkt Hummels ihre Firma.

Garniert ist dieser nicht nur inhaltlich, sondern auch orthografisch liederliche Text mit einem Foto in zwei Ausführungen: Hummels, perfekt gestylt, schaut ernst in die Kamera, auf der Nasenspitze neckisch eine Sonnenbrille. Eine Bildvariante ist in Farbe, die andere in Schwarz-Weiß.

Das ist an Banalität kaum zu überbieten. Für Menschen, die mit Depressionen zu kämpfen haben, muss sich diese bis hin ins Groteske verharmlosende Beschreibung einer nach wie vor weitgehend gesellschaftlich tabuisierten Erkrankung anfühlen wie ein Schlag mit dem Hammer.

Schamlose Geldmacherei

Vielleicht hat Hummels ja buchstäblich einen Schlag mit dem Hammer auf den Kopf erlitten. Eine freundlichere Erklärung für diese schamlose Geldmacherei über den direkten Weg einer lebensbedrohlichen Krankheit will mir nicht einfallen.

Wohl aber mehrere weniger freundliche. Eine lautet: Cathy Hummels glaubt wirklich, dass Sonne hilft bei Depressionen. Dass man sich einfach ein paar Stündchen auf die Parkbank setzt, wenn man sich Rhodos schon nicht leisten kann, und gut ist. Dann wäre Cathy Hummels dumm.

Eine weitere mögliche Erklärung lautet: Hummels hat noch nicht verstanden, wie groß ihre Verantwortung ist. Millionen Follower bewundern sie, mehr als 600.000 haben ihren Instagram-Kanal abonniert – klar, sonst wäre sie ja keine so gefragte Werbeträgerin. Wenn dem so ist, ist Hummels entweder intellektuell nicht in der Lage, einen Zusammenhang zwischen ihren Tätigkeiten und ihren Einkünften herzustellen – auch das wäre dumm – oder sie denkt nicht an ihre Follower. Dann ist sie egozentrisch.

Nächste Theorie: Hummels weiß noch nicht allzu viel über das Krankheitsbild Depression. Dann wäre es maximal oberflächlich, sich auf diesem Gebiet zu engagieren.

Eine andere Erklärung für diesen Mumpitz lautet: Cathy Hummels weiß all das, aber es ist ihr schlicht und einfach egal. Dann wäre Hummels dreist.

Vermutlich ist das keine Naivität, sondern kalkül

Und genau davon muss man ausgehen. Denn Hummels weiß all das. Erstens hat sie ihre eigenen Depressionen schon mehrfach thematisiert, zum Beispiel in einem Buch. Und zweites ist es ja bei Weitem nicht das erste Mal, dass die geschäftstüchtige und fleißige Hummels Grenzen des guten Geschmacks überschreitet.

Noch immer kämpfen an Depressionen Erkrankte um gesellschaftliche Anerkennung und Akzeptanz. Dafür, ernst genommen zu werden in ihrem Leid. Darauf weisen nun auch vermehrt Stimmen bei Instagram hin. Unter Hummels' Postings hat sich inzwischen auch die Deutsche Depressionsliga e. V. zu Wort gemeldet.

Die Betroffenenorganisation äußert sich dort entsetzt: "Frau Hummels, Sie erwecken den Anschein, die Depression für Werbezwecke zu benutzen. Depression ist weder schick noch en vogue. Wir bitten Sie, dies künftig zu berücksichtigen."

Es ist äußerst zweifelhaft, dass Hummels ihren Kurs ändern wird. Vielleicht aber überlegen sich ja Firmen noch einmal ganz genau, wen sie für sich werben lassen. Der Anstand würde es gebieten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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