Arbeiten an der eigenen Fassade Was der Hintern dem Gesicht voraus hat
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Schon mal gesehen, wie schnell an Fensterläden auf der Sonnenseite die Farbe bröckelt? Beim Gesicht ist das nicht anders. Der Hintern bleibt hingegen, weil meistens gut verpackt, länger jung.
Für immer jung – wo kosmetische Chirurgen mit dem Messer raffen und straffen, macht uns die Kosmetikindustrie den sanfteren Weg schmackhaft. Leider aber sind, hier wie da, Arbeiten an der Fassade nicht von Dauer: Die Alterung unseres Körpers geht nämlich in seinen kleinsten Bestandteilen, den Zellen, vor sich. Damit altert auch alles unter der Haut: Bindegewebestrukturen, Fettgewebe, Muskulatur, der Gesichtsschädel und das Körperskelett.
Und als ob das noch nicht genug wäre: Wir müssen auch noch zwischen dieser von innen kommenden, biologischen, und der von außen kommenden, durch Umwelteinflüsse und Licht bedingten Alterung unterscheiden. Sehr anschaulich wird letztere beim Vergleich von Gesicht und Gesäß, ungefähr ab Mitte Dreißig aufwärts: ziehen Sie sich einfach nackt aus und vergleichen Sie die Haut beider Körperpartien. Ihr Gesicht zeigt Sonnenflecken, erweiterte Äderchen, Knitterfältchen und baumelnde Partien. Der gleichaltrige Po hingegen, der sein Dasein meist im Dunkeln fristet, ist vergleichsweise makellos und hat nur eine große Falte – die in der Mitte. So gesehen ist "Arschgesicht" ein Kompliment.
Das aggressive UV-Licht setzt der Gesichtshaut zu
Die Lichtalterung ist in erster Linie der UV-Strahlung geschuldet. Sie schädigt die DNA unserer Haut und stachelt Entzündungen an. Sie erreicht uns zusätzlich durch Wärmestrahlung und direkt durch den Blauanteil im Tageslicht, aber auch indirekt durch den Blaulichtanteil aus LED-Lampen, Smartphones, Tablets, PC- und Fernsehbildschirmen! Die UV-Strahlung wirkt dabei am aggressivsten, doch Blaulicht und Infrarot, also Wärmestrahlung, dringen tiefer in die Haut ein. Nach einer Pharma-Publikation bringt eine Minute Tageslicht im sommerlichen Hamburg dieselbe Dosis wie eine Woche PC-Arbeit in einem Abstand von 30 Zentimetern vom Bildschirm.
Daher an dieser Stelle schon mal die beruhigende Nachricht: Sie müssen jetzt nicht auch noch Blaulicht-Filter-Cremes für das Anfertigen von Selfies kaufen! Trotzdem altert man durch Blaulicht, und zwar täglich ab Beginn der Dämmerung. Wer sich am Abend Blaulicht aussetzt, stört die Melatoninbildung und den Tag-Nacht-Rhythmus - mit negativen Folgen für die Gesamtgesundheit, verbunden mit der Abnahme der Selbstregeneration der Haut - weshalb sie wiederum zügiger altert.
Tageslicht hilft gegen Depressionen, und ein Aufenthalt in der Sonne führt zur wichtigen Endorphin- und Serotonin-Ausschüttung. Sonne macht glücklich und süchtig und sorgt vor allem dafür, dass wir körpereigenes Vitamin D aufbauen. Trotzdem ist die Sonne mit Vorsicht zu genießen. Einen Vitamin-D-Mangel können wir notfalls auch über Nahrungsergänzungsmittel ausgleichen. Zum Schutz vor der Lichtalterung der Haut gilt der Slogan: Meiden, kleiden, cremen! Ab einem UV-Index von 3 (findet sich online oder in Wetter-Apps) ist für Hellhäutige ein Sonnenschutz angeraten; dann sind Hut, Brille und dicht gewebte lockere Kleidung das optimale Outfit.
Auf die Körpersignale achten
Herausschauende Körperstellen unbedingt eincremen und dabei ein Präparat mit eher hohem Schutzfaktor (mindestens 30, besser 50+) nutzen! Die Sonne als heiß und dann auch unangenehm zu empfinden, ist übrigens ein Körpersignal, das unbedingt beachtet werden sollte und den Weg direkt in den Schatten weist. Vor Blaulicht schützt an der Haut Make-up durch die enthaltenen Puderpartikel, ähnlich wie mineralische Sonnencremes es tun. Ebenfalls segensreich sind Antioxidantien über pflanzenreiche Kost.
Aber nicht nur die Lichtverhältnisse graben Spuren in unsere Außenhülle. Daneben besteht die Gefahr grober Gesundheitsschäden durch Feinstaub. Er macht zum einen selbst krank, bringt daneben aber auch andere schädliche Substanzen mit sich: Allergene, Schwermetalle oder Krebs erzeugende polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe. Gemeinsam mit Ozon und Stickoxid entzündet Feinstaub die Haut, es bilden sich Flecken und Falten. Die Atemwege reagieren gereizt und entzündet, die Blutgefäße können Plaques, also Ablagerungen, ausbilden, und das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall nimmt zu.
Yael Adler
Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Seit 2007 praktiziert sie in ihrer eigenen Praxis in Berlin. Ihr Talent, komplexe medizinische Sachverhalte anschaulich und unterhaltsam zu vermitteln, stellt sie seit Jahren in Vorträgen, Veranstaltungsmoderationen und den Medien unter Beweis. Über Prävention und Therapien spricht sie regelmäßig in ihrem Podcast "Ist das noch gesund?". Ihre Bücher "Haut nah" und "Darüber spricht man nicht" standen auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste. Mit ihrem letzten Buch "Genial vital! – Wer seinen Körper kennt, bleibt länger jung" durfte sich die leidenschaftliche Ärztin erneut über diese Spitzenplatzierung freuen.
Durch den Klimawandel leiden Menschen mittlerweile nicht mehr nur saisonal auf die warme Jahreszeit beschränkt an Allergien - die Erwärmung der Erde und der länger anhaltende Pollenflug können für Beschwerden nahezu übers ganze Jahr sorgen. Auch nicht so toll, aber leider ein völlig natürlicher Vorgang ist der Rückgang der Sexualhormone. Sie haben einen großen Einfluss auf die Jugendlichkeit unserer Haut, denn unsere Hautzellen haben Rezeptoren für diese Hormone. Leider merken Frauen es oft dramatisch schnell: fahren die Hormone rund um die Menopause in den Keller, folgt auch die Haut dem Weg der Erdanziehung und fühlt sich mit einem Mal saft- und kraftlos an: Der Hals wirkt plötzlich so weich, der Bauch so wellig, die Schenkel wirken so dellig, die Lachfalten so knitterig!
Außenhülle passt nicht zum jugendlichen Lebensgefühl
Nicht wenige Frauen am Anfang der Fünfzig, die immer auf sich achten, kerngesund und fit im Leben stehen, die sich vielleicht wie dreißig fühlen, sind bereit, Ärzten ein Vermögen zu überlassen, um ihre Außenhülle weiterhin ihrem immer noch jugendlichen inneren Lebensgefühl anzupassen. Die Ursachen für diese Diskrepanz zwischen Innen und Außen sind hinlänglich bekannt: Das Hormon Progesteron sinkt ab etwa Mitte Vierzig als Erstes ab, heimtückischerweise im Geheimen, noch bevor Wechseljahrsymptome überhaupt wahrgenommen werden. Progesteron stimuliert die Talgdrüsen, fehlt es, wird die Haut trockener, weil Talg gemeinsam mit den Fetten der Oberhaut ein einzigartiges Pflegefett ist. Manchmal wird das vorübergehend als Verbesserung empfunden, weil die Pickel dann nicht so gut gedeihen.
Weniger prickelnd ist, dass parallel zur Abnahme des Hautoberflächenfetts das Bauchfett in der tieferen Hautschicht fröhlich zulegt. Progesteron hemmt außerdem die Enzyme, die das Eiweiß zersetzen und damit die Alterung beschleunigen. Immerhin: Nicht ganz dürre Frauen bilden im zunehmenden Unterhautfett noch ein paar Krümel Östrogene, weshalb sie besser gegen Osteoporose, starre Gefäße, Demenz, Libidoverlust, trockene Scheide, Haarausfall und noch mehr Falten geschützt sind. Das Sexualhormon Östrogen hält den Stoffwechsel unserer Hautzellen aktiv, kurbelt die Neubildung von Kollagen an, die Hautfette und Hornzellen und das Haarwachstum.
Die altersbedingte Abnahme von Östrogen bewirkt, dass die Haut dünner und trockener wird und das Kollagen abnimmt.
Warum Männer im Schnitt länger faltenfrei bleiben
Testosteron, das Hormon, das auch Frauen in sich haben, bleibt ihnen oft am längsten erhalten. Daher kann es dazu kommen, dass Frauen in der Postmenopause leicht "vermännlichen": Sie büßen Kopfhaar ein, auch weil der Gegenspieler Östrogen fehlt. Dafür bekommen sie Kinnhaare und manchmal große Poren und Pickel im Gesicht, eine Art zweite Pubertät, weil das Testosteron die Talgdrüsen stimuliert.
Männer verlieren ihr Testosteron dagegen langsam: Ab dem 35. Lebensjahr sinkt der Spiegel um gerade mal ein Prozent pro Jahr. Sie haben eine 20 Prozent dickere Oberhaut als Frauen und mehr Kollagen. Männer können in ihrer Haut mehr Feuchtigkeit speichern und damit länger faltenfrei wirken. Wer als Mann schlank bleibt, Sport treibt und sexuell aktiv ist, kann sein Testosteron noch ganz gut hätscheln. Wenn Mann allerdings die Plauze pflegt und nur auf dem Sofa sitzt, drückt er seinen Hormonspiegel quasi "aktiv" nach unten und befeuert eine schnellere Alterung. Gleiches und noch schneller besorgen Alkohol und vor allem das Rauchen. Von Risiken für Krankheiten, die mit dem Dasein als Sofaheld mit überflüssigen Pfunden verbunden sind, mal ganz abgesehen.
Der Kampf gegen die Hautalterung ist also keine rein "oberflächliche" Angelegenheit. Auch hinter den Kulissen ist allerhand zu tun. Dazu ein anderes Mal mehr. Bleiben Sie anspruchsvoll.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Expertise als Dermatologin