Knacken der Gelenke Knirschen im Knie sollten Sie immer ernst nehmen
Es knackt beim Treppensteigen, es knirscht beim Hinknien: Viele kennen die Geräusche aus dem Kniegelenk nur zu gut. Doch was steckt dahinter und wann sollte man doch einen Arzt aufsuchen?
"Das Knacken im Kniegelenk kommt vom Kniestreckapparat. Es entsteht, wenn die Kniescheibe im Zuge des Streck- und Beugevorgangs in ihrer Gleitrinne verrutscht", erklärt Dr. Jürgen Walpert, Facharzt für Orthopädie und physikalische und manuelle Therapie der Klinik Fleetinsel in Hamburg und Mitglied im Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie e. V. (BVOU).
Knacken im Gelenk allein ist unbedenklich
Die Oberschenkelmuskulatur ist dann nicht kräftig genug, um die Kniescheibe richtig zu stabilisieren. "Es handelt sich in diesem Fall um einen kurzfristig gestörten Bewegungsablauf, der das spontane Knacken auslöst", erklärt der Experte. Bedenklich sei dies erst einmal nicht und auch die Gelenkschmiere im Kniescheibengleitlager werde dadurch nicht abgenutzt.
So funktioniert das Knie: Das Kniegelenk verbindet Oberschenkel und Unterschenkel miteinander. Es wird für die Bewegung benötigt und ist das größte Gelenk im Körper. Seine Konstruktion erlaubt es, das Knie zu beugen, zu strecken und etwas nach innen oder außen zu drehen. Man spricht beim Kniegelenk daher auch von einem Dreh-Scharniergelenk. Am Knie treffen etliche Knochen, Muskeln und Bänder aufeinander. Wenn das Knie durchgestreckt ist, lässt es sich kaum drehen oder damit kreisen. Beim Beugen des Knies erschlaffen Innen- und Außenband, dann geben die Kreuzbänder Halt. Wenn man das Knie nach innen dreht, wickeln sich die Kreuzbänder umeinander und stabilisieren es dadurch in Drehrichtung.
Knackgeräusche: Frauen-Knie sind häufiger betroffen
Kommen allerdings Schmerzen oder Schwellungen hinzu, sollte ein Arzt die Ursache abklären und eine Diagnose stellen", rät Walpert. Junge Frauen seien besonders anfällig. Das liege zum einen daran, dass sie meist weniger trainiert sind als Männer. Aber auch der weibliche Hormonhaushalt spiele eine Rolle. Wer dagegen eine starke Oberschenkelmuskulatur vorweisen kann, ist seltener betroffen.
Auch bei harmlosen Beinfehlstellungen wie X-Beine oder seltener O-Beine kann das Knacken auftreten, da sich die Kniescheibe nicht richtig zentrieren kann. "Nach Knie-Operationen wie einem Kreuzbandersatz verspüren Patienten ebenfalls oft ein Knacken, da sich bei ihnen durch den Mangel an Bewegung die Muskulatur zurückbildet", erklärt der Knie-Experte. Aber: Aus dem knackenden Geräusch entwickelt sich kein Knirschen. Das sind zwei völlig verschiedene Krankheitsbilder.
Auch das Alter und die extreme Belastung durch übermäßigen Sport oder durch einen körperlich anstrengenden Beruf kann im Kniegelenk ein Knacken verursachen. Ebenso kann das Knieknacken infolge eines Sturzes oder einer Verletzung ganz plötzlich auftreten. Bei einer Verletzung am Meniskus oder Kreuzband (vorderer Kreuzbandriss) spüren und hören viele Menschen ein deutliches Knacken. Sportler sind davon besonders häufig betroffen.
- Knieschonendes Verhalten im Alltag: Die besten Übungen
Knie-Probleme: Knirschen im Gelenk immer ernst nehmen
Wenn keine Knackgeräusche auftreten, sondern es knirscht, sollte man immer alarmiert sein: "Das Knirschen hat eine andere Bedeutung als das Knacken. Es entsteht, wenn über Jahre ein zu hoher Anpressdruck der Kniescheibe gegen das Kniegleitlager besteht. Oder wenn die Knorpelschicht hinter der Kniescheibe durch verschiedene Erkrankungen des Kniegelenks dauerhaft geschädigt ist wie bei einer sehr starken X-Bein-Fehlstellung", sagt Walpert.
Das Knirschen sei immer krankhaft und die Ursache solle in jedem Fall abgeklärt werden – auch wenn zunächst keine Schmerzen bestehen. "Die Kniescheibe wird langfristig aufgerieben und Knochenpartikel und der Knorpel lösen sich ab. Das löst das Knirsch-Geräusch aus."
Knirsch-Test schafft Klarheit
Walpert empfiehlt einen einfachen Knirsch-Test, den jeder durchführen kann: "Setzen Sie sich auf einen Stuhl und legen Sie Ihre Hand auf das Knie. Dann strecken und beugen Sie das Gelenk aktiv. Wenn dann die Knirschgeräusche deutlich zu hören ist und man zudem das Reiben der Kniescheibe spüren kann, sollte man auf jeden Fall zum Arzt." sonst riskieren Sie einen Knorpelschaden mit anschließender Kniearthrose.
Neue Diagnose-Methode für Arthrose: Forscher haben im rahmen einer Pilotstudie einen neuen Weg gefunden, Arthrose zu erkennen Dabei werden die charakteristischen Knirschgeräusche, die mit der Gelenkerkrankung einhergehen, für die Diagnose genutzt. Anhand des Schallprofils erkennen Mediziner den Gelenkverschleiß nicht nur genauso gut wie mit herkömmlichen Methoden. Es zeigen sich sogar Auffälligkeiten, die auf Röntgen- oder MRT-Bildern noch nicht zu sehen sind. Ob die Schalldiagnostik tatsächlich eine frühe Diagnose von Arthrose ermöglicht, müssen allerdings weitere klinische Studien bestätigen.
Knie-Operation muss nicht immer sein
Was zuerst mit einem Knirschen beginnt, weitet sich meist aus. Schmerzen kommen hinzu, der Knorpel wird angegriffen und mündet im schlimmsten Fall in einer Arthrose der Kniescheibe. Experten sprechen bei Knie-Arthrose auch von einer Gonarthrose. "Eine Operation muss aber nicht immer sein." Gerade zu Beginn kann mit gezieltem Muskelaufbau, Schuheinlagen, Orthesen und Krankengymnastik der Bewegungsablauf deutlich verbessert werden", beruhigt der Orthopäde.
Wer allerdings schon mit 30 Jahren schwere Knieprobleme hat, kommt im Alter wohl nur schwer um einen operativen Eingriff herum. Es gilt: je jünger der Patient, desto höher das Risiko, dass in späteren Jahren operiert werden muss.
Knirschen vorzubeugen ist schwierig
Vorbeugen ist kaum möglich. Zwar kann man mit einem knieschonenden Muskelaufbautraining das Risiko für Schäden minimieren. Da das Knirschen aber so viele verschiedene und individuelle Ursachen haben kann, gibt es keine gezielten Maßnahmen.
Keine Studien für Nahrungsergänzungsmittel
Auch Nahrungsergänzungsmittel sind keine Allheilmittel: "Nahrungsergänzungsmittel wie Tabletten mit Glucosamin und Chondroitin oder Kieselerde sind sehr verbreitet. Doch es gibt keine seriösen wissenschaftlichen Studien, die deren Wirksamkeit belegen", erklärt Walpert. Da aber davon auszugehen sei, dass bei rund 60 Prozent der Anwender der Placebo-Effekt einsetzt, könne eine positive Wirkung auf diesem Wege durchaus denkbar sein.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Arthrose. Online-Informationen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): www.gesundheitsinformation.de (Stand: 10.6.2021)
- Hilft eine Arthroskopie bei Kniearthrose? Online-Informationen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): www.gesundheitsinformation.de (Stand: 2.6.2021)
- Arthrose. Online-Informationen des Öffentlichen Gesundheitsportals Österreichs: www.gesundheit.gv.at (Stand: 21.1.2021)
- Herold, G.: Innere Medizin 2021. Eigenverlag, Köln (2020)
- Ist Hyaluronsäure gut für Haut und Gelenke? Online-Informationen der Verbraucherzentrale: www.verbraucherzentrale.de (Stand: 18.8.2020)
- Arthrose im Knie: Dem Verschleiß frühzeitig vorbeugen. Online-Informationen der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft: www.bgbau.de (Stand: 10.9.2020)
- Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie und des Berufsverbandes der Ärzte für Orthopädie: Gonarthrose (PDF). AWMF-Leitlinien-Register Nr. 033/004 (Stand: 30.11.2017)