Leserdiskussion um "Winnetou" "Deutschland erstickt im Toleranz-Irrsinn"
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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Winnetou" wird man doch wohl noch lesen dürfen?! Über das Für und Wider dieser Frage tauschen sich die t-online-Leser kontrovers aus.
Dass Ravensburger die Bücher zur neuen "Winnetou"-Verfilmung zurückgezogen hat, sorgt für Diskussionen. Für die einen ist das Ausdruck einer grassierenden Cancel Culture, für die anderen ein begrüßenswerter Schritt in Richtung Sensibilisierung für die Belange marginalisierter Gruppen.
Auch Hunderte t-online-Leser äußern sich zu der Debatte, wobei die meisten die Entscheidung des Verlages kritisieren. Einige können sie allerdings gut nachvollziehen. Eine Auswahl von Leserstimmen:
"Deutschland erstickt im Toleranz-Irrsinn"
t-online-Leser Matthias Freund schreibt: "Schade, dass diese Lektüre meiner Kindheit nun in die moralisierende Mangel genommen wird. Ich spielte als Kind gerne Indianer, wegen des Gefühls der Freiheit in der Natur", berichtet er und sieht darin kein Problem.
"Solche Aktionen bringen mich dazu, bisher gelebte Toleranz bei uns zu überdenken. Ich traue dieser komischen Gesellschaft nicht mehr über den Weg. Deutschland erstickt gerade im Toleranz-Irrsinn. Toleranz wird durch so etwas nicht erreicht, eher das Gegenteil."
"Die Betroffenen wenigstens anhören"
t-online-Leserin Eleonore Siegfanz meint: "Indigene Völker finden es nicht gut, so dargestellt zu werden, das kann man doch akzeptieren! Oder steht es uns an, die Betroffenheit anderer zu ignorieren, weil wir nicht reflektieren wollen, ob da nicht vielleicht doch was im Argen liegt?", fragt sie.
"Um ein klares Bild zu bekommen, sollte ich die Betroffenen wenigstens anhören, diese Gedanken zulassen und nicht in rührseliger Kindheitserinnerung schwelgend einfach nur ablehnen."
Mehr über die mediale Empörung der "Winnetou"-Debatte diskutiert t-online-Chefredakteur Florian Harms mit Chefreporterin Miriam Hollstein in dieser Podcast-Folge:
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"So schaffen wir unsere Demokratie nach und nach ab"
"Dass die Rücknahme von 'Winnetou'-Büchern und/oder -Filmen Millionen Menschen im Land eventuell enttäuscht, kränkt, fassungslos macht oder auf eine andere Art 'verletzt', scheint nicht wirklich zu interessieren", merkt t-online-Leser Hartmut Rißmann an.
Seiner Beobachtung nach bestimmen Minderheiten in diktatorischer Manier, was akzeptabel sei und was nicht. "Wo bleibt die Abwägung, der Ausgleich, die Aufklärung, der gegenseitige Respekt, die Diskussion?", fragt er und glaubt in Ermangelung dessen: "So schaffen wir unsere Demokratie nach und nach ab."
"Diesen Blickwinkel wünsche ich mir von den Entscheidern"
"Als Kind habe ich jeden Karl-May-Film gesehen", schreibt t-online-Leser Alex Ross. "'Winnetou' habe ich immer so wahrgenommen, dass zwei Freunde gegen das Böse kämpfen – mit Respekt voreinander und mit blindem Vertrauen, unabhängig von Herkunft und Hautfarbe. Das fand ich toll.
Genau das vermisse ich bei dieser Diskussion: eine offene und tolerante Gesellschaft, die andere einfach des Menschen wegen respektiert und über jede Herkunft hinweg Freundschaften pflegt. Diesen Blickwinkel wünsche ich mir von den Entscheidern einfach."
"Welche Welt wollen wir unseren Kindern hinterlassen?"
t-online-Leser Ünal Kaplan schreibt: "Früher war vieles okay, weil die Welt noch von einer kolonial gefärbten Sprache geprägt war. Im Laufe der Jahre und der damit einhergehenden Sensibilisierung musste sich etwas ändern. Die Ureinwohner Amerikas (selbst das ist ein von den europäischen Einwanderern geprägter Name) sind nun mal keine Indianer, sondern Apachen, Sioux, Kiowa, Azteken, Inka, Maja und so weiter.
Die Frage, die wir uns stellen sollten, ist doch die: Welche Welt wollen wir unseren Kindern hinterlassen? Sicherlich ist einiges Quatsch, was im Moment passiert. Aber ist das in Zeiten von großen Veränderungen nicht immer so und auch gut so? Denn nur, wenn alle Gedanken gedacht, ausgesprochen und ausdiskutiert wurden, kann etwas Neues, Besseres entstehen."
Die Filme und Bücher verschlang Ünal Kaplan, sie waren Teil seiner Kindheit: "Es geht aber um das Heute und da ändert sich gerade sehr viel. Die Globalisierung bringt eben mit sich, dass wir uns mit der kolonialen Vergangenheit auseinandersetzen sollten, inklusive der Begriffe."
"Man sollte einen vernünftigen Weg finden"
"Ich habe in meinem Leben kein einziges dieser Bücher gelesen und besessen, habe da keinerlei emotionale Bezüge zu, war auch nur bei diesen Karl-May-Festspielen", gesteht t-online-Leserin Stefanie Spieker.
"Aber viele meiner (Boomer-)Generation haben sie gelesen und lieben sie. Man sollte einen vernünftigen und rationalen Weg finden, mit diesen Büchern umzugehen und sie denen, die sie lieben, nicht miesmachen."
"Aufklärung ja, Zensur nein"
t-online-Leserin Lana Wieder findet: "Wir leben in Zeiten von Globalisierung. Da vermischen sich Kulturen natürlich und das ist auch begrüßenswert für ein offeneres Weltbild. Aufklärung ja, Zensur nein. Natürlich sollte mehr Aufklärung betrieben werden, gerade bei unseren Kleinsten. Man sollte auch die korrekte Terminologie beachten."
Gleichzeitig wendet sie ein: "Wenn wir nichts mehr von anderen Kulturen haben, weil es angeblich übergriffig ist, dann ist jede Kultur wieder für sich, was für weniger gegenseitiges Verständnis sorgt."
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