Expertin über Wundermittel der Stars Diese Cremes haben keine Wirkung
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Creme-Kreateure preisen die Spannkraft des Wirkstoffs Kollagen. Das Versprechen trifft auf die Hoffnung erschlaffter Gesichter. Ob's hilft? Unsere Kolumnistin lüftet ein Geheimnis.
Sind Sie auch schon KOLLAGENmanipuliert? Noch nicht? Dann bitte einmal Knochenbrühe, aber zwölf Stunden durchgekocht muss sie sein! Stellen Sie sich den Geruch vor: Läuft Ihnen jetzt das Wasser im Munde zusammen? Nicht? Schade, Sie wären sonst auf preisgünstigste Weise an einen absoluten Superhelden der Medizin und der internationalen Kosmetikindustrie gekommen: Aus der Gelatine in Omas Brühe lässt sich nämlich Kollagen gewinnen. Und Hyaluronsäure, einen anderen Globalplayer der Tuben und Tiegel, gäbe es noch gratis dazu.
Gut, dann wird eben alles ein bisschen teurer. Studien belegen mittlerweile, dass Dichte, Elastizität und Feuchtigkeit unserer Haut messbar gewinnen, wenn wir uns Kollagen zuführen. Auch Haarausfall oder gestresste Knochen, so die Ansage, gehören dann eher der Vergangenheit an. Nicht ohne Grund: "Kollagen" leitet sich vom griechischen Wort "kolla" ab, was so viel wie Leim bedeutet. Zugegeben, auch das klingt wieder nicht sonderlich appetitlich, trifft aber irgendwie den Kern. Als Teilmenge der sogenannten Strukturproteine ist Kollagen – also ein Eiweiß – am häufigsten im menschlichen Körper präsent. Immerhin hat es ja dort bei den verschiedensten Gewebearten sowohl für Festigkeit als auch für Elastizität zu sorgen.
Knittergebirge des Gesichts
In unseren Bindegewebszellen gebildet, besteht es aus langen Eiweißketten, die sich vorwiegend aus Aminosäuren zusammensetzen – Hydroxyprolin, Prolin, Glycin und Lysin –, die umeinander gedreht sind. Verbunden werden diese Stränge durch Wasserstoffbrücken. Das alles hört sich reichlich stabil an, muss es auch sein, wenn drinnen und draußen alles ein bisschen straffer und fester wirken soll. Kleiner Haken: Ob, wo, wie und in welche Richtung unser Körper das Kollagen einsetzt, können wir nicht kontrollieren. Das liegt nicht nur daran, dass ein Großteil der Prozedur sich ausgerechnet im schlecht ausgeleuchteten Dünndarm abspielt: Hier werden die Eiweiße nämlich in ihre Einzelbestandteile zerlegt, die sich fröhlich in die Darmschleimhaut plumpsen lassen und von dort die Wanderung durch unseren Blutkreislauf antreten.
Zur Person
Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Seit 2007 praktiziert sie in ihrer eigenen Praxis in Berlin. Ihr Talent, komplexe medizinische Sachverhalte anschaulich und unterhaltsam zu vermitteln, stellt sie seit Jahren in Vorträgen, Veranstaltungsmoderationen und den Medien unter Beweis. Über Prävention und Therapien spricht sie regelmäßig in ihrem Podcast "Ist das noch gesund?". Ihre Bücher "Haut nah" und "Darüber spricht man nicht" standen auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste. Mit ihrem letzten Buch "Genial vital! – Wer seinen Körper kennt, bleibt länger jung" durfte sich die leidenschaftliche Ärztin erneut über diese Spitzenplatzierung freuen.
Erst dann trifft unser Körper die souveräne Entscheidung, wohin er die Eiweißbausteine schließlich delegiert. Das kann – anschaulich ausgedrückt – das Knittergebirge der Gesichtshaut sein, aber auch die Kniekehle oder ein lauschiger Winkel tief in unserer Gesäßfalte, das Haar, die Blutgefäße, Zähne, Sehnen, Gelenke, Muskulatur oder der Knochen. Alle brauchen Kollagen und können alle bis zu einem gewissen Grad von verstärkter Zufuhr profitieren. Selbst wenn das Kollagen im Körper erfolgreich zusammengesetzt wird, kann es jedoch kein Lifting mehr erzielen.
Sinnlose Verheißung der Kosmetikindustrie
Alles, was hängt, wird nicht mehr straff. Die Verheißung der Creme-Kreateure, die Kollagen in Cremes mischen, um es zielgerichtet in Problemregionen unserer Außenhülle ankommen zu lassen, ist also sinnlos und unmöglich. Als Creme ziehen die Riesen-Kollagenmoleküle nicht in die Tiefen der Haut, wo wir sie für einen nachhaltigen Effekt aber bräuchten. Die Moleküle sind schlichtweg zu groß, um die Hautbarriere zu überwinden. Sie müssen draußen spielen. Nehmen wir das Kollagen allerdings ein, kann es eine Unterstützung der Gesamtkollagenherstellung im Körper sein und Haar- und Nagelwachstum begünstigen. Für den Kollagenaufbau braucht es aber eine Reihe von Cofaktoren und Schutzstoffe wie Vitamin C, Zink, Silicium, Eisen, Vitamin E, Biotin, Coenzym Q10, Vitamin B1, Selen, Bioflavonoide, Chlorophyll sowie eine gute Versorgung mit Schilddrüsenhormonen.
Es lassen sich 28 verschiedene Typen von Kollagenen klassifizieren, die sich alle in Aufbau und Wirkungsweise unterscheiden. Sie werden in Gruppen aufgeteilt, je nachdem, ob sie etwa in Haut, Sehnen und Knochen vorkommen, im Knorpelgewebe, in den inneren Organen, als Verbindung zwischen Zellen und Bindegewebe, oder etwa in unserer Hornhaut. Auch diese Omnipräsenz führt dazu, dass Kollagen mit einem Anteil von über 80 Prozent hauptsächlicher Bestandteil unseres Bindegewebes ist. Hier wirkt es zusammen mit der viel beschworenen Hyaluronsäure: Während das Eiweiß Kollagen für Festigkeit und Elastizität sorgt, sichert Hyaluronsäure, chemisch gesehen ein Mehrfachzucker, einen höheren Feuchtigkeitsgehalt, mehr Volumen und Saftigkeit. Immerhin ist sie in der Lage, ein Vielfaches des eigenen Gewichts an Wasser festhalten zu können. Ein Gramm Hyaluronsäure bindet sechs Liter Wasser.
Unser Körper produziert das Kollagen selbst
Leider verlangsamt sich bereits in jüngeren Jahren, etwa zwischen fünfundzwanzig und dreißig, der Stoffwechsel unserer Haut und auch der Gewebe. Ja: Sie beginnen einfach zu altern! Dabei geht auch die körpereigene Kollagenproduktion allmählich zurück, und wir werden in jeder Hinsicht dünnhäutiger. Neben genetischer Veranlagung drängen sich auch Schwangerschaften oder die Wechseljahre hormonell dazwischen. Von außen stänkern dazu noch die UV-Strahlung, einseitige Ernährung, Stress, Alkohol und das Rauchen. Einiges davon ist allerdings zum Abgewöhnen, und zwar nur durch uns ganz allein. Es gibt also viel zu tun. Auch Sportler und Influencer haben mittlerweile den Wert des Kollagens für Fitness und persönliches Wohlbefinden entdeckt. Faserreiches Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte, Milchprodukte und Eier helfen uns bei einer ausgeglichenen Kollagen-Bilanz.
Nach neueren Erkenntnissen steht auch die Qualle diesbezüglich gar nicht schlecht da. Sie dürfte jedoch nicht direkt zum Reinbeißen sein. Veganes Kollagen gibt es leider nicht. Allerdings kann ein ganzer Korb aminosäurereicher pflanzlicher Lebensmittel einspringen: Hülsenfrüchte, Soja, Haferflocken, Hirse, Quinoa, Amaranth, Buchweizen, Erdnüsse, Walnüsse, Mandeln. Hier muss man pflanzliche Eiweiße geschickt kombinieren, um eine hohe biologische Wertigkeit zu erzielen. Nur so können aus den gelieferten Aminosäuren auch alle Körpereiweiße aufgebaut werden können.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.