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Neonazi: Drei Finger weg – Verstümmelung in Chemnitz offenbar abgesprochen


Machetenhieb auf Bestellung
Neonazi in Chemnitz ließ sich mit Absicht verstümmeln


07.05.2024Lesedauer: 3 Min.
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Alexander W.: Weil sein Kumpel nicht richtig getroffen haben soll, soll er "nur" drei Finger verloren haben. ,Vergrößern des Bildes
Alexander W.: Weil sein Kumpel angeblich nicht richtig getroffen hat, soll er "nur" drei Finger verloren haben. (Quelle: Screenshot Telegram)

Operation "Hand ab": In Chemnitz ist ein Mann angeklagt, der einem Neonazi drei Finger abgetrennt hat. Die Verstümmelung soll abgesprochen gewesen sein – und das Motiv ist kaum zu fassen.

Es ist ein Fall mit einer verrückten Wendung, die ein großes Rätsel aufgab: Ein Neonazi wählte im August 2023 den Notruf, weil ihm angeblich von der Antifa Finger abgeschlagen worden waren. Dann wurde gegen ihn selbst ermittelt – wegen des Vortäuschens einer Straftat. Der Vorwurf hat sich mittlerweile erhärtet. Ein Kumpel (37) des Mannes landet nun vor Gericht, weil er einem gemeinsamen Plan folgend die Finger mit einer Machete abgetrennt haben soll. Dem vermeintlichen Opfer ging es offenbar um Geld.

Die Staatsanwaltschaft Chemnitz bestätigte t-online, dass gegen diesen Mann Anklage erhoben wurde wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung. Eigentlich war den Ermittlungen zufolge sogar besprochen worden, dass er dem damals 29-jährigen Alexander W. die komplette Hand abschlagen solle. Er traf aber offenbar nicht richtig. "Nur versehentlich" sei nicht die ganze linke Hand abgetrennt worden – stattdessen: Zeige-, Mittel- und Ringfinger am untersten Glied.

Alexander W. machte Angaben bei Ermittlern

Das führt auch zum zunächst unglaublich erscheinenden Motiv: Alexander W. "beabsichtigte, aufgrund der dann vorliegenden Behinderung staatliche Leistungen zu beziehen", sagte Oberstaatsanwältin Ingrid Burghardt. W. wollte sich demnach verstümmeln lassen, um Unterstützung vom Staat zu erhalten.

Nach der Tat aber redete W. schließlich mit den Ermittlern. Seine Angaben erhärteten den Tatverdacht gegen den 37-Jährigen, der sich selbst laut Staatsanwaltschaft bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert hat. Weitere Zeugenaussagen und sonstige polizeiliche Ermittlungen hätten den mutmaßlichen Hergang bestätigt. Unter anderem hatte die Polizei offenbar belastende Kommunikation auf den Smartphones sichergestellt.

Gegen W. wird noch ermittelt wegen des Vortäuschens einer Straftat. Da sind die Ermittlungen nicht abgeschlossen. Er hatte am 15. August 2023 stark blutend den Notruf gewählt. Seine Angaben: Die Finger seien ihm bei einem Überfall im Stadtpark von Antifa-Aktivisten abgetrennt worden. Alexander W. gehört zur Neonaziszene.

In Vernehmungen gab er zunächst an, dass er wahrscheinlich von Linksextremen erkannt worden sei. Lanciert wurde, er habe ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Kampf der Nibelungen" getragen. "Kampf der Nibelungen" war das größte europäische rechtsextremistische Kampfsportformat und ist inzwischen verboten. Auch in Medienberichten war anschließend von "Vermummten" die Rede, die für die Tat verantwortlich seien. Tatsächlich machte sich den Ermittlungen zufolge allerdings sein Bekannter mit den abgetrennten Fingern davon. Die Gliedmaßen wurden später in einem Braunglascontainer gefunden.

Nun warten bei einer Verurteilung mindestens drei Jahre Haft auf den 37-Jährigen. Er sei schon vielfach mit Körperverletzungs- und Diebstahlsdelikten aufgefallen, sagt die Staatsanwaltschaft. Sie hat keine Erkenntnisse, ob er auch zur Neonaziszene zählt. Den Ermittlungen zufolge soll der Vorschlag aber von ihm gekommen sein, die Geschichte von einem Überfall der linksextremen Szene zu erfinden.

Linksextreme "Hammerbande" kurz zuvor verurteilt

Wenige Wochen zuvor hatte das Oberlandesgericht Dresden gegen die Linksextremistin Lina E. aus Leipzig und drei Männer mehrjährige Haftstrafen wegen Überfällen auf Neonazis verhängt. Sie wurden als "Hammerbande" bekannt – weil Hämmer bei Angriffen auf Neonazis mehrfach als Waffe zum Einsatz kamen und Menschen damit schwer verletzt wurden. Ein mutmaßliches Mitglied, das als Späherin tätig gewesen sein soll, wurde am Dienstag in Nürnberg festgenommen.

Die rechtsextremen "Freien Sachsen" verbreiteten keine 24 Stunden nach der Tat ein Foto von Alexander W. im Krankenbett mit verbundenem Arm: "Macheten-Überfall von Chemnitz: Jetzt hat das Opfer ein Gesicht!" Man wünsche gute Besserung und fordere "die Aufklärung dieser schrecklichen Tat". Das Posting ist mittlerweile gelöscht.

In der Führung der "Freien Sachsen" ist der Neonazi Michael Brück, der Alexander W. gut kennen dürfte: Brück kommt aus Dortmund, Alexander W. und zwei weitere Mitglieder der rechtsextremen Szene sind aus dem Ruhrgebiet nach Sachsen gezogen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Anfrage an die Staatsanawaltschaft Chemnitz
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