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ESC 2024: Darum ist der Eurovision Song Contest eigentlich so politisch


Krieg beim Eurovision Song Contest?
Absolut unausweichlich


Aktualisiert am 11.05.2024Lesedauer: 1 Min.
Interview
Was ist ein Pro & Kontra?

Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.

Das waren Zeiten! An Lenas Sieg war NICHTS politisch!Vergrößern des Bildes
Das waren Zeiten! An Lenas Sieg war NICHTS politisch! (Quelle: imago stock&people)

Über dem Eurovision Song Contest 2024 schwebt das Menetekel des Politischen. Muss das so sein in diesen unseren Zeiten? Ist das eben so? Oder wäre ein unpolitischer ESC auch eine Chance? Eine Debatte.

Der Eurovision Song Contest in Schweden steht unter dem Eindruck des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern. Malmö hat schon vor dem Start des Musikwettbewerbs israelkritische Demonstrationen gesehen, weitere sind für den Tag des ESC-Finales am Samstag in der südschwedischen Stadt angekündigt.

Nach allen Kontroversen rund um den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist es nun also offensichtlich der Nahostkonflikt, der beim ESC auf offener Bühne ausgetragen werden muss. Muss das eigentlich sein? Muss der ESC ein Barometer für die internationale Politik sein? Oder liegt es in der Natur der Sache, dass die Realität auch einen so entrückten Raum wie einen europäischen Sängerwettstreit erreicht und durchdringt? Zwei Mitglieder der t-online-Redaktion haben sich darüber Gedanken gemacht.

Pro
Christoph SchwennickeBereichsleiter Exklusiv

Der ESC ist politisch, ob er will oder nicht

Am Anfang all unserer Erinnerung ist da dieses harmlose Liedchen, eine Klampfe und eine junge Frau mit Mädchenstimme. "Ein bisschen Frieden" sang Nicole zu den einfachen und eingängigen Akkorden. Deutschland hat damit gewonnen. 42 lange Jahre ist das her. "Bisschen" schrieb sich damals noch mit scharfem s. Nicole ist sicher nicht Bob Dylan, Joan Baez oder Rio Reiser. Und der Text ist auch etwas banaler als der von "Blowin' in the Wind" oder "Der Traum ist aus". Aber die Botschaft ist so weit nicht weg von den internationalen oder nationalen Superstars des politischen Singer-Songwritings.

Dazu kommt: Wenn bei einem Wettbewerb Länder oder deren Vertreter friedlich gegeneinander antreten, dann wird dieser Wettbewerb per se politisch. Das war so bei dem wunderbaren Fernseh-Blockbuster "Spiel ohne Grenzen", bei dem Teams aus den europäischen Nationen in grotesken Challenges gegeneinander antraten. Das ist so bei allen Olympischen Spielen. Politik ist da, wo Menschen zusammenkommen, aus welchem Anlass auch immer. Bei den Griechen hieß dieser Ort der Zusammenkunft Agora, der Marktplatz der Meinungen und Interessen.

So eine Agora ist auch der ESC, denn hier kommen Menschen aus verschiedenen Ländern zusammen, und diese Länder stehen in Beziehungen zueinander. Guten und weniger guten. Es ist insofern unausweichlich, dass, so wie jetzt in Malmö, bei dieser Zusammenkunft (und der traditionellen Teilnahme Israels) Kundgebungen für und wider das Vorgehen Israels in Gaza stattfinden werden. Und das ist per se nicht nur unausweichlich, sondern auch gut und richtig so. Solange es dabei draußen gerne kontrovers, aber bitte friedlich und zivilisiert zugeht. So wie drinnen auch.

Kontra
Philipp Michaelis
Philipp MichaelisBereichsleiter Aktuelles

Mehr Melodie, weniger Meinung!

Zugegeben: das mit einem unpolitischen ESC wird schwierig. Aber was wäre, wenn es ginge? Wenn alle mitmachen und sich darauf beschränken würden, worum es beim Eurovision Song Contest eigentlich mal ging? Um das beste Lied.

Den politischen ESC und seine Abhängigkeitsverhältnisse kann niemand verstehen. Gut, alle lieben die Ukraine. Die Skandinavier schanzen sich gegenseitig die Punkte zu. Das Baltikum versammelte sich früher geschlossen hinter Russland. Vorbei. Trotz meiner Magisterarbeit über den Jugoslawienkrieg verstehe ich nicht, wer auf dem Balkan für wen stimmt und gegen wen. Und bekommen wir aus der Türkei jetzt null oder zwölf Punkte? Israel, hoch kompliziert! Von Australien will ich gar nicht anfangen – was weiß ich denn, wo wir sicherheitspolitisch derzeit im südpazifischen Raum stehen. Zum Glück ist China nicht dabei.

Mal ehrlich, wie schlecht politischer Austausch mit schmaler Expertise, beschränktem Rahmen und umso größerer Agenda funktioniert, das sehen wir jeden Tag auf der Plattform X. Wir verlieren inzwischen aus den Augen, dass das mal ein Wettstreit der Melodien war und nicht der Meinungen. Den man auch ohne Habilitation in Politikwissenschaft verstehen konnte. Wo jede Stimme zählt, aber doch nicht wie im EU-Parlament.

Was dieser Eurovision Song Contest sein könnte, wenn er denn wollte, wäre eine Oase des Unpolitischen. Es wäre so erholsam, für uns alle. Ein musikalischer Wellnessraum. Ein großes europäisches Lagerfeuer, an dem wir alle die Klampfen herausholen und singen statt skandieren. Ein bisschen Frieden eben.

Und bitte nicht falsch verstehen: Es geht mir nicht um den letzten Platz für Deutschland. Wenn unser Beitrag alljährlich so räudig ist, dass ganz Europa uns auslacht, dann bitte: Lasst uns mit Pauken und Trompeten untergehen. Jedes Jahr. Es könnte mir bratwurstiger nicht sein. Aber dass wir aus einem Song Contest einen gratis-mutigen Popularitätswettbewerb politischer Ideen gemacht haben, das hat mir die Freude am ESC verdorben.

 
 
 
 
 
 
 

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Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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