Tückische Turbulenzen Wenn das Herz rast, flattert oder stolpert
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wenn das Herz plötzlich rast oder unregelmäßig schlägt, steckt oft ein Vorhofflimmern dahinter. Bleibt die Arrhythmie unbehandelt, drohen Schlaganfall und Herzinfarkt.
Vorhofflimmern zählt zu den häufigsten Herzrhythmusstörungen. In Deutschland sind schätzungsweise 1,5 bis 2 Millionen Menschen betroffen. Auch wenn die Krankheit im Gegensatz zum Kammerflimmern nicht unmittelbar lebensbedrohlich ist, sollte sie schnell behandelt werden. Denn das Schlaganfallrisiko steigt sonst um das Vier- bis Fünffache.
Was passiert bei Vorhofflimmern?
Vorhofflimmern wird durch elektrische Störimpulse im Reizleitungssystem des Herzens ausgelöst, deren Ursprung meist in den Lungenvenen liegt. Diese münden in den linken Vorhof. Wegen des unregelmäßigen Herzschlags ziehen sich Herzkammern und Vorhof nicht mehr koordiniert zusammen. Sie beginnen zu zittern und unkoordiniert zu "flimmern".
Die Folge ist, dass sich Blut in den Ausbuchtungen des Vorhofs ansammelt. Es kann verklumpen und zur Bildung von kleinen Blutgerinnseln führen. Werden diese ausgeschwemmt und gelangen über Arterien mit dem Blutstrom in den Kopf, verstopfen sie möglicherweise ein Hirngefäß. Dann droht ein Schlaganfall.
Mit der Zeit kann ein Vorhofflimmern chronisch werden. Die Herzkammern werden dann kraftlos und pumpen nicht mehr ausreichend Blut in den Körperkreislauf.
Bei diesen Symptomen sofort zum Arzt
Herzrasen und plötzlich einsetzendes Herzstolpern sind typische Symptome für ein Vorhofflimmern. Einige Patienten neigen auch zum Schwitzen, klagen über Luftnot und Leistungsschwäche. Ebenso können Schwindel und Schmerzen in der Brust dazukommen. Daher reagieren viele Patienten gerade beim ersten Auftreten mit Angst und Beklemmung.
Manchmal sind die Herzschläge sogar bis in den Hals hinein spürbar. Oft kommen innere Unruhe und Angst dazu, der Puls wird unregelmäßig und beschleunigt sich. "Bei diesen Symptomen sollte man sofort den Arzt aufsuchen", sagt Professor Andreas Götte vom Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung und Leiter der Abteilung für Kardiologie am St. Vincenz-Krankenhaus in Paderborn.
"Der Arzt kann mit einem Elektrokardiogramm (EKG), Langzeit-EKG oder Ereignis-Rekorder klären, ob das Herzstolpern nur eine harmlose Unregelmäßigkeit des Herzschlags ist, ob Vorhofflimmern vorliegt oder auch eine andere kardiale Ursache."
Jeder Zweite hat keine Beschwerden
Doch nicht alle Patienten zeigen Symptome. Die Deutsche Herzstiftung schätzt, dass das sogar bei jedem zweiten Betroffenen der Fall sein könnte. Dann erfolgt die Diagnose der Herzrhythmusstörung bestenfalls durch Zufall. Manchmal bleibt die Krankheit aber auch unentdeckt. Die Risiken für schwere Folgeerkrankungen sind den Betroffenen dann gar nicht bewusst und sie haben keine Chance, entsprechende Schutzmaßnahmen vorzunehmen.
"Vorhofflimmern ist eine ernst zu nehmende Herzrhythmusstörung. Denn auch wenn sie – wie bei einigen Patienten – ohne ausgeprägte Symptome auftritt, kann sie zur lebensbedrohlichen Gefahr werden und zu Herzschwäche und Schlaganfall führen", warnt Herzspezialist Professor Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung.
Risikofaktoren: Alter, Grunderkrankungen, Lebensstil
Das Entstehen von Vorhofflimmern wird durch viele Risikofaktoren begünstigt. Einige sind beeinflussbar, andere nicht. Hierzu gehört neben genetischen Faktoren auch das Geschlecht (Männer sind häufiger betroffen) und das Lebensalter. Während bei den unter 50-Jährigen die Häufigkeit der Herzrhythmusstörung noch bei unter 1 Prozent liegt, liegt sie bei den über 60-Jährigen schon bei 4 bis 6 Prozent. Ab 75 Jahren ist sogar jeder Zehnte von Vorhofflimmern betroffen.
Daneben gibt es eine Reihe von vermeidbaren Risikofaktoren, die durch einen ungesunden Lebensstil bedingt sind:
- übermäßiger Alkoholkonsum
- Rauchen
- starkes Übergewicht (Adipositas)
- Bewegungsmangel
Auch Dauerstress und Störungen im Mineralhaushalt (Kalium und Magnesium) können ein Vorhofflimmern begünstigen, auch wenn sie selten die alleinigen Ursachen dafür sind.
In vielen Fällen lässt sich das Vorhofflimmern auf Grunderkrankungen zurückführen. Sie können die Ursache der Rhythmusstörungen oder mitverantwortlich sein:
- Bluthochdruck
- Koronare Herzkrankheit
- Herzinfarkt
- Erkrankungen des Herzmuskels
- Herzschwäche
- Schilddrüsenüberfunktion
- Diabetes Typ 2
- undichte Herzklappen
- nächtliche Atemaussetzer (Schlafapnoe)
- entzündliche Erkrankungen wie Rheuma
- chronische Lungenleiden wie COPD
- Gefäßerkrankungen
- chronische Funktionsstörungen der Niere
Wie erfolgt bei Vorhofflimmern die Diagnose?
Bei einem Verdacht auf Vorhofflimmern erfasst der Arzt zunächst die Krankheitsgeschichte (Anamnese) des Patienten. Dann erfolgt in der Regel eine körperliche Untersuchung, bei der Puls, Blutdruck und Herzschlag kontrolliert werden.
Ein zuverlässiges Diagnoseinstrument ist das Elektrokardiogramm (EKG), das die elektrischen Impulse des Herzschlags aufzeichnet. Die Untersuchung deckt manchmal auch ganz zufällig ein Vorhofflimmern auf. Das passiert vor allem dann, wenn die Herzrhythmusstörung ohne Beschwerden verläuft und das EKG aus anderen Gründen durchgeführt wurde.
Pulskontrolle hilft, Arrhythmien früh zu erkennen
Da Vorhofflimmern oft symptomfrei verläuft, rät die Deutsche Herzstiftung zu regelmäßigen Pulskontrollen. Besonders wichtig seien diese bei Menschen ab 65 Jahren und Herzkranken.
Eine Hilfe können auch sogenannte Wearables sein, also Smartwatches, Smartphones und andere Devices mit einer Pulsmess- und EKG-Funktion. Sie ermöglichen es, die Herzrhythmusstörung zu dokumentieren und dem Arzt zu senden. "Die EKG-Dokumentation durch die Wearables sollte unbedingt von ärztlicher Seite beurteilt werden, um die richtige Diagnose zu stellen", rät Voigtländer.
Vorhofflimmern kann schwere Folgen haben
Ein Vorhofflimmern bedeutet in den meisten Fällen keine akute Lebensgefahr. Langfristig kann es jedoch zu verschiedenen Folgeerkrankungen führen:
- Herzschwäche
- Schlaganfall
- Durchblutungsstörungen in anderen Organen wie Nieren oder Gehirn
Wer spürt, dass sein Herz ungewöhnlich schnell oder unregelmäßig schlägt, sollte daher sicherheitshalber immer einen Arzt aufsuchen. Auch Beschwerden wie Atemnot, Schwindel oder Leistungsabfall können möglicherweise Warnsignale sein und sollten immer abgeklärt werden. Denn ohne Behandlung besteht immer das Risiko, dass sich ein Blutgerinnsel bildet, das womöglich einen Schlaganfall auslöst.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Heute stehen für die Behandlung von Vorhofflimmern mehrere Therapien zur Verfügung. Wichtigste Ziele sind die Vorbeugung von Schlaganfällen, Beschwerden zu lindern und die Risikofaktoren und Begleiterkrankungen zu behandeln.
In der Regel wird zunächst eine medikamentöse Therapie durchgeführt – zum einen zur Blutgerinnungshemmung und zum anderen zur Frequenzkontrolle – etwa mit blutdrucksenkenden Betablockern oder Antiarrhythmika. Das sind Medikamente zur Therapie von Herzrhythmusstörungen.
Wenn sich trotz der Behandlung mit Antiarrhythmika der normale Herzrhythmus nicht oder nicht dauerhaft wiederherstellen lässt und Beschwerden wie Atemnot, Herzrasen, Leistungsschwäche fortbestehen, ist eine Katheterablation eine Alternative. Inzwischen gibt es Studien, die auch nahelegen, dass die Ablation einer Behandlung mit Rhythmusmedikamenten überlegen ist.
Was ist eine Ablation am Herzen?
Bei einer Katheterablation handelt es sich um einen minimal-invasiven Eingriff am Herzen. Dabei werden die elektrischen Störfelder im linken Vorhof des Herzens quasi ausgeschaltet (verödet). Durch den Eingriff können bestimmte Formen von Herzrhythmusstörungen dauerhaft beseitigt werden, insbesondere wenn Medikamente nicht (mehr) helfen.
"Vor allem jüngere Patienten mit anfallsartigem Vorhofflimmern profitieren von der Katheterablation", sagt Götte. Dabei verödet der Kardiologe im linken Vorhof die Mündungsbereiche der Pulmonalvenen mittels Vereisung (Kälte) oder Hochfrequenzstrom (Hitze). Auf diese Weise unterbricht er die Leitungspfade, die das Durcheinander der elektrischen Signale verursachen.
Neben der Behandlung der Beschwerden und der Schlaganfall-Vorbeugung ist es auch wichtig, bestehende Begleiterkrankungen zu behandeln, etwa einen hohen Blutdruck oder eine koronare Herzerkrankung. Für einen dauerhaften Behandlungserfolg ist es darüber hinaus auch wichtig, die vermeidbare Risikofaktoren auszuschalten. Das geschieht vor allem über eine gesunde Lebensführung mit ausgewogener Ernährung, viel Bewegung, Nikotinverzicht und moderatem Alkoholkonsum.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- www.gesundheitsinformation.de: "Vorhofflimmern". Online-Informationen des Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Stand: 4.10.2022
- www.pschyrembel.de: )"Vorhofflimmern". Online-Informationen des Pschyrembel: (Abrufdatum: 21.2.2023
- www.herzstiftung.de: "Vorhofflimmern: Zurück in den Takt". Broschüre der Deutschen Herzstiftung e. V. (PDF): (Abrufdatum: 21.2.2023)
- www.herzstiftung.de: "Turbulenzen im Herz: Was man über Vorhofflimmern wissen muss". Pressemeldung der Deutsche Herzstiftung e.V., abgerufen am 21.2.2023
- www.amboss.com: "Vorhofflimmern". Online-Informationen von AMBOSS: (Stand: 9.1.2023)
- www.herztiftung.de: "Katheterablation: Erfolgsversprechende Behandlung bei Vorhofflimmern". Online-Informationen der Deutschen Herzstiftung. Stand: 26.10.2022