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Schwerhörigkeit: Warum auch die Psyche leidet


Verunsicherung und Ängste
Schwerhörigkeit: Darum sollten Betroffene schnell reagieren


Aktualisiert am 05.05.2023Lesedauer: 4 Min.
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Depressiver Mann: Hörprobleme sind psychisch sehr belastend, da sie den Alltag der Betroffenen erheblich einschränken.Vergrößern des Bildes
Hörprobleme sind psychisch sehr belastend, da sie den Alltag der Betroffenen erheblich einschränken. (Quelle: urbazon/getty-images-bilder)

Wer schlecht hört oder einen Hörverlust erleidet, muss sich im Alltag neu orientieren. Wie sich das auf die Psyche auswirken kann und wo Betroffene Hilfe finden.

Viele nehmen gesellschaftlichen Kontakt als zunehmend anstrengend war und ziehen sich aus Angst vor Missverständnissen immer mehr aus dem Sozialleben zurück. Unsicherheit, Scham und schließlich auch Depressionen können die Folge sein. Warum sich ein schlechtes Gehör auf die Psyche auswirken kann und wo Betroffene Hilfe finden.

Was ist Schwerhörigkeit?

Schwerhörigkeit beginnt ab 20 Dezibel Hörverlust. Das heißt: Betroffene Personen können erst Töne ab 20 Dezibel hören. Eine hochgradige Schwerhörigkeit liegt vor, wenn Geräusche ab 60 Dezibel nicht mehr normal verstanden werden können. Von Taubheit beziehungsweise Gehörlosigkeit sprechen Mediziner, wenn 95 Prozent des Hörvermögens verloren gegangen ist. Ein Hörgerät wird ab einem Hörverlust von 40 bis 60 Dezibel empfohlen.

Warum geht das Gehör verloren?

Es gibt verschiedene Gründe, warum das Hörvermögen nachlässt. "Altersschwerhörigkeit, Presbyakusis genannt, ist die häufigste Ursache von Schwerhörigkeit. Verantwortlich für den Hörverlust sind Verschleißerscheinungen an den Haarzellen des Innenohrs", sagt Beraterin Kathrin Kluge vom Caritasverband Düsseldorf e.V., die im Rahmen des Projekts Beethoven Schwerhörige und ihre Angehörigen unterstützt.

Weitere mögliche Ursachen für Schwerhörigkeit können sein: Hirnhautentzündung, Röteln in der Schwangerschaft der Mutter, Hörsturz, Vererbung, Lärm, Knalltrauma, Folgen von Kinderkrankheiten wie Mumps, Masern, Scharlach, chronische Mittelohrentzündungen, Morbus Menière sowie Tumoren im Mittelohr oder an den Hörnerven.

Schwerhörigkeit und sozialer Rückzug kommen schleichend

Schwerhörigkeit entwickelt sich oft schleichend. Wer bei Gesprächen öfter nachfragen und sich sehr konzentrieren muss, um etwas zu verstehen, sollte aufmerksam werden. Auch wenn der Fernseher zunehmend lauter gestellt wird, kann das auf ein schlechter werdendes Gehör hindeuten. Mit dem zunehmenden Verlust der Hörfähigkeit geht meist auch Lebensqualität verloren: Häufig ziehen sich schwerhörige Menschen aus Gruppensituationen wie Familienfesten, Vereinsleben, Weiterbildungen oder kulturellen Veranstaltungen zurück und leben zunehmend isolierter.

"Schwerhörige fühlen sich bei Treffen mit anderen aufgrund der Kommunikationssituation oft unwohl. Ihnen ist beispielsweise das häufige Nachfragen unangenehm. Die Konzentration auf die Lippenbewegung des Gegenübers strengt an. Sie können Gesprächen immer schlechter folgen und fühlen sich von der Kommunikation ausgeschlossen", sagt Kluge. "Bei vielen wächst zudem die Angst vor Missverständnissen und damit einhergehenden frustrierenden Erlebnissen. Telefonate zu führen, wird zur psychischen Belastung, weil hier auch noch die visuelle Wahrnehmung als Kompensationsmöglichkeit entfällt. Der soziale Rückzug kann die Psyche stark belasten. Es können Depressionen auftreten."

Das Gehör wird schlechter? Rasch reagieren

Soweit müsse es nicht kommen, so die Expertin. Würde der Hörverlust rechtzeitig bemerkt und sofern möglich behandelt, beispielsweise bei beginnender Altersschwerhörigkeit, könne das Hörvermögen oft erhalten und stabilisiert werden. Bleibe die zunehmende Schwerhörigkeit hingegen jahrelang unbehandelt, verliere das Gehirn die Fähigkeit, Töne zu verarbeiten. Dann helfe auch ein Hörgerät nicht mehr.

(Quelle: Privat)

Zur Person

Kathrin Kluge ist Beraterin beim Caritasverband Düsseldorf e. V. Im Rahmen des Projekts Beethoven unterstützt die Expertin Schwerhörige und ihre Angehörigen bei jeglichen Fragen rund um die Themen, die durch eine Hörbeeinträchtigung entstehen.

Besonders einschneidend: plötzlicher Hörverlust

Als besonders belastend und überfordernd wird plötzlicher Hörverlust empfunden. Sogar der eigenen Familie, Freunden und Bekannten falle es oftmals schwer, dem plötzlichen Hörverlust Glauben zu schenken, so Kluge. Auch wenn der Betroffene wiederhole, dass er oder sie nicht verstehen kann, werde dies manchmal angezweifelt oder vergessen, weil sich für die anderen nichts verändert hat. Für die Betroffenen ist das eine zusätzliche Belastung.

"Bei einem plötzlichen Hörverlust ist dringend eine Rehabilitation für Hörgeschädigte zu empfehlen, da der Umgang mit dem reduzierten Hörvermögen, dem Nicht-mehr-zuhören-Können einschneidende Erlebnisse sind", betont die Caritas-Beraterin. "Selbstverständlich sind schwerhörige Menschen mit schleichendem Hörverlust ohne Ausgleich des Hörvermögens durch Hörgeräte oder Cochlea-Implantate ebenso beeinträchtigt wie plötzlich Betroffene. Aber sie hatten mehr Zeit, sich daran zu gewöhnen und sich Unterstützung zu holen."

Schwerhörigkeit: Wo finden Betroffene Hilfe?

Unterstützungsangebote bieten Beratungsstellen für Gehörlose und Schwerhörige, wie etwa das Projekt Beethoven des Caritasverbands Düsseldorf e. V. Weitere mögliche Anlaufstellen sind:

  • HNO-Ärzte
  • Hörakustiker
  • Hörzentren
  • der Deutsche Schwerhörigenbund mit seinen Ortsvereinen
  • die Deutsche Gesellschaft der Hörbehinderten - Selbsthilfe und Fachverbände e.V.
  • Selbsthilfegruppen
  • Reha-Einrichtungen für Hörgeschädigte
  • Integrationsfachdienst für Hörgeschädigte
  • die Katholische und Evangelische Gehörlosen- und Schwerhörigenseelsorge
  • Psychologen und Psychotherapeuten

"Psychologische Begleitung ist meines Erachtens dann empfehlenswert, wenn der schwerhörige Mensch unter seiner Situation leidet oder sogar depressiv wird", sagt Kluge. "Ebenfalls ist es hilfreich, so früh wie möglich die Gebärdensprache zu erlernen. Wie bei Fremdsprachen auch dauert es in der Regel Jahre, bis man sie sehr gut beherrscht. Je früher man beginnt, desto besser. Gebärdensprache ist eine sehr schöne Sprache. Auch Menschen, die gut hören können, können an Kursen teilnehmen und sie erlernen."

Hörbehinderung: Was Betroffenen noch hilft

Laut der Expertin ist es wichtig, mit anderen in Kontakt zu bleiben und sich nicht zu isolieren. Es sei hilfreich, sich mit anderen Menschen mit Hörbehinderung zu treffen, beispielsweise in entsprechenden Reha-Einrichtungen, in Selbsthilfegruppen oder beim Ortsverein des Deutschen Schwerhörigenbundes, um ähnliche kommunikative Erlebnisse und Kommunikationstipps auszutauschen. "Das erleichtert den Umgang mit der persönlichen Schwerhörigkeit", sagt Kluge.

Film-Tipp: Derzeit läuft der französische Spielfilm "Schmetterlinge im Ohr", der sich mit Altersschwerhörigkeit befasst, im Kino. Regisseur Pascal Elbé, der auch das Drehbuch geschrieben hat und der Hauptdarsteller ist, ist selbst schwerhörig.

Unterstützung bei Schwerhörigkeit

Auch technische Geräte können den Alltag erleichtern, etwa Apps, die im Kino, bei DVDs und Fernsehen Hörverstärkung oder Untertitelung anbieten. Bei manchen Fernsehsendungen wird auch die Option "Klare Sprache" angeboten: Hier werden die Hintergrundgeräusche minimiert, damit das Sprachverstehen deutlicher wird. In naher Zukunft soll es bei Fernsehgeräten die Möglichkeit geben, dass man je nach Hörverlust selbst auspegeln kann, wie leise oder laut man Hintergrundgeräusche hören möchte.

"Für Gespräche mit Ärzten und Ärztinnen oder mit Behörden können Schriftdolmetsch-Einsätze bei den zuständigen Kostenträgern beantragt werden", sagt Kluge. "Der hiermit verbundene Erhalt der kommunikativen Selbständigkeit kann erheblich zur Vermeidung von Isolation und Depression beitragen."

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
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