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Russland: Russische Stars werden von Putin bestraft – wegen Skandal-Party


Fast-Nackt-Party in Moskau
Jetzt lässt der Kreml Russlands Stars büßen

MeinungEine Kolumne von Wladimir Kaminer

08.01.2024Lesedauer: 4 Min.
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Wladimir Putin (Archivbild): Eine Nahezu-Nackt-Party sorgte für Unmut im Kreml, meint Wladimir Kaminer.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin (Archivbild): Eine Nahezu-Nackt-Party erregte Unmut im Kreml, meint Wladimir Kaminer. (Quelle: Sergey Guneev/AP/dpa)

Russlands Stars wollten eine Party feiern, Kleidung war dabei eher unerwünscht. Hätten sie ihre Sachen lieber anbehalten, meint Wladimir Kaminer.

Die Nachricht von der "(fast) nackten Party" erreichte Deutschland mit etwas Verspätung. In den russischsprachigen Medien avancierte die "Feierlichkeit" hingegen schnell zu einem Ereignis des Jahres: Am vergangenen 20. Dezember fand in einem Moskauer Club eine Promi-Party statt, der entsprechende Dresscode war als "fast nackt" beschrieben.

Die Karten wurden für rund eine Million Rubel, etwa 10.000 Euro, gehandelt, viele wohlhabende Bewohnerinnen und Bewohner der russischen Hauptstadt waren bereit, dieses Geld auszugeben – um fast nackt neben ihren Stars sitzen und feiern zu dürfen. Die gesamte Pop- und Schlagerszene des staatlichen Fernsehprogramms hatte die Einladung einer bekannten Moderatorin angenommen, auch Rapper und Fernsehstars sowie die Kinder von wichtigen Geschäftsleuten, die Goldene Jugend der Stadt, waren im Club erschienen.

(Quelle: Frank May)

Wladimir Kaminer ist Schriftsteller und Kolumnist. Er wurde 1967 in Moskau geboren und lebt seit mehr als 30 Jahren in Deutschland. Zu seinen bekanntesten Werken gehört "Russendisko". Sein neues Buch "Frühstück am Rande der Apokalypse" ist im August 2023 erschienen.

Allesamt loyale Bürger des Landes, Lieblinge des Kremls, die niemals auch nur die winzigste Kritik gegen den russischen Krieg und das repressive Regime äußern würden. Die Fotos und Videos von der Party gelangten dann flugs ins Internet, angeblich wurden die Bilder auch dem Präsidenten gezeigt. Putin fand es nicht lustig.

Die Aufgabe der Kulturschaffenden ist für den Kreml in diesen "heroischen Zeiten" klar: Sie haben bei der Erziehung einer "patriotischen Jugend" zu helfen und das Regime zu unterstützen. Stattdessen laufen sie (halb)nackt herum und trinken Champagner. Haben diese Leute denn überhaupt kein Gewissen? So jammerte die russische Presse.

Teuer und schmerzhaft

Damit nicht genug: Während unser Land in einem heiligen Krieg versuche, das Nachbarland in die Knie zu zwingen und bis zum Hals im Blut stecke, erlaubten sich diese frechen Kulturträger wilde Orgien, so echote es in den Medien Russlands. Dafür müssten sie Buße tun. Die Schauspieler und Sänger sollten am besten aus dem Weihnachtsprogramm des Fernsehens entfernt werden. Was jedoch kaum möglich war, denn das Programm bestand fast ausschließlich aus diesen Menschen.

Ersatz war auch nicht zu bekommen, denn alle Künstler, die Russlands Krieg gegen die Ukraine nicht gutheißen, waren untergetaucht oder abgehauen. Für die Partyteilnehmer ließen die Repressalien gleichwohl nicht lange auf sich warten: Als Erstes wurde ein Rapper, der unbekannteste und frechste von allen, eingesperrt. Er hatte es gewagt, nur mit einer Socke bekleidet auf der Party zu erscheinen: Er trug sie über seinem Glied. Die betreffende Socke war dann auch noch das Produkt einer westlichen Modemarke.

Zu viel für den Kreml. Die Delinquenten sollen nun zur Strafe keine Auftritte mehr geben dürfen. Der Club wurde geschlossen, die Gastgeberin Anastasia Ivleeva einer Steuerprüfung unterzogen: Sie muss nun kräftig Steuern nachzahlen. Gleich danach kam es zu einer Welle offizieller Entschuldigungen in den Medien, die Reuebekundungen waren laut und lang.

Die Kulturschaffenden weinten vor der Kamera: Sie seien verführt und falsch informiert worden und schon gar nicht freiwillig auf der Party gewesen. Niemand hätte doch ahnen können, dass dort Menschen mit nur einer Socke herumlaufen würden. Die Gastgeberin veröffentlichte ein zwanzigminütiges Video, in dem sie ihr ganzes Leben von Geburt an rekapitulierte, und schwor, dass sie den Präsidenten und das Land liebe. Und für den Krieg sei.

Lieber die Türen geschlossen halten

Besonders eindrucksvoll war die Entschuldigung des berühmtesten Popsängers des Landes, Filip Kirkorow, der auch den Zaren Peter I. vor der Kamera verkörpern durfte: Im Leben eines jeden Mannes gebe es Momente, flüsterte der Schlagersänger verlegen, in denen er sich verirre und über etwas Unvorhergesehenes stolpere. Er habe die falsche Tür aufgemacht. Aber er sei schon immer mit seinem Volk und mit seiner Heimat eins gewesen, gestand der Sänger – ein gebürtiger Bulgare – und bat im Video um Verzeihung.

Der Fairness halber muss allerdings eines gesagt werden: Die allermeisten Anwesenden auf der Party waren dort keineswegs nackter aufgetreten, als sie es sonst bei ihren Auftritten sind. Sie waren während der Party allerdings einfach zu gut drauf. Weil die Bilder davon schnell Millionen Menschen in Russland erreichten, wirkten die Lebensfreude und die Leichtigkeit dieser Glamourwelt auf viele Russinnen und Russen verletzend.

Denn die nackten Stars lebten in einer Welt ohne Krieg, in einer Welt, in der nicht jeden Tag Hunderte Menschen umgebracht werden. Die sozialen Netzwerke waren schnell voller Beleidigungen für die Stars und Witzen über falsche Türen, die von allein aufgehen würden. In Anspielung auf die behauptete Homosexualität des berühmten Sängers Kirkorow hat man ihn mit anderen nackten Männern auf ein Foto montiert – mit der Unterzeile "Lass uns die andere Tür aufmachen".

Die Glitzerwelt des Glamours hat es im heutigen Russland nicht leicht, sie passt einfach nicht in die angestrebte "patriotische Erziehung" des Landes. Der Kreml verbarrikadiert alle Türen, die aus der Vergangenheit in die Zukunft führen – und niemand weiß, welche die richtige ist, bei der man ohne Angst anklopfen kann.

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