So urteilten Gerichte Rauchen auf eigenem Balkon: Kann das verboten werden?
Fenster auf, um frische Luft reinzulassen? Für Mieter mit rauchenden Nachbarn ist das nicht immer möglich – zumindest, wenn sie den Qualm nicht gleich in ihrer Wohnung haben wollen. Kann man das Rauchen der Nachbarn verbieten?
Inhaltsverzeichnis
Rauchern bleibt immer weniger Platz, um ihrer Sucht zu frönen. Immerhin: Zu Hause in der eigenen Wohnung darf man in der Regel rauchen. Doch unter bestimmten Umständen kann laut einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) sogar das Rauchen auf dem eigenen Balkon zeitlich beschränkt werden.
Ist Rauchen in der Wohnung erlaubt?
Ob das Rauchen erlaubt oder nicht, hängt sowohl von der Hausordnung als auch von zwei Faktoren ab:
- Wie lange wird geraucht?
- Wie stark sind andere Mieter dadurch beeinträchtigt?
Dennoch gibt es keine eindeutige Antwort auf die Frage. Rauchen in der Wohnung ist meistens erlaubt. Für Rauchen auf dem Balkon gibt es allerdings Ausnahmen. Auch die Gerichte entscheiden bei der Frage unterschiedlich.
Zeitliche Beschränkungen für das Rauchen möglich
Dass herüberziehender Zigarettenqualm für Nichtraucher unangenehm sein kann, steht außer Frage. Nicht jede kleine Beeinträchtigung sei aber gleich eine Störung, betonte Christina Stresemann, Richterin am BGH.
In ihrem Gerichtsbeschluss machte sie deutlich, dass zeitliche Beschränkungen für das Rauchen auf dem Balkon immer dann denkbar sind, wenn eine wesentliche Beeinträchtigung des Nachbarn vorliege, nicht aber, wenn die mit dem Tabakrauch verbundenen Beeinträchtigungen "nach dem Empfinden eines verständigen durchschnittlichen Menschen" nur unwesentlich sind, so das BGH.
Demnach sei Rauchen auf dem Balkon nicht länger uneingeschränkt erlaubt. Allerdings sollen Mieter bei Unstimmigkeiten nicht mit der Stoppuhr auf dem Balkon stehen, sondern mit ihren Nachbarn reden.
Rauchen auf dem Balkon kann verboten werden
Unter bestimmten Umständen kann das Rauchen auf dem Balkon sogar komplett und nicht nur zeitlich eingeschränkt verboten werden. Das Landgericht Frankfurt am Main entschied darüber, ob man einem Wohnungseigentümer verbieten kann, auf seinem Balkon zu rauchen. Ein anderer Wohnungseigentümer fühlte sich durch den Qualm gestört, der durch sein Schlafzimmerfenster eindrang. Der Raucher kam der Bitte seines Nachbarn nicht nach, ausschließlich auf seinem zweiten Balkon zu rauchen.
Das Gericht entschied zugunsten des Nichtrauchers. Dessen Wohnungseigentum werde durch den Zigarettenrauch von nebenan beeinträchtigt, er könne eine Unterlassung dieser Störung fordern. Ist ein Betreten des zweiten Balkons nicht möglich, könne der Raucher nachts bei offenem Fenster rauchen oder vor die Tür gehen (Az.: 2-09 S 71/13). Das Urteil ist eine Besonderheit, da der Balkon für gewöhnlich in der Rechtsprechung als ein Teil der Wohnung bewertet wird. Das Recht, auf dem Balkon zu rauchen, gilt bei den Gerichten als ein Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
Ist Rauchen in der eigenen Wohnung erlaubt?
Generell ist das Rauchen in der Wohnung nicht verboten. Zumindest solange es nicht über den vertragsgemäßen Gebrauch einer Mietwohnung hinausgeht. Kritisch wird es jedoch, wenn sich die Nikotinspuren durch normale Schönheitsreparaturen nicht mehr beseitigen lassen, sondern darüber hinausgehende Instandsetzungsarbeiten erfordern.
Darüber hinaus muss der Raucher, so das Amtsgericht in München, "geeignete Maßnahmen [...] treffen, um zu verhindern, dass aus seiner Wohnung [...] sowie von dem zu dieser Wohnung gehörenden Balkon Zigarettenrauch in die Wohnung der Klägerin [...] dringt." Dafür legten die Amtsrichter Zeiten fest, zu denen die Beklagte ihre Wohnung nicht lüften und nicht auf dem Balkon rauchen darf. Das solle verhindern, dass Rauch in die Nachbarwohnungen zieht. Begründet wurde dies mit dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme (Az.: 485 C 28018/13).
Müssen Raucher Rücksicht nehmen?
Der BGH bestätigte das Urteil über die gegenseitige Rücksichtnahme zwischen rauchenden und nicht rauchenden Mietern (Az.: VIII ZR 186/14). So kann beispielsweise eine Kündigung des Mietverhältnisses drohen, wenn in der Wohnung nicht mehr gelüftet wird, sondern der Zigarettenqualm durch die Wohnungstür ins Treppenhaus zieht. Dadurch kann es zu einer Geruchsbelästigung kommen. Der Aufforderung der Vermieterin, das Lüftungsverhalten zu ändern, kam der betroffene Raucher nicht nach, weshalb sie ihm das Mietverhältnis kündigte.
Der Vermieter eines Mehrparteienhauses müsse es nicht dulden, wenn Zigarettenrauch im Treppenhaus zu einer unzumutbaren und unerträglichen Geruchsbelästigung führe, so die Richter. Der Schutz der körperlichen Unversehrtheit der weiteren Mieter sei insoweit gegenüber der allgemeinen Handlungsfreiheit des Beklagten vorrangig. Besonders wenn der Raucher dies durch "einfache und zumutbare Maßnahmen" verhindern kann.
Aber Achtung: Die Richter haben das Recht, in der eigenen Wohnung zu rauchen, ausdrücklich anerkannt. Es sei von dem vertragsgemäßen Gebrauch einer Mietwohnung gedeckt. Der rauchende Mieter habe aber seine Pflichten zur Rücksichtnahme verletzt.
Nichtraucherklauseln im Mietvertrag haben nicht immer Bestand
Vermieter können das Rauchen in der Wohnung nicht einmal über den Mietvertrag zuverlässig unterbinden. Zwar entschied das Amtsgericht Nordhorn, dass eine individuell ausgehandelte Nichtraucherklausel wirksam ist (Az.: 3 C 1440/00), jedoch gibt es auch anders lautende Gerichtsurteile. Die Amtsrichter in Albstadt beispielsweis sahen eine entsprechende Vertragsklausel als nichtig an. Ein höchstrichterliches Grundsatzurteil zur Zulässigkeit von Nichtraucherklauseln im Mietvertrag gibt es bislang nicht. Generell haben individuell ausgehandelte Klauseln bessere Chancen, von Gerichten akzeptiert zu werden als fixe Klauseln in einem Formularmietvertrag.
Selbst wenn der Vermieter ausdrücklich nach einem Nichtraucher als Mieter sucht, schließt dies das spätere Rauchen in der Wohnung nicht aus (Az.: 16 S 137/92). Denn gelegentliches Rauchen sei trotz Unwissenheit nicht zu einer Anfechtung des Vertrages ausreichend.
Mietminderung wegen Rauchbelästigung?
Ob eine Mietminderung wegen Rauchbelästigung zulässig ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Das Hamburger Landgericht gestattete in seinem Urteil einem Mieter, seine monatlichen Zahlungen um fünf Prozent zu kürzen, weil der sich durch das Rauchverhalten der unter ihm wohnenden Nachbarn belästigt fühlte (Az.: 1 S 92/10). Die Geruchsbelästigung, die von den rauchenden Nachbarn ausging, werteten die Richter dabei als "erheblichen Mangel".
Die Richter gingen davon aus, dass die direkt unter der Mietwohnung lebenden Nachbarn in der Zeit zwischen 7.00 Uhr morgens und 23.00 Uhr abends stündlich zwei Zigaretten auf ihrem Balkon rauchten. Bei normalen Witterungsverhältnissen sei davon auszugehen, dass der Rauch nach oben ziehe und bei geöffnetem Fenster in die Wohnung des Nichtrauchers dringe. Den Zigarettenrauch hätte dieser nicht ohne Weiteres weglüften können, weil er aufgrund des starken Rauchverhaltens der Nachbarn jederzeit damit rechnen musste, dass wieder Rauch heraufsteige.
Die Minderung löse allerdings nicht das Problem. Der ungesunde Qualm zieht weiter in die Wohnung des Nichtrauchers und der Vermieter kann den Mangel nicht abstellen, weil er gegen den Raucher keine Handhabe hat.
Auch das Landgericht Berlin sieht die Rauchbelästigung als Einschränkung. Müssen andere Mieter nachts in ihrem Schlafzimmer Geruchsbelästigungen ertragen, überschreitet dies das erträgliche Maß, befand das LG Berlin (Az.: 65 S 362/16).
In Gemeinschaftsräumen kann das Rauchen verboten werden
Allerdings dürfen Raucher ihrem Laster in einem Mietshaus auch nicht überall ungehemmt frönen. Besonders auf den Gemeinschaftsflächen ist ein Rauchverbot zulässig. Das heißt: Im Treppenhaus, im Keller, in der Waschküche, im Fahrstuhl oder in der Tiefgarage dürften durchaus Verbotsschilder angebracht werden, die von Rauchern beachtet werden müssen.
Auch über die Hausordnung kann das Rauchen in Gemeinschaftsräumen verboten werden. Im Mietshaus kann der Eigentümer über solche Verbote entscheiden, in einem Mehrparteienhaus mit Eigentumswohnungen die Eigentümerversammlung.
- Nachrichtenagentur dpa
- Stiftung Warentest: "Gut beraten im Nachbarschaftsrecht", ISBN 978-3747103265