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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Spekulationen in der Formel 1 Traut Sebastian Vettel sich das?
Der viermalige Weltmeister kokettiert mit einer Rückkehr in die "Königsklasse". Wie realistisch ist ein Comeback von Sebastian Vettel aber wirklich?
So richtig Fahrt herausnehmen konnte – oder wollte – Toto Wolff nicht. "Es ist viel zu früh, um uns auf einen Fahrer festzulegen. Die nächsten Monate werden uns ein paar Erkenntnisse bringen", sagte der Mercedes-Teamchef im Vorfeld des Grand Prix von Japan in Suzuka unter der Woche. Ein offizielles Dementi gab es vonseiten der Silberpfeile also noch nicht – und so kursiert weiter ein großer Name im Fahrerlager der Formel 1: Sebastian Vettel.
Der viermalige Weltmeister, der erst 2022 seine Karriere in der "Königsklasse" beendet hat, wird seit geraumer Zeit mit einem Comeback in Verbindung gebracht – und mit dem Sensationswechsel von Lewis Hamilton zu Ferrari wäre im kommenden Jahr ein Top-Cockpit theoretisch frei. Zwar werden anderen Fahrern – allen voran gilt Weltmeister und Topstar Max Verstappen weiter als Wolffs Wunschkandidat, auch der erst 17-jährige Kimi Antonelli aus dem Mercedes-Nachwuchs wird gehandelt – mindestens genauso große Chancen eingeräumt, Vettels Name hält sich aber hartnäckig.
"Sebastian ist jemand, den man bei so etwas nie ausschließen kann. Seine Erfolgsbilanz ist phänomenal", sagte auch Wolff. Die Auszeit könne sich positiv auswirken. "Manchmal ist es gut, eine Pause zu machen, um zu erkennen, was einem wichtig ist und Motivation zu finden", sagte Wolff.
Doch wie realistisch ist ein Vettel-Comeback in der Formel 1 wirklich? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was spricht für eine Rückkehr?
Fest steht: Vettel hat noch – oder wieder – Lust. Der 36-Jährige sprach zuletzt vermehrt über seine Gedanken an ein Comeback. "Natürlich denkt man mal darüber nach und liebäugelt", sagte der Routinier Ende März bei RTL. "Und natürlich gibt es gewisse Dinge, die mir fehlen." Und weiter: "Ich glaube, die vergangenen Tage hinterm Lenkrad haben das irgendwo auch gezeigt" – zum Zeitpunkt des Interviews testete Vettel gerade ein Auto für den 24-Stunden-Klassiker von Le Mans.
Allerdings merkte er auch an: Der Punkt, dass er sich wirklich für ein Comeback bereit fühle, sei noch nicht erreicht. Ob ihn ein Engagement bei Mercedes reizen würde? "Es müssen ein paar Gespräche geführt und Telefonate gemacht werden, um mehr herauszufinden. Aber es ist mit Sicherheit eines der besten Cockpits in der Startaufstellung", sagte Vettel erst an diesem Mittwoch bei Sky. Und schob vielsagend nach: "Man weiß nie, wohin das Leben einen führt, vielleicht bringt es mich zurück hinter das Steuer, vielleicht auch nicht." Die Frage bleibt also: Will er wirklich?
Was spricht gegen eine Rückkehr?
Vettels 2022 gefasster Vorsatz. Denn er trat aus wohlüberlegten Gründen zurück. "Meine Leidenschaft für die Formel 1 geht einher mit einem hohen Zeitaufwand. Zeit, die ich mit meiner Familie verbringen möchte", erklärte der dreifache Familienvater in seiner emotionalen Rücktrittsnachricht 2022. Und weiter: "Mich der Formel 1 so zu widmen, wie ich es in der Vergangenheit getan habe, wie ich es für richtig halte, und ein guter Vater und Ehemann zu sein, passen für mich nicht mehr zusammen. Meine Ziele haben sich verändert. Weg von Rennsiegen und um Meisterschaften zu kämpfen, hin zu meinen Kindern. Ich möchte sie aufwachsen sehen."
Dazu kommt: Der Rennkalender ist seit Vettels Rücktritt nochmals voller geworden, mittlerweile umfasst eine Formel-1-Saison 24 Grand Prix. Ein Comeback widerspräche allen Vorsätzen, mehr Zeit für Familie und weitere Verpflichtungen zu haben – Vettel engagiert sich etwa leidenschaftlich für Nachhaltigkeit.
Vettel und Mercedes – würde das überhaupt passen?
Vettel wäre nach Michael Schumacher (2010 – 2012) und Nico Rosberg (2010 – 2016) bereits der dritte deutsche Fahrer bei den "Silberpfeilen" in den letzten 20 Jahren. Vettel und Mercedes, der viermalige Weltmeister und das Traditionsteam – das klingt für Fans zunächst wie eine Traum-Kombination. Nach dem Hamilton-Wechsel wäre es der nächste Hammer für die Rennserie. "Es wäre einfach fantastisch, wenn er zurückkommt. Er würde super in das Team passen", sagte Hamilton folgerichtig vor dem Großen Preis von Japan über seinen langjährigen Weggefährten. Vettel vertrete auch starke Werte und wäre eine Bereicherung für Mercedes.
Auch der zweite aktuelle Mercedes-Pilot zeigte sich vom Gedanken angetan: Vettel sei "ein großartiger Mensch, und er ist ein vierfacher Weltmeister. Und man kann sicherlich sagen, dass man ihn in der Startaufstellung vermisst", sagte George Russell unter der Woche. Er selbst sei "für jeden Teamkollegen offen, ob es nun ein Weltmeister oder ein Rookie ist, das ändert nichts an der Art und Weise, wie ich meine Arbeit verrichte."
Aber: Vettels große Erfolge – die vier WM-Titel mit Red Bull von 2010 bis 2013 – liegen bereits über zehn Jahre zurück. Sowohl bei Ferrari (2015 – 2020) als auch bei Aston Martin (2021 – 2022) gab er oftmals eine unglückliche Figur ab. Besonders bei der "Scuderia" konnte er die hohen Erwartungen, nach jahrelanger Durststrecke wieder einen Titel einzufahren, nie erfüllen. Vettels letzter Rennsieg ist bereits fast fünf Jahre her, im September 2019 triumphierte der Hesse beim Großen Preis von Singapur.
Und: Die Konkurrenz ist groß. Weltmeister Verstappen ist als Königslösung ohnehin um jeden Zweifel erhaben. Der junge Antonelli, der gerade in der Formel 2 startet, gilt als Top-Talent, ist noch nicht einmal volljährig. Auch Carlos Sainz, den Hamilton 2025 bei Ferrari ersetzen wird und der wiederum vereinzelt auch mit einem Wechsel zu Mercedes in Verbindung gebracht wird, ist erst 29. Vettel dagegen ist nun schon zwei Jahre raus aus dem aktiven Renngeschehen, müsste sich erst wieder komplett akklimatisieren.
Dass Alter und eine jahrelange Pause aber nicht zwangsläufig Gegenargumente sein müssen, beweisen die ebenfalls gehandelten Nico Hülkenberg (Haas) und Fernando Alonso (Aston Martin). Hülkenberg ist ebenfalls 36, Alonso sogar bereits 42 Jahre alt – und beide scheinen noch durchaus zum einen oder anderen Achtungserfolg in der Lage.
Welche Teams kämen noch in Frage?
Mercedes ist klar die hochkarätigste Option für Vettel. Allerdings kursiert sein Name auch im Umfeld von Sauber, das 2026 zu Audi wird. Sowohl Valtteri Bottas als auch Zhou Guanyu haben ihr Cockpit für die kommende Saison längst nicht sicher, die Verträge beider Fahrer laufen nach der aktuellen Saison aus – und bei beiden ist unsicher, ob die Arbeitspapiere verlängert werden.
Denn Bottas konnte seit seinem Wechsel zum Team 2022 – wenn auch in unterlegenen Autos – nur selten überzeugen, auch im internen Duell mit dem Chinesen. Dessen Vertrag wiederum wurde erst im vergangenen September um ein Jahr verlängert, dem Vernehmen nach braucht der 24-Jährige ein starkes Jahr, um weiter bleiben zu können. Danach sieht es aktuell nicht aus.
Vettel könnte mit einem Jahr Vorlauf ab 2026 dann das Gesicht des Teams werden, wenn Audi debütiert. Spannend dazu: Audis Formel-1-Chef Andreas Seidl kennt und schätzt Vettel bereits aus der gemeinsamen Zeit bei BMW Sauber 2007, als Vettel Nachwuchsfahrer und Seidl Ingenieur war. Allerdings: Auch bei Sauber/Audi hätte Vettel Konkurrenz – denn auch hier sind Sainz und Hülkenberg im Gespräch.
Selbst ein Comeback bei seinen früheren Teams Red Bull (sollte Verstappen bleiben und Sergio Perez weiter wackeln) oder Aston Martin (im Falle eines Alonso-Wechsels) ist nicht ganz ausgeschlossen, aber eher unwahrscheinlich. Zuallererst aber muss sich Sebastian Vettel selbst entscheiden, ob er die Rückkehr in die Formel 1 wirklich wagen will.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa