Wie wird der Herbst? Plötzlich gibt es bei Corona wieder "besorgniserregende Trends"
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Das Robert Koch-Institut verzeichnet eine Welle von Atemwegserkrankungen, ungewöhnlich früh in der Herbst-/Wintersaison. Steckt wieder Corona dahinter?
Erstmals seit Auftreten des neuartigen Coronavirus SARS-CoV2 gibt es in diesem Herbst (bislang) keine strengen Eindämmungsmaßnahmen mehr. Im Mai hob die WHO die "Gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite" auf. Nun warnte die Weltgesundheitsorganisation am Mittwoch vor steigenden Corona-Zahlen auf der Nordhalbkugel. "Im Vorfeld der Wintersaison auf der nördlichen Erdhalbkugel beobachten wir weiterhin besorgniserregende Covid-19-Trends", sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus in Genf.
Auf dem amerikanischen Kontinent, in Europa und in Asien kommt es zu mehr Krankenhausaufenthalten. "Wir schätzen, dass derzeit Hunderttausende Menschen wegen Corona in Krankenhäusern behandelt werden", erklärte Maria Van Kerkhove, die oberste Corona-Expertin der WHO.
Wie gefährlich ist die Situation in Deutschland?
Laut dem aktuellen Wochenbericht der Arbeitsgemeinschaft Influenza, die auch Covid-19 monitort, wurden in der 35. Kalenderwoche (28. August bis 3. September) 5.102 bestätigte Corona-Infektionen an die Behörde gemeldet. Das Coronavirus wurde bei diesen Menschen mittels eines PCR-Tests nachgewiesen. Doch die Dunkelziffer dürfte weit höher sein, denn längst wird nicht mehr flächendeckend getestet und das Gros der Infektionen bleibt somit unbestätigt. Experten gehen von einer bis zu 90-prozentigen Dunkelziffer aus.
Auch die Abwasserkontrollen in den Kläranlagen belegen eine ansteigende Viruslast. Dominant – mit einem Anteil von 46 Prozent am Infektionsgeschehen – ist weiterhin EG.5 ("Eris"), eine Subvariante der Omikron-Linie XBB.1.5, die seit Frühjahr in Deutschland vorherrschend ist. Die gute Nachricht: Die Mutante "Pirola", die Experten weltweit besonders besorgt, wurde noch nicht nachgewiesen. Mehr zu der neuen Variante lesen Sie hier.
Corona hat den höchsten Anteil an den Infektionen
Das RKI meldet zudem in der besagten Kalenderwoche 5,2 Millionen aktuell akute Atemwegsinfektionen in der Bevölkerung (Inzidenz: 6.200 Infektionsfälle pro 100.000 Einwohner). Eine durchaus nicht ungewöhnliche Zahl, doch das allgemeine Husten und Schniefen kommt derzeit etwas früher als üblich.
Deutlich wird zudem: SARS-Co2 macht den höchsten Anteil am Infektionsgeschehen aus. In 17 Prozent der eingesandten Proben wurde das Virus als Urheber einer Atemwegsinfektion nachgewiesen. Allerdings war die Gesamtzahl der Proben vergleichsweise niedrig.
Dahinter folgen Rhinoviren, die für die klassischen Erkältungssymptome sorgen und meist keinerlei Folgen haben. Und auch Parainfluenzaviren grassieren derzeit. Sie machen aber eher im Kindesalter Probleme und sind für Erwachsene in der Regel harmlos.
Wie ist die Lage in den Krankenhäusern?
Klar ist: Mit steigenden Infektionszahlen kommt es auch wieder zu mehr schweren Verläufen, zum Beispiel auch infolge von Durchbruchsinfektionen. Nach Auskunft von Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) wird derzeit ein großer Teil der gut 180 Corona-Patienten auf Intensivstationen wegen anderer medizinischer Probleme behandelt.
Heißt: Die Patienten kamen mit einer anderen Erkrankung und wurden zusätzlich positiv getestet. Aktuell sei die Lage stabil, so Kluge. Dennoch mahnen die Mediziner erneut den akuten Personalmangel in den Kliniken an: Aktuell sei deswegen rund ein Viertel der Intensivbetten nicht nutzbar.
Wie ist der Ausblick?
Die Experten gehen derzeit nicht davon aus, dass sich die Lage so verschärfe, dass wieder massive Eindämmungsmaßnahmen verhängt werden müssten. Die Immunität der Bevölkerung gegen das Virus ist durch Impfung und/oder Infektion sehr hoch.
Die Ständige Impfkommission und andere Experten empfehlen aber Menschen über 60 Jahren, Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen und Menschen mit Vorerkrankungen alle zwölf Monate eine Booster-Impfung, vorzugsweise im Herbst. Diese sollten sie nun dringend durchführen, ab 18. September steht der neue angepasste Impfstoff in den Arztpraxen zur Verfügung. Die Empfehlung gilt auch für medizinisches und Pflegepersonal, das durch seine Arbeit ein erhöhtes Infektionsrisiko hat.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- RKI-Wochenbericht 35. Kalenderwoche
- Nachrichtenagentur dpa
- Science Media Center
- Eigene Recherche