Genfer Autosalon 2024 Nur noch ein Schatten seiner selbst
Früher war der Autosalon in Genf eine feste Adresse für spannende Neuheiten aus der Autowelt. Beim Rundgang zeigt sich: Die Messe hat ihre besten Jahre hinter sich.
Es wirkt ein wenig wie das letzte Aufbäumen. Nach vier Jahren Corona-gbedingter Pause trifft sich die Branche wieder auf dem zentral am Genfer Flughafen gelegenen Messegelände. Doch beim Blick von der großen Treppe der Halle 4 ist schnell zu sehen: Vom einstigen Glamour des Genfer Automobilsalons ist nicht allzu viel geblieben.
Wo sich früher die Volumenhersteller von Alfa Romeo bis Volvo den engen Raum mit teuren Tunern, Exoten und Herstellern von Hypercars teilten, sind die Stände und Gänge am Pressetag zwar gut gefüllt. Aber den Trubel und die Aufregung der Vor-Corona-Jahre kann "Auto.Future.Now", wie der Salon heute heißt, nicht verzeichnen.
Eine statt fünf Hallen
Woran liegt’s? Nach den überstürzten Absagen der vergangenen Jahre hatten es sich die Organisatoren mit etlichen Herstellern verscherzt. Sie lassen Genf nun links liegen. Wer sich für stramme 25 Franken Eintritt einen Überblick über das bunte Treiben der weltweiten Automobilbranche verschaffen will, ist hier also eher fehl am Platz. Von einst fünf Hallen schrumpfte die Messe auf eine, und von den europäischen Automarken sind lediglich Renault und Dacia vor Ort. Außerdem läuft der Salon nur noch sieben statt früher elf Tage lang.
Die beiden französischen Marken dominieren die Halle. Renault lässt in Genf den R5 als Elektro-Nachfolger des einstigen Kultmobils der 70er- und 80er-Jahre wieder auferstehen, weshalb an dem für Genfer Messeverhältnisse riesigen Stand richtig was los ist – die kunterbunten Elektroflitzer wirken wie ein Magnet auf die internationale Presse. Und bei Dacia steht die Neuauflage des ebenfalls elektrischen Spring im Mittelpunkt.
Strahlkraft hat nachgelassen
Aber so international wie in den Vor-Corona-Jahren ist der Medientrupp gefühlt ja auch nicht mehr. Dass die Strahlkraft von Automessen allgemein nachgelassen hat, war in den letzten Jahren allerorts zu spüren, auf dem Pariser Autosalon ebenso wie auf der IAA in München. Genf als erste große europäische Automesse des Jahres zog jedoch immer. "Der Genfer Salon gehörte zu meinen beliebtesten Automessen", sagt beispielsweise Frank Mertens, Chefredakteur der "Autogazette". "Kurze Wege, eine entspannte, fast schon familiäre Atmosphäre – auf wenigen Messen kam man so gut mit den Herstellern ins Gespräch wie hier."
Und auch die Industrie buchte gerne. Auf neutralem Boden hatte eben keiner einen Heimvorteil. Jede Marke brannte darauf, hier ihre Highlights und Weltpremieren zu präsentieren. "Für mich war der Genfer Salon über Jahrzehnte hinweg eine angenehme Pflichtveranstaltung mit hohem Publikumsinteresse und großer Medienresonanz, der automobile Auftakt des Jahres", blickt Reinhard Zirpel, Präsident des Verbands der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK), auf seine Genfer Jahre zurück.
Newcomer nutzen ihre Chance
Und 2024? Kein BMW, kein Mercedes, kein Porsche. Dafür nutzen einige Newcomer die Chance, sich zu präsentieren. Die US-amerikanische Marke Lucid etwa oder MG Motor als nicht mehr ganz so neuer Hersteller. Und natürlich BYD. Die chinesische Marke hatte 2023 mit über drei Millionen Autos schon wieder einen neuen Verkaufsrekord aufgestellt und ist nun auf dem Sprung in die Schweiz. Mit gleich vier Welt- und Europapremieren feiern sich die Chinesen am Genfer See, zeigen neben ihren Alltagsmodellen auch Exoten wie den U8 der Submarke Yangwang. Der 5,32 Meter lange Luxus-Offroader mit 1.100 PS knackt in 2 Sekunden die 100 km/h-Marke, kann 1,40 Meter tiefe Bäche durchschwimmen und auf der Stelle drehen.
Genau wegen solcher spektakulären Auftritte liebte die Branche den Genfer Salon. Das Publikum ergötzte sich an Spinnertem, Schrägem und Verrücktem, ob als Prototyp oder Kleinserie. Alles strömte nach Genf der großen Show wegen. Exoten wie der 2019 gezeigte Pal-V Liberty, das erste Serien-Flugauto der Welt, oder der elektrische Threewheeler EV3, den Morgan 2016 präsentierte, ließen die Augen leuchten. Und was ist eigentlich aus der Liechtensteiner Marke Quant geworden? Auf jedem Genfer Salon konnte man nachverfolgen, welchen Fortschritt der Flusszellenantrieb von Jahr zu Jahr gemacht hat, den die Tüftler aus der Alpenrepublik entwickelten.
"Heute verfolgen die Hersteller unterschiedliche Wege der Kundenansprache. Viele große Automobilmessen haben diese Erfahrung machen müssen", sagt VDIK-Präsident Zirpel und meint damit auch die Social-Media-Aktivitäten, die teure Messeauftritte überflüssig machen. Im Jahr 2024 reduziert sich der Genfer Unterhaltungsfaktor auf wenige, sicher nicht uninteressante Marken. Ob das für die Zukunft genügt, ist eher fraglich.
- Nachrichtenagentur SP-X