Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Kritik an Bundestrainer Hansi Flick Vielleicht hat Jürgen Klopp recht
Bundestrainer Hansi Flick überrascht mit einer Entscheidung und macht sich angreifbar. Das grundlegende Problem ist aber ein anderes – und wird schwer zu lösen sein.
Auch ich war überrascht von der Nachricht: Leon Goretzka wurde nicht für die beiden kommenden Länderspiele nominiert. Diese Entscheidung kommt unerwartet, weil er doch eigentlich eine gute Vorbereitung absolviert hat und in den ersten zwei Saisonspielen für den FC Bayern zu den besten Spielern der Münchner gehörte. Er hat den Kampf gegen Neuzugang Konrad Laimer angenommen und sich, Stand jetzt, offenbar durchgesetzt – eigentlich spricht das alles für eine Nominierung. Jetzt kommt es darauf an, wie er damit umgeht. Ich gehe davon aus, dass er das als Motivation sehen wird, um spätestens im Herbst bei den nächsten Länderspielen wieder Teil der DFB-Elf zu sein. Wenn er weiter seine Leistung bringt, dann sollte das auch so passieren.
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Dass beispielsweise Timo Werner nicht nominiert wurde, kann ich dagegen nachvollziehen, da fehlt es aktuell an einigem. Es ist in diesem Zusammenhang wirklich wichtig, dass das Leistungsprinzip bei der Nationalmannschaft auch bis zur EM bestehen bleibt. Übrigens muss sich Bundestrainer Hansi Flick nicht über Mutmaßungen aufregen, es würde eben nicht nach Leistung nominiert. Man muss es so deutlich sagen: Das war in der Vergangenheit ja offensichtlich. Und auch hier muss er sich die Frage gefallen lassen, was er sich mit der Goretzka-Entscheidung gedacht hat – denn wenn es wirklich nach der Leistung gegangen wäre, hätte er ihn mitnehmen müssen. Offen gesagt: Das verstehe ich nicht.
Diese Wirklichkeit müssen wir akzeptieren
Ein weiterer Satz von Flick ist mir aber besonders aufgefallen: "Es ging darum, wer sein Ego hinten anstellt", erklärte er seine Personalentscheidungen. Damit zielt er offensichtlich auf die nicht Nominierten ab. Natürlich kann er das besser beurteilen. Aber: Das wirft kein gutes Licht auf die betroffenen Spieler.
Auf der anderen Seite muss man aber auch erkennen: Die Auswahl ist begrenzt. Das ist einfach die Realität. Früher musstest du über einen längeren Zeitraum auf höchstem Niveau performen, um nominiert zu werden. Das ist heute kaum noch der Fall, Flick hat eben kein Überangebot an Spielern, aus dem er schöpfen kann. Er ist nicht in der Situation, zu sagen: "Eigentlich könnte ich auch 30 Spieler nominieren, die Jungs machen es mir echt schwer" – das Gegenteil ist der Fall. Diese Wirklichkeit müssen wir aktuell akzeptieren. Auch deshalb sollten wir die Erwartungen etwas herunterschrauben, auch wenn in ein paar Monaten die EM im eigenen Land ist.
Ein Punkt ist mir dabei auch wichtig: Die Spieler können sich nicht hinstellen und Euphorie und Begeisterung der Fans einfordern – die müssen sie sich verdienen. Das haben sie bis heute nicht geschafft. Da sind die Zuschauer sehr sensibel, die merken das.
Ein grundsätzliches Problem
Gegen Japan und Frankreich erwarte ich – völlig losgelöst von Ergebnissen – ganz einfache Dinge: Ein richtiges Team zu sehen, das alles auf dem Platz lässt, dass man danach sagen kann: "Die Jungs haben alles gegeben." Eine Mannschaft, die sich gegen Niederlagen stemmt, die sich selbst hinterfragt, die sich damit auseinandersetzt, wie sie sich weiterentwickeln kann. Das fordere ich von den Spielern.
Hinzu kommt: Aus dem Nachwuchs, aus der U21, macht niemand wirklich Druck. Da sind nicht zwei, drei Spieler dabei, bei denen du denkst: "Wow, die haben jetzt auch mal eine Nominierung verdient." Und da kommen wir zu einem grundsätzlichen Problem in der Entwicklung des deutschen Fußballs: Wir sind schon so weit, dass es schwer ist, 23 Spieler für die A-Nationalmannschaft zu nominieren, die alle ein hervorragendes Niveau haben. Das gibt es bei uns nicht mehr.
Es besteht ein großes Defizit in der Ausbildung junger Talente. Der DFB versucht dem mit Hannes Wolf als neuem Direktor durch Trainingsprogramme und neue Spielformen entgegenzuwirken. Ob das so alles funktioniert? Es hört sich alles gut an, es wird auch eine Verbesserung geben – aber es müssen auch wieder andere Tugenden an den Tag gelegt werden, um erfolgreich Fußball zu spielen. Und dazu gehört auch das ganz einfache Fußball-ABC, was es schon vor 50, 60 Jahren gab. Wenn immer nur über Trainingsprogramme und Intensität gesprochen wird, dann ist das zwar auch absolut richtig, aber es gehören auch in der heutigen Zeit diese Tugenden dazu, die uns früher immer ausgezeichnet haben.
Und da ist die Frage: Wie willst du diese Tugenden wieder hereinbekommen – und wie willst du das trainieren, dass andere Nationalmannschaften auch wieder Respekt vor der deutschen Elf haben? Das erfordert Zeit. Wenn das jetzt bei den Acht- bis Zehnjährigen trainiert würde, dann müssten wir zehn Jahre warten – mit der Hoffnung, dass es funktioniert und wir eine andere Nationalmannschaft sehen. Ein Faktor sollte aber nicht vergessen werden: Auch der einzelne Charakter ist mit entscheidend für die Entwicklung, und das kannst du nicht über irgendwelche Einheiten oder Spielformen trainieren.
Fehlt die "Gier"?
Warum das Länder wie Frankreich besser hinbekommen als wir? Jürgen Klopp verwendet gerne den Begriff "Gier" – und vielleicht ist es das tatsächlich. Diese Gier, dieser Wille, wirklich etwas zu erreichen mit der Nationalmannschaft, muss wieder da sein.
Und es fängt schon ganz früh an. Die Meldung, der DFB wolle im Jugendbereich Ergebnisse und Tabellen abschaffen, wurde zuletzt viel diskutiert. Ich finde das bei Fünf-, Sechs-, Sieben-, Achtjährigen nicht verkehrt – aber: Wann ist danach der richtige Zeitpunkt, das einzuführen? Ich finde, zwischen zehn und zwölf Jahren solltest du lernen, was es heißt, zu verlieren, und damit richtig umzugehen, um besser zu werden, oder das besonders Positive aus Siegen zu ziehen. Das zu erreichen, ist die größte Herausforderung für den deutschen Fußball, um wieder auf ein hohes Level zu kommen.
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Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das bereits in der Schule beginnt. Ich hatte als Kind früher eine Stunde Sportunterricht, am Freitagmorgen die Frühstunde. Da sind viele gar nicht erschienen, weil sie dachten "das brauche ich eh nicht", oder weil es ihnen zu früh war.
Wir haben zu viele Baustellen
Das ist dann der Unterschied zu Ländern wie den USA: Wie hochintensiv dort trainiert wird – ob Baseball, Basketball, Football oder auch Lacrosse. Wie die Jungen schon während der Schulzeit geführt werden, dann ein Stipendium bekommen, von Spitzencolleges umworben werden, wo sie dann vor 80.000 Zuschauern spielen. So bekommen sie schon in jungen Jahren die Einstellung vermittelt, das eigene Niveau nicht nur zu halten, sondern stetig an sich zu arbeiten, um sich weiter zu verbessern und Ziele zu erreichen – kein Vergleich zur Lage in Deutschland.
An unseren Schulen ist das doch ein massives Problem. Wenn ich das hier schon sehe, dass bei den Bundesjugendspielen jetzt auch der Wettbewerbsgedanke abgeschafft wurde und nur noch das Motto "Dabeisein ist alles" zählen soll – das ist totaler Quatsch. Dann doch lieber nicht teilnehmen. Es muss doch weiterhin eine gewisse Art der Bewertung und Belohnung geben, um Persönlichkeit und Charakter zu formen und zu stärken.
Wir haben zu viele Baustellen und Probleme in unserem System. Wenn du in einem kleinen Verein bist, in dem der Trainer vielleicht fünf-, sechsmal im Monat aus zeitlichen Gründen gar nicht dabei sein kann – dann ist das alles, nur nicht leistungsfördernd. Und das betrifft nicht nur den Fußball – was in der deutschen Leichtathletik geschieht, das haben wir gerade erst bei der WM gesehen. Ich nehme gerne Eishockey und Handball als Beispiele – die können mich noch begeistern, weil die Spieler offensichtlich alles reinwerfen und mit vollem Einsatz unser Land vertreten. Ist es wirklich die Tatsache, dass diese Sportler viel mehr für ihr Geld kämpfen müssen als Fußballer? Dann ist es eine Einstellungssache, und dann müssen wir uns wirklich Gedanken machen.
Dortmund? Da kann alles passieren
Gedanken machen muss sich zumindest der FC Bayern nicht, wenn er auf die Champions-League-Auslosung blickt. Ich gehe davon aus, dass man sich als Gruppenerster durchsetzt, wenn man es gewohnt seriös angeht. Da mache ich mir keine Gedanken. Gegen Manchester United sahen die Münchner – bis auf das Finale 1999 – in der Königsklasse immer gut aus, und der FC Kopenhagen und Galatasaray sind, bei allem Respekt, auch mindestens lösbare Aufgaben.
Borussia Dortmund hat die schwierigste Konstellation erwischt. Paris, Milan, Newcastle – ich würde sagen: Wie der BVB in dieser Gruppe abschneidet, wird wegweisend sein für den Rest der gesamten Saison. Diese Duelle werden den Verlauf der Spielzeit für die Dortmunder maßgeblich beeinflussen. Wenn es ganz dumm läuft, dann fliegen sie als Gruppenletzte raus. Aber: Da kann alles passieren. Und Dortmund kann sich da jetzt auch zeigen, wenn sie wirklich weiterkommen wollen – und beweisen, dass sie wirklich den nächsten Schritt gegangen sind.
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RB Leipzig dagegen wird ins Achtelfinale einziehen, trotz Titelverteidiger Manchester City als Gegner, der Rest der Gruppe mit Roter Stern Belgrad und den Young Boys Bern ist aber mehr als machbar. Ich bin auch gespannt, wie sie sich dieses Jahr gegen City präsentieren, die Duelle in den vergangenen Jahren waren teils spektakulär. Spannend ist die Gruppe von Union Berlin mit der SSC Neapel und Real Madrid. Ich glaube, wir alle würden den Hauptstädtern das Achtelfinale wünschen, aber die Tendenz geht doch klar in Richtung Platz drei und Europa League.
- Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
- Eigene Beobachtungen