AFA-Alge gegen ADHS Nicht immer bietet die Natur die bessere Lösung
ADHS statt mit Ritalin mit einem Mittel aus der Natur behandeln zu können, klingt verlockend. Die AFA-Alge wird mit sehr großen Versprechungen beworben. Doch ist sie wirklich so harmlos? Das ist dran an der Heilkraft der Alge.
Algen scheinen die Pflanzen der Zukunft zu sein. Energie, Gesundheit und ein langes Leben werden versprochen, wenn man täglich Chlorella, Spirulina und Co. einnimmt. Sie sollen den Darm entgiften, das Immunsystem stärken und Mineralstoffe in Hülle und Fülle enthalten. All dies soll nicht nur bei vielen Krankheiten, sondern auch bei Störungen wie ADHS wahre Wunder bewirken. Vor allem Eltern, die Bedenken haben, ihrem Kind künstlich hergestellte Medikamente wie Ritalin oder Medikinet zu geben, erhoffen sich viel von pflanzlichen Mitteln.
AFA-Alge weckt Hoffnungen
AFA ist die Abkürzung von Aphanizomenon flos-aquae, auch Grüne Spanalge genannt. Befürworter sprechen von einer deutlichen Steigerung der Konzentration und von einer Verbesserung des sozialen Verhaltens. Das angebliche Wundermittel AFA-Alge, auch Uralge oder englisch Bluegreen genannt, stammt aus dem Klamath-See in den USA, dessen Algen seit Tausenden von Jahren Spurenelemente aus Vulkanasche aufnehmen. Sie sollen gute Lieferanten für zahlreiche Nährstoffe sein. In ihnen enthaltene Eiweiße sollen sogar Umweltgifte binden und abtransportieren können.
Die AFA-Alge hat viele Anhänger
Barbara Simonsohn, Autorin der Bücher "Hyperaktivität – Wenn Ritalin keine Lösung ist" und "Die Heilkraft der AFA-Alge", hat bei ihrer Recherche einige Studien ausgewertet und selbst eine mit rund 50 Familien durchgeführt. "Die Ergebnisse waren hervorragend", sagt sie gegenüber t-online.de/eltern.
Simonsohn, selbst Mutter eines "Zappelphilipps", ist überzeugt von der Wirkkraft der Algen: Schulnoten verbesserten sich, Impulsivität und Wutanfälle nahmen ab, das Familienleben soll harmonischer geworden sein. Simonsohn rät, die AFA-Alge nicht nur bei Problemen, sondern grundsätzlich als Nahrungsergänzung zu verwenden.
Freiverkäufliche Produkte sind nicht immer ungefährlich
Nahrungsergänzungsmittel sind keine Medikamente. Daher besteht aufgrund mangelnder Kontrollen die Gefahr, dass die auf Packungen empfohlene Dosierung für ein Kind schädlich ist. Doch viele Konsumenten glauben, dass freiverkäuflichen Produkte völlig ungefährlich sind.
"Dazu ist zu sagen", heißt es auf der Seite des Bundesinstituts für Risikobewertung, "dass es auf dem deutschen und internationalen Markt unzählige und immer mehr werdende Nahrungsergänzungsmittel gibt – mit zum Teil exotischen Inhaltsstoffen -, deren Sinnhaftigkeit für die menschliche Ernährung deutlich in Zweifel gezogen werden muss."
Die Wirksamkeit ist wissenschaftlich nicht belegt
AFA ist die Abkürzung von Aphanizomenon flos-aquae, auch Grüne Spanalge genannt. Sie gehört zu den Blaualgen. Diese sind eigentlich keine Algen, sondern Cyanobakterien. Diese können Gifte entwickeln, die unter anderem das Nervensystem schädigen können. Gefährliche "Algen"blüten in Badeseen werden beispielsweise auch von Cyanobakterien hervorgerufen.
Auch sogenannte Microcystine, leberschädigende und krebserregende Gifte, können sich bilden. Bei Beschwerden wie Durchfall, Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen, die nach der Einnahme von AFA-Algen immer wieder beobachtet werden, sprechen Befürworter von Ent- und Gegner von Vergiftungserscheinungen. In der Giftpflanzendatenbank des Instituts für Veterinärpharmakologie und -toxikologie der Universität Zürich werden die AFA-Algen als sehr stark giftig eingestuft.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt vor der Einnahme
Das Bundesinstitut für Risikobewertung verweist darauf, dass Bedenken, die man bereits vor über zehn Jahren geäußert hat, auch heute noch gültig sind: "Besondere Sorge bereitet die wiederholt in den Medien und in Buchpublikationen verbreitete Aussage, dass AFA-Algenprodukte eine 'sinnvolle und natürliche Alternative' zu einer ärztlich verordneten medikamentösen Therapie bei bestimmten neurologischen Störungen wie dem Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) bei Kindern (…) darstellten." Dafür gebe es keinerlei wissenschaftliche Bestätigung.
Weiter heißt es, ein Produkt, dem werblich eine heilende Wirkung zugeschrieben wird, sei eigentlich als Arzneimittel anzusehen und als solches müsste es zugelassen werden. "Solange keine derartige Zulassung existiert, kann die Einnahme von AFA-Algen oder anderen Cyanobakterien-haltigen Präparaten zur Behandlung des ADHS nicht empfohlen werden."
Schwermetalle in Algenprodukten
Hinzu kommt: Im Vergleich zu anderen Lebensmitteln weisen Algen und daraus hergestellte Produkte deutlich höhere Schwermetall-Gehalte auf. Blei, Cadmium, Aluminium und Arsen können enthalten sein. "Diese hohen Gehalte lassen sich möglicherweise dadurch erklären, dass Algen im erhöhten Maße aus der marinen Umwelt gesundheitlich unerwünschte Stoffe anreichern", heißt es vonseiten des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. "Durch den Trocknungsprozess von Algen kann eine weitere Konzentrierung von beispielsweise Aluminium erfolgen." Die Folge: Man warnt vor der unkontrollierten Einnahme der Algen.
Barbara Simonsohn macht das keine Angst. Sie nimmt die grünen Tabletten weiter täglich zu sich: "Ich lasse meine Leberwerte regelmäßig kontrollieren. Sie sind super."
Mit Biokost die gleichen Erfolge erzielen?
Wie viele andere begründet sie den Erfolg von Algen-Produkten durch Nährstoffe, die unser Körper dringend braucht. Diese würden aber gerade vielen Kindern aufgrund schlechter Ernährung nicht mehr zugeführt, zumindest nicht in ausreichendem Maße.
Dass die Ernährung bei ADHS eine Rolle spielt, ist erwiesen. Die Frage ist: Liegt das Problem wirklich allein bei den fehlenden Nährstoffen - und könnte man in diesem Fall nicht einfach mit ausgewogener Biokost gegenarbeiten?
Oder liegt das Problem doch eher bei Zusatzstoffen wie Farbstoffen und Konservierungsmitteln, wie sie in Fertiggerichten und vielen Süßigkeiten zu finden sind? Wer die teuren Algenprodukte kauft, achtet vielleicht generell auch auf eine gesündere Ernährung. Dann wäre es möglicherweise gar nicht die Wirkung der Wunder-Alge, sondern die bessere Nährstoffversorgung, die die ADHS-Symptome verbessert.
Eine Tablette allein ist bei ADHS nie die Lösung
Als alleinige Lösung könnte die AFA-Alge nicht einmal dann funktionieren, wenn ihre Wirksamkeit und vor allem Unbedenklichkeit tatsächlich nachgewiesen wäre. Denn für ADHS gibt es nicht die eine Ursache. Stattdessen weiß man inzwischen, dass biologische und soziale Faktoren zusammenwirken müssen, damit die Störung in Erscheinung tritt.
Im Umkehrschluss muss man auf mehrere Faktoren einwirken, damit ein Kind mit ADHS gut durchs Leben kommt. Eine Tablette alleine reicht nicht. Das gilt auch für Ritalin und Co. Eine Therapie auf eigene Faust mit den Algenprodukten könnte gerade bei diesen Kindern, die bekanntlich auf Giftstoffe besonders sensibel reagieren, gefährlich sein und sollte ohne Rücksprache mit dem behandelnden Kinderarzt nicht durchgeführt werden.
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- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.