Trainer der New England Patriots Sechsfacher Super-Bowl-Sieger kämpft um seinen Job
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Er hat mit den New England Patriots sechs Mal den Super Bowl gewonnen. Doch Bill Belichick liefert nicht mehr ab – und muss um seinen Job bangen.
Aus Frankfurt berichtet Jens Bistritschan
In einem Hotel in Frankfurt konnten die Football-Fans unter der Woche alle sechs Super-Bowl-Trophäen der New England Patriots bewundern – allesamt errungen mit Bill Belichick als Cheftrainer. Doch die längste Reise in Diensten des Teams könnte zugleich die letzte für den 72-Jährigen werden.
Denn das in den letzten Jahrzehnten so erfolgsverwöhnte Team ist mit nur zwei Siegen bei sieben Niederlagen in die aktuelle Saison der National Football League (NFL) gestartet. Bei einer Pleite gegen die Indianapolis Colts (bisher vier Siege bei fünf Niederlagen) in Frankfurt könnte er gefeuert werden, glaubt nicht nur Ben Volin vom Boston Globe, einer der Reporter die mit am nächsten am Team sind.
"Durchaus möglich, dass die Krafts ihn feuern"
"Aufgrund meiner Gespräche denke ich, dass es nicht zu 100 Prozent sicher ist, dass Belichick die Saison beenden darf", schrieb Volin bereits vor dem Heimspiel gegen die Washington Commanders am vergangenen Wochenende. Promt verloren die Patriots mit 17:20 gegen ein Team, das seinerseits gerade einmal eine 4:5-Bilanz vorzuweisen hat. Der Head Coach sitzt also auf dem heißen Stuhl, denn "sollte Belichick mit einer 2:8-Bilanz nach Hause kommen, ist es durchaus möglich, dass die Krafts ihn feuern". Die Krafts das sind Teambesitzer Robert und sein Sohn Jonathan, der Präsident der Patriots.
Da New England nach der Rückkehr aus Deutschland eine Woche spielfrei hat, könnte das Team nach Einschätzung von Volin dieses Zeitfenster nutzen, um Jerod Mayo zum Interimstrainer zu ernennen. Als Linebacker spielte dieser von 2008 bis 2015 in New England und gehört seit 2019 dem Trainerstab an.
Potentieller Nachfolger schon im Trainerstab
2021 war er einer der Kandidaten auf den Cheftrainer-Posten bei den Philadelphia Eagles, ein Jahr später bei den Denver Broncos und den Las Vegas Raiders. In diesem Frühjahr luden ihn die Carolina Panthers zu einem Job-Interview ein, doch Mayo verzichtete und verlängerte stattdessen seinen Vertrag in New England.
Kurz darauf erklärte Kraft ihn in einem Interview zu einem "definitiv ernsthaften Kandidaten" für den Fall, dass Belichick von sich aus aufhören sollte. "Aber wir haben auch noch andere gute Leute in unserer Organisation." Allerdings saß Belichick da fest im Sattel – kein Wunder angesichts der Erfolge, die er mit dem Team seit seiner Verpflichtung im Jahr 2000 erzielte.
"Er muss entscheiden, was richtig für ihn ist"
Doch bei aller Loyalität sind die Krafts auch Geschäftsleute und damit gewohnt, wenn nötig auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Nach dem Field Goal der Commanders kurz vor Schluss zum Sieg letztes Wochenende fingen die Fernsehkameras Jonathan Krafts abwinkende Handbewegung ein und Lippenleser wollen seine darauffolgenden Worte als "Wir sind nicht gut genug" ausgemacht haben.
Wie schwierig allerdings eine Trennung von dem Erfolgstrainer wäre deutete Robert Kraft vor einigen Wochen an, nachdem sein Team von den ersten sechs Partien fünf verloren hatte. Auf Belichick angesprochen antwortete er: "Fragen Sie ihn! Er muss entscheiden, was richtig für ihn ist." Sechs Titel in bald 24 gemeinsamen Jahren machen eine Trennung eben schwer.
Vertragsverlängerung wurde erst vor drei Wochen publik
Dazu kommt, dass sich laut Medienberichten die Patriots und Belichick vor der Saison auf eine "lukrative Vertragsverlängerung für mehrere Jahre" geeinigt hatten, was aber erst vor rund drei Wochen publik wurde. Genauere Informationen bezüglich Gehalt und Dauer oder gar die mögliche Höhe einer Abfindung bei vorzeitiger Vertragsauflösung wurden allerdings nicht an die Presse durchgestochen.
Deshalb spekulieren die amerikanischen Journalisten auch über ein anderes Szenario für das Ende der Ära Belichick in New England als die Entlassung noch während der laufenden Saison. Ein anderes Team der NFL könnte nach der Saison den Cheftrainer abwerben, die Krafts hätten dann keine Abfindung zu zahlen und bekämen womöglich noch eine Kompensation in Form eines oder mehrerer Draft Picks. Als "Homerun"-Kandidat wird bei diesem Szenario in Mike Vrabel, derzeit Cheftrainer der Tennessee Titans genannt – wie Mayo ein ehemaliger Spieler der Patriots.
"Habe nur das unter Kontrolle, was ich beeinflussen kann"
Als potentielle Abnehmer für Belichick werden für diesen Fall die Washington Commanders, Atlanta Falcons, Carolina Panthers und die Tampa Bay Buccaneers genannt. Deren Cheftrainer sitzen allesamt nicht sicher im Sattel oder die jeweiligen Teambesitzer erhoffen, dass mit Belichick trotz dessen Alters der Erfolg auch zu ihrem Team kommt.
Den 72-Jährigen lassen die Spekulationen um seine Person zumindest nach außen hin vollkommen kalt. In der ihm typischen schnodderigen Art erklärte er vor dem Abflug nach Frankfurt auf die Frage, ob er vom Team irgendwelche Zusicherungen erhalten habe: "Mein Fokus ist auf das Spiel gegen die Colts ausgerichtet. Ich habe nur das unter Kontrolle, was ich beeinflussen kann." Mit einem Sieg in Frankfurt gegen Indianapolis würde Belichick aber zumindest etwas Druck aus dem Kessel lassen.
- bostenglobe.com: "As Bill Belichick’s seat gets hotter, the battle for control of the Patriots begins" (englisch)
- nypost.com: "Bill Belichick could be coaching for his Patriots job against Colts" (englsich)
- nypost.com: "Bill Belichick pressed on viral Robert Kraft video amid whispers about Patriots future" (englisch)