Ein rätselhafter Patient Bunte Niere
Ein 38-Jähriger hat eine schwere Nierenbeckenentzündung. Seine Ärzte vermuten eine bakterielle Infektion, aber Antibiotika helfen nicht. Erst eine Gewebeprobe zeigt, dass der Mann in Lebensgefahr schwebt.
Als der Mann fiebernd mit Durchfall und Schmerzen in der rechten Flanke in die Klinik im indischen Chandigarh kommt, steht für die Ärzte schnell fest, dass der 38-Jährige eine schwere Infektion hat. Die Zahl seiner weißen Blutkörperchen und Blutplättchen ist stark erhöht, ebenso die Konzentration bestimmter Entzündungsproteine.
Ärzte vermuten eine Entzündung
Bei der Untersuchung reagiert der Kranke auf Berührungen rechts unterhalb des Rippenbogens mit Abwehrspannung. Zwar liegen die Blutzucker, Leber- und Nierenwerte im Normalbereich, aber sein Urin ist voller Eiter. Im Ultraschall sehen die Ärzte, dass die rechte Niere des Patienten stark vergrößert und die normale Struktur von Nierenmark und -rinde kaum noch zu erkennen ist.
Die Mediziner gehen davon aus, dass der Mann eine akute Nierenbeckenentzündung hat. Sie nehmen ihm erneut Blut ab, um es auf verschiedene Erreger zu untersuchen. Noch bevor die Ergebnisse der Bakterienkulturen vorliegen, beginnen die Ärzte auf Verdacht eine Antibiotika-Therapie - so empfehlen es die medizinischen Richtlinien. Das Labor teilt kurze Zeit später mit, dass die Blutkulturen zwar frei von Bakterien sind. Im Urin aber sind E.coli-Bakterien gewachsen, die eine Blasen- und Nierenbeckenentzündung auslösen können und von dem gewählten Antibiotikum abgetötet werden. Für die Mediziner scheint der Fall geklärt.
Niere schwillt kugelförmig an
Dem Patienten aber geht es nicht besser, im Gegenteil, sein Zustand verschlechtert sich. Normalerweise gehen die Beschwerden bei der richtigen Therapie innerhalb von drei Tagen bereits zurück. Aber das Fieber bleibt, die Bauchschmerzen auch und die Zahl der weißen Blutkörperchen nimmt sogar noch zu. Verunsichert entscheiden sich die Ärzte zu einer Computertomographie-Untersuchung der Niere mit Kontrastmittel. Sie befürchten einen Abszess, also eine abgekapselte Eiteransammlung in der Niere, die nicht auf die verwendeten Antibiotika reagiert.
Die Aufnahmen zeigen, dass die Niere kugelförmig geschwollen ist. Sie ist zudem nicht in allen Bereichen ausreichend durchblutet. Die Ärzte haben nun eine neue Vermutung: Möglicherweise sind nicht Bakterien, sondern eine Pilzinfektion verantwortlich für die schwere Entzündung. Sofort beginnen sie auf Verdacht eine Therapie mit Amphotericin B, einem breitwirksamen Medikament gegen Pilzinfektionen.
Lebensbedrohliche Pilzinfektion
Unter Ultraschallkontrolle führen die Mediziner eine feine Nadel bis zur rechten Niere und entnehmen dort einige Gewebeproben. Die Analyse ergibt, dass die zweite Idee der Ärzte richtig war: Das bunte Bild zeigt tatsächlich Pilzsporen der Ordnung Mucorales - eine lebensbedrohliche Infektion. Normalerweise erkranken Menschen mit einem schwachen Immunsystem daran. Allerdings sind mitunter auch ansonsten Gesunde betroffen, dann beschränkt sich die Infektion häufig allein auf die Niere.
"Die meisten Pilzarten sind für den Menschen vollkommen harmlos", schreibt dazu das Nationale Referenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen auf seiner Seite, aber "Pilzinfektionen durch Mucorales haben in den letzten Jahrzehnten verstärkt zugenommen." Ohne eine schnelle Diagnose und eine aggressive Therapie ist die die Erkrankung "fast immer tödlich", schreiben auch die Ärzte um Saroj Sinha im Fachmagazin "The Lancet".
Entfernung der Niere rettet dem Patienten das Leben
Der Mann liegt schon kurze Zeit später auf dem OP-Tisch: Die Chirurgen entfernen seine rechte Niere. Die verbleibende Niere reicht aus, um die Filter-, Blutdruck- und Hormonfunktionen in seinem Körper zu übernehmen. Auch nach der Operation bekommt er hochdosiert Amphotericin B, um alle möglicherweise verbleibenden Pilzsporen abzutöten.
Der Patient hat Glück: Er erholt sich rasch von seiner schweren Infektion und sein Körper schafft die Umstellung von zwei Nieren auf eine problemlos. Vier Monate später geht es ihm gut und auch die Nierenwerte sind normal.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.