Von Borderline bis Narzissmus Persönlichkeitsstörungen: Symptome, Ursachen, Therapie
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ob übertrieben impulsiv, unsicher, zwanghaft oder selbstverliebt: Bei einer Persönlichkeitsstörung sind bestimmte Wesenszüge auffallend stark ausgeprägt. Die wichtigsten Formen und ihre Symptome im Überblick.
Sind Sie besonders mutig oder eher ein Angsthase? Verschlossen oder extrovertiert? Ordnungsliebend oder ein Chaot? Fest steht in jedem Fall: Sie sind einzigartig. Denn welche Persönlichkeitsmerkmale wie stark ausgebildet sind, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich.
Bei manchen Menschen sind einzelne Persönlichkeitszüge so hervorstechend und unflexibel, dass Fachleute von einer Persönlichkeitsstörung sprechen. Je nachdem, welche Merkmale dominieren, wird zwischen verschiedenen Formen von Persönlichkeitsstörungen unterschieden.
Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung zeichnet sich etwa durch einen übertriebenen Hang zum Perfektionismus aus. Dissoziale Persönlichkeiten hingegen akzeptieren keine Regeln, verhalten sich verantwortungslos und egozentrisch.
Ein anderes Beispiel ist die emotional-abhängige Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ: Betroffene sind sehr impulsiv und erleben heftige Gefühlsschwankungen. Sie haben ein geringes Selbstwertgefühl und durchleben immer wieder emotionale Krisen.
Persönlichkeitsstörung: Definition
Die Persönlichkeit eines Menschen setzt sich aus seinen individuellen Eigenschaften zusammen – inklusive seiner Wahrnehmungen, Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen. Die Grundzüge der Persönlichkeit entwickeln sich bereits in der Kindheit und Jugend und bleiben bis ins hohe Alter relativ stabil.
Ein Kind, das stets sehr ordentlich ist, wird dies voraussichtlich auch im Erwachsenenalter sein. Und ein Kind, das sich über Jahre hinweg anderen gegenüber distanziert und wenig emotional verhält, wird diese Eigenschaften aller Wahrscheinlichkeit nach sein Leben lang behalten.
Was ist eine Persönlichkeitsstörung?
Grundsätzlich sind die Grenzen von einem auffälligen Persönlichkeitsstil hin zu einer Persönlichkeitsstörung fließend. Zum Beispiel leidet ein Mensch, der sehr ordentlich und gewissenhaft ist, nicht zwangsläufig an einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung.
Von einer Persönlichkeitsstörung sprechen Fachleute in der Regel, wenn die individuellen, weitgehend stabilen und tief verwurzelten Erlebens- und Verhaltensweisen eines Menschen
- im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt sehr stark bzw. schwach ausgeprägt und unflexibel sind und
- die Leistungsfähigkeit deutlich einschränken (etwa im Beruf) und/oder zu einem hohen Leidensdruck des Betroffenen und/oder seines Umfelds führen.
Zudem müssen die hervorstechenden Merkmale/Symptome weitgehend dauerhaft schon seit der Kindheit oder dem frühen Erwachsenenalter vorhanden sein, um eine Persönlichkeitsstörung diagnostizieren zu können. Darüber hinaus muss eine Ärztin oder ein Arzt ausschließen können, dass bestimmte Medikamente oder eine körperliche Erkrankung zu den Auffälligkeiten geführt haben, zum Beispiel eine Schädigung des Hirns.
Gut zu wissen: Eine Persönlichkeitsstörung muss nicht zwangsläufig behandelt werden. Vielmehr hängt es vom Leidensdruck des Betroffenen und/oder seines Umfelds ab, ob eine Therapie nötig ist.
Zur Häufigkeit von Persönlichkeitsstörungen gibt es sehr unterschiedliche Angaben. Schätzungen zufolge erfüllen in Deutschland circa 11 von 100 Personen die Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung. Besonders häufig sind die emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus sowie die dissoziale, die histrionische und die abhängige Persönlichkeitsstörung.
Persönlichkeitsstörungen: Formen und Symptome im Überblick
Fachleute teilen Persönlichkeitsstörungen nach ähnlichen Merkmalen/Symptomen in drei Gruppen (A, B und C) ein. Die Symptome/Merkmale einer Persönlichkeitsstörung sind durchgängig vorhanden und verändern sich im Laufe des Lebens kaum. Bei manchen Personen werden sie mit zunehmendem Alter schwächer.
Persönlichkeitsstörungen der Gruppe A
Zu Persönlichkeitsstörungen dieser Gruppe passen die Merkmale "sonderbar" oder "exzentrisch". Hierzu zählen die
- paranoide Persönlichkeitsstörung und die
- schizoide Persönlichkeitsstörung.
Persönlichkeitsstörungen der Gruppe B
Persönlichkeitsstörungen aus dieser Gruppe lassen sich die Merkmale "dramatisch", "launisch" oder "emotional" zuordnen. Dazu zählen die
- emotional-instabile Persönlichkeitsstörung (inkl. Borderline),
- die dissoziale Persönlichkeitsstörung,
- die histrionische Persönlichkeitsstörung und die
- narzisstische Persönlichkeitsstörung.
Persönlichkeitsstörungen der Gruppe C
Zu dieser Gruppe gehören Persönlichkeitsstörungen mit den Merkmalen "unsicher", "abhängig" oder "zwanghaft":
- die abhängige Persönlichkeitsstörung,
- die selbstunsichere Persönlichkeitsstörung und
- die zwanghafte Persönlichkeitsstörung.
Wichtiger Hinweis: In der Praxis lassen sich die einzelnen Persönlichkeitsstörungen nicht immer klar voneinander trennen. Manche Menschen weisen Merkmale mehrerer "verwandter" Störungen aus einer Gruppe auf. Zum Beispiel haben Menschen mit einer abhängigen Persönlichkeitsstörung oft Eigenschaften, die sich einer selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung zuordnen lassen. Zudem finden sich in der Literatur teils weitere Persönlichkeitsstörungen beziehungsweise abweichende Bezeichnungen und Kategorisierungen.
Paranoide Persönlichkeitsstörung: Misstrauisch und streitsüchtig
Menschen mit einer paranoiden Persönlichkeitsstörung sind übertrieben misstrauisch. Sie glauben immer wieder, von ihren Mitmenschen persönlich angefeindet, bedroht oder erniedrigt zu werden. Sie neigen dazu, Tatsachen zu "verdrehen" und negativ zu interpretieren. Sie beharren stets auf ihrer Meinung und gelten als streitsüchtig und rechthaberisch. Anderen gegenüber verhalten sie sich entsprechend feindselig oder resigniert.
Weil sie anderen nicht trauen, gehen paranoide Persönlichkeiten nur selten enge Beziehungen ein. Tun sie es doch, reagieren sie stark eifersüchtig und beschuldigen grundlos die Partnerin oder den Partner, sie hintergangen zu haben.
Schizoide Persönlichkeitsstörung: Distanziert, kühl, emotionslos
Charakteristisch für eine schizoide Persönlichkeitsstörung ist die distanzierte, kühle Art der Betroffenen. Sie zeigen weder intensive Freude noch andere Emotionen wie Wut oder Trauer. Auf Außenstehende machen sie dadurch einen gefühllosen, gleichgültigen und reservierten Eindruck. Schizoide Persönlichkeiten leben zurückgezogen und gelten als Einzelgänger. Nicht selten weisen sie gleichzeitig Merkmale einer paranoiden Persönlichkeitsstörung auf.
Menschen mit schizoider Persönlichkeitsstörung legen keinen Wert auf soziale Normen. Sie gelten als eigenwillige oder exzentrische Personen, die oft mit anderen aneinandergeraten. Enge Bindungen gehen sie nur selten ein – und wenn, dann sind Konflikte vorprogrammiert: Partner und Freunde haben Probleme, mit der scheinbaren Gefühllosigkeit des Gegenübers umzugehen.
Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung, Borderline: Rasche Gefühlswechsel
Rasche Gefühlswechsel und mangelnde Impulskontrolle sind typisch für die emotional-instabile Persönlichkeitsstörung. Viele Fachleute unterscheiden zwischen zwei Typen: dem impulsiven Typ und dem Borderline-Typ.
Menschen vom impulsiven Typ sind emotional instabil. Ihre Stimmung kann von jetzt auf gleich umschwenken. Starke Gefühle wie zum Beispiel Wut können sie nicht kontrollieren, sodass sie zu impulsiven, mitunter aggressiven Verhaltensweisen neigen – insbesondere wenn sie von anderen kritisiert werden.
Wie die impulsiven Typen zeichnen sich Borderline-Persönlichkeiten durch mangelnde Impulskontrolle und starke Gefühlsschwankungen aus. Zusätzlich leiden sie unter einem mangelnden Selbstwertgefühl, was immer wieder zu emotionalen Krisen führt. Sie fühlen sich rasch gekränkt oder abgewiesen. Ihre Beziehungen sind sehr intensiv, wechseln jedoch rasch.
Borderline-Persönlichkeiten haben kein klares Selbstbild. Sie wissen nicht, was sie wirklich wollen. Manche fühlen sich zeitweise sich selbst oder der Umwelt gegenüber fremd (Depersonalisation bzw. Derealisation).
Viele Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung spüren einen starken inneren Druck, den sie durch selbstschädigendes Verhalten abzubauen versuchen (z. B. Schnittverletzungen, aber auch Suchtverhalten). Suizidandrohungen und -versuche kommen bei ihnen häufiger vor.
Dissoziale Persönlichkeitsstörung: Rücksichtslos, empathielos, egoistisch
Menschen mit dissozialer (antisozialer) Persönlichkeitsstörung sind gesellschaftliche Normen und Regeln egal. Dies zeigt sich bereits im Schulalter, etwa in Form von Diebstahl, Schulschwänzen oder gewalttätigem Verhalten. Da sie sich rasch langweilen, suchen sie immer wieder Abwechslung, was sich durch häufige Partnerwechsel bemerkbar macht.
Dissoziale Persönlichkeiten gelten als verantwortungslos, rücksichtslos und egoistisch und werden auch als Soziopathen bezeichnet. Sie verhalten sich oft aggressiv und sind leicht reizbar. Sie können sich kaum in andere hineinversetzen beziehungsweise Mitgefühl empfinden. Sie nutzen ihre Mitmenschen aus oder manipulieren sie. Dabei haben sie keine Gefühle von Schuld oder Reue, wenn sie etwas Unrechtes getan haben. Männer erhalten die Diagnose häufiger als Frauen.
Histrionische Persönlichkeitsstörung: Extremer Geltungsdrang
Im Mittelpunkt stehen – um jeden Preis: Das ist typisch für eine histrionische Persönlichkeitsstörung. Betroffene sind permanent auf der Suche nach Aufmerksamkeit. Sie müssen sich stets in den Vordergrund spielen. Dabei ist ihnen fast jedes Mittel recht.
Manche versuchen, durch ein exzentrisches oder aufreizendes Äußeres zu punkten. Andere verhalten sich übertrieben emotional und neigen dazu, Geschichten theatralisch auszuschmücken. Meist ist es ihnen sogar egal, ob sie positiv oder negativ auffallen – Hauptsache, sie sind im Fokus der Aufmerksamkeit.
Histrionische Persönlichkeiten sind sehr kontaktfreudig. Tiefe Bindungen erleben sie jedoch selten.
Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Selbstverliebt und leicht kränkbar
Typisch für die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist die grenzenlose Selbstüberschätzung. Narzissten wirken überzeugt davon, etwas Besseres, Besonderes zu sein – und das auch ohne sich durch besondere Leistungen hervorzutun. Sie stellen sich gern vor, anderen überlegen zu sein und Erfolg zu haben. Entsprechend machen sie einen überheblichen, selbstgefälligen und arroganten Eindruck.
Narzisstische Persönlichkeiten wollen von anderen bewundert und bevorzugt werden und auf positive Weise im Mittelpunkt stehen. Für ihre Mitmenschen interessieren sie sich dagegen kaum. Ihre Partnerschaften sind meist flüchtiger Natur – es sei denn, der Partner oder die Partnerin ordnet sich unter. Nicht selten nutzen Narzissten andere Menschen aus und versuchen, aus einer Beziehung einen Vorteil zu erlangen.
Obwohl Narzissten sehr selbstbewusst erscheinen, gelten sie doch als sehr verletzlich und nehmen keine Kritik an. Vermutlich hängt ihr Selbstwertgefühl stark davon ab, wie ihr Umfeld auf sie reagiert.
Abhängige Persönlichkeitsstörung: Auf andere angewiesen
Abhängige (dependente) Persönlichkeiten sind treu, zuverlässig und sehr anhänglich. Charakteristisch für die Störung ist, dass sich die Betroffenen unselbstständig und hilflos fühlen. Sie haben das Bedürfnis, von anderen unterstützt zu werden. Sie fühlen sich nicht in der Lage, Entscheidungen zu treffen, und bitten daher immer wieder ihre Mitmenschen um Hilfe. Am liebsten wäre ihnen, wenn jemand ihnen ihre Entscheidungen abnehmen würde.
Abhängige Persönlichkeiten klammern sich gern an eine Bezugsperson, die ihnen Sicherheit vermittelt. Ohne diese Person fühlen sie sich unsicher und nicht fähig, ein eigenständiges Leben zu führen. Verlieren sie das Gegenüber, können sie in eine schwere psychische Krise geraten. Aus Angst vor einem möglichen Verlust passen sie sich in einer Partnerschaft daher weitgehend an – auch wenn sie dabei selbst zurückstecken müssen.
Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung: Schüchtern, besorgt, ängstlich
Menschen mit einer selbstunsicheren (ängstlich-vermeidenden) Persönlichkeitsstörung sind im Vergleich zu anderen ängstlich und zurückhaltend. Sie haben ein niedriges Selbstwertgefühl und fürchten, von ihren Mitmenschen abgelehnt oder negativ beurteilt zu werden. Entsprechend reagieren sie auf Kritik sehr empfindlich und sind leicht verletzbar. Sie fühlen sich angespannt, unter Druck und sind schnell besorgt.
Soziale Situationen machen ihnen Angst. Viele selbstunsichere Persönlichkeiten leiden zugleich an einer anderen psychischen Erkrankung, insbesondere an Angststörungen wie der sozialen Phobie.
Zwanghafte Persönlichkeitsstörung: Pedantisch, perfektionistisch, zuverlässig
Typisch für die zwanghafte (anankastische) Persönlichkeitsstörung: Betroffene brauchen klare Regeln und feste Abläufe. Wird ihre Ordnung gestört, fühlen sie sich beunruhigt und verunsichert. Sie sind nur wenig spontan und bevorzugen starre Muster und Prozesse. Mit Kritik können sie nicht gut umgehen.
Zwanghafte Persönlichkeiten sind perfektionistisch und überaus verlässlich. Sie stellen nicht nur an sich selbst höchste Ansprüche, sondern auch an ihre Mitmenschen. Um ihre Ziele zu erreichen und alles perfekt zu machen, verausgaben sie sich bis zur Erschöpfung.
Nicht zu verwechseln ist die zwanghafte Persönlichkeitsstörung mit der Zwangsstörung. Personen mit einer Zwangsstörung verspüren – oft phasenweise – den unwiderstehlichen Drang, bestimmte Tätigkeiten immer wieder auszuführen oder Gedanken zu wiederholen.
Während sich eine zwanghafte Persönlichkeit bereits im Kindes- und Jugendalter entwickelt und sich durch feste, bis ins Alter überdauernde Persönlichkeitsmerkmale auszeichnet, kann eine Zwangsstörung auch erst im Erwachsenenalter in Erscheinung treten – und sich wieder zurückbilden.
Persönlichkeitsstörungen: Welche Ursachen Fachleute vermuten
Wo liegen die Ursachen einer Persönlichkeitsstörung? Die Persönlichkeit eines Menschen entwickelt sich in seiner Kindheit und Jugend. Welche Persönlichkeitsmerkmale sich in dieser Zeit besonders stark ausprägen und welche schwächer ausgebildet bleiben, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Sie lassen sich unterteilen in
- erbliche Faktoren und
- äußere Einflüsse.
Das grundlegende Naturell einer Person wird ihr sozusagen in die Wiege gelegt. Ob ein Mensch von Natur aus zum Beispiel eher introvertiert oder extrovertiert, eher ängstlich oder mutig ist, ist vor allem eine Frage der erblich bedingten Veranlagung und kann nicht beeinflusst werden.
Hinzu kommen zahlreiche äußere Einflüsse, die die Persönlichkeit prägen – etwa der Erziehungsstil der Eltern oder die sozialen Bedingungen, unter denen die Person aufwächst. Das Risiko für Persönlichkeitsstörung steigt unter anderem durch
- psychische Erkrankungen der Eltern/Erziehungsberechtigten
- traumatische Erlebnisse in der Kindheit, etwa Missbrauch, Gewalterfahrungen
- ein ungünstiges soziales Umfeld, etwa die Schulsituation
- negative Vorbilder in der Kindheit
Häufig gehen Persönlichkeitsstörungen mit bestimmten neurobiologischen Auffälligkeiten einher. Bei vielen Betroffenen lassen sich zum Beispiel geringfügige Veränderungen im EEG nachweisen. Bei einigen Menschen mit Persönlichkeitsstörung sind zudem Abweichungen in bestimmten Hirnstrukturen sowie Fehlregulationen von Botenstoffen im Gehirn nachweisbar.
Ob eine Persönlichkeitsstörung entsteht oder nicht, hängt nicht zuletzt davon ab, wie gut eine Person mit diesen Einflüssen umzugehen vermag.
Gut zu wissen: Eine Persönlichkeitsstörung lässt sich nicht auf eine einzelne Ursache zurückführen. Vielmehr bestimmen mehrere Einflüsse im Zusammenspiel, wie stark einzelne Persönlichkeitsmerkmale hervortreten.
Wie genau Umwelteinflüsse eine Persönlichkeitsstörung begünstigen, darüber gibt es unterschiedliche Theorien. Aus psychodynamischer Sicht kann eine Persönlichkeitsstörung entstehen, wenn eine Person in ihrer frühen Kindheit stark in ihrer Entwicklung gestört wurde. Welche Form der Persönlichkeitsstörung sich herausbildet, hängt nach dieser Theorie davon ab, welche Entwicklungsphase beeinträchtigt wurde.
Verhaltenstherapeuten betonen bei der Suche nach den möglichen Ursachen vor allem die Lernprozesse und Verhaltensweisen eines Menschen. Aus verhaltenstherapeutischer Sicht hat jedes Kind seine persönlichen Strategien, um Einflüsse aus der Umwelt zu verarbeiten. Orientierung bietet ihm dabei das Verhalten seiner Bezugspersonen – etwa der Eltern oder anderer Kinder. Zudem sorgt seine Umgebung dafür, dass einige seiner Verhaltensweisen gefördert/verstärkt werden, während andere geschwächt werden.
Im Laufe der Zeit entwickelt das Kind darauf aufbauend seine eigenen, festen Überzeugungen und Strategien darüber, wie es sich in bestimmten Situationen am besten verhält. Bei einer Persönlichkeitsstörung sind einige dieser Überzeugungen ungewöhnlich stark oder schwach ausgeprägt. Zum Beispiel könnte ein Mensch mit einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung die Überzeugung gelernt haben, dass Unordnung und Unsicherheit eine Bedrohung darstellen – und die Strategie entwickeln, in Zukunft besonders pedantisch zu sein.
Persönlichkeitsstörung: So stellen Fachleute die Diagnose
Nicht immer ist es leicht, eine Persönlichkeitsstörung zu erkennen. Zum einen weisen viele Betroffene Merkmale verschiedener, verwandter Persönlichkeitsstörungen auf. Zum anderen können auch andere psychische Erkrankungen hinter den Beschwerden stecken.
Wichtiger Hinweis: Eine Persönlichkeitsstörung sollte nur bei Menschen ab dem jungen Erwachsenenalter/späten Jugendalter diagnostiziert werden, da die Persönlichkeitsentwicklung erst dann weitgehend abgeschlossen ist.
Sowohl die Erzählungen des Patienten als auch die Schilderungen von Freunden, Partnern oder Familienmitgliedern können dem Therapeuten Aufschluss darüber geben, ob es sich um eine Persönlichkeitsstörung handeln könnte.
Darüber hinaus gibt es eine Reihe standardisierter Tests, welche die Persönlichkeitsmerkmale und ihre Ausprägungen erfassen können, zum Beispiel:
- strukturierte Interviews (z. B. International Personality Disorder Examination (IPDE)
- International Personality Disorder Examination (IPDE)
- Checklisten (z. B. Internationale Diagnosen Checkliste für DSM-IV)
Persönlichkeitsstörungen: Welche Therapie ist geeignet?
Eine Persönlichkeitsstörung muss nicht zwangsläufig behandelt werden. Viele Menschen weisen auffällige Persönlichkeitsmerkmale auf, ohne deswegen Schwierigkeiten zu haben. Andere geraten bei kleinen oder großen Belastungen leicht in eine emotionale Krise.
Generell gilt: Wenn eine Persönlichkeitsstörung zu Problemen führt (etwa im beruflichen Umfeld) und/oder mit einem hohen Leidensdruck verbunden ist, ist eine Psychotherapie empfehlenswert. Diese erstreckt sich normalerweise über einen längeren Zeitraum von mehreren Monaten bis Jahren. Erster Ansprechpartner kann der Hausarzt sein oder direkt ein Psychotherapeut.
Viele Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung entwickeln im Laufe ihres Lebens eine weitere psychische Erkrankung. Zum Beispiel haben Borderline-Persönlichkeiten häufiger Depressionen, und eine selbstunsichere Persönlichkeitsstörung geht nicht selten mit einer Angststörung einher. Solche Begleiterkrankungen sollten ebenfalls behandelt werden. Darüber hinaus kommen Suizidgedanken und/oder -versuche bei Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung gehäuft vor.
Je nach Form der Persönlichkeitsstörung kann der Arzt ergänzend Medikamente verschreiben. Arzneimittel können auch infrage kommen, wenn die Person zugleich an einer anderen psychischen Erkrankung leidet, zum Beispiel an einer Depression.
Schon gewusst?
Fachleute waren lange Zeit der Meinung, dass eine Persönlichkeitsstörung kaum behandelt werden kann, da die Persönlichkeitsmerkmale eines Menschen bis zum Lebensende relativ stabil bleiben. Heute herrscht jedoch die Ansicht vor, dass die Persönlichkeitszüge in einem gewissen Maße veränderbar sind.
In der Psychotherapie lernt der Patient, ungünstige Überzeugungen und Verhaltensweisen zu erkennen und gezielt zu beeinflussen. Die Therapie hat nicht zum Ziel, bestimmte Persönlichkeitsmerkmale "wegzutherapieren", sondern zu lernen, damit besser umzugehen.
Welche Form der Psychotherapie bei einer Persönlichkeitsstörung am besten geeignet ist, hängt unter anderem von den individuellen Vorlieben des Patienten ab. Für einige Menschen ist eine Verhaltenstherapie besonders geeignet, andere fühlen sich mit einer psychodynamischen Therapieform wohler.
Für bestimmte Formen von Persönlichkeitsstörungen gibt es jedoch Empfehlungen: Bei der emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom Typ Borderline hat sich zum Beispiel die dialektisch-behaviorale Verhaltenstherapie bewährt.
Einige Formen von Persönlichkeitsstörungen werden deutlich häufiger behandelt als andere. Das liegt vor allem an den jeweiligen Persönlichkeitsmerkmalen, die mit der Störung einhergehen. Menschen mit einer dissozialen oder narzisstischen Persönlichkeitsstörung bemerken in der Regel nicht, dass einige ihrer Persönlichkeitsmerkmale für ihr Umfeld problematisch sein könnten. Öfter sind Menschen mit einer selbstunsicheren oder einer abhängigen Persönlichkeitsstörung in Psychotherapie, denn ihr Leidensdruck ist meist hoch.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Persönlichkeitsstörungen. Online-Informationen der Neurologen und Psychiater im Netz: www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org (Abrufdatum: 22.1.2020)
- Senf, W., et al.: Praxis der Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2020
- Petermann, F., et al.: Klinische Psychologie – Grundlagen. Hogrefe, Göttingen 2018
- Payk, T., Brüne, M.: Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2017
- Persönlichkeit. Online-Informationen des Pschyrembel: www.pschyrembel.de (Stand: April 2016)
- Möller, H., et al.: Duale Reihe Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2015
- Bergmann-Warnecke, K., Lutz, W.: Diagnostik bei Persönlichkeitsstörungen. Psychotherapie im Dialog, Aug. 3/2014, S. 32 -35 (2014)