Polizei rückt zu Großrazzia aus 60-Millionen-Euro-Betrug in Hannoveraner Postagenturen
Die Kunden von vier Postagenturen ahnten nichts – während in den Läden, die sie besuchten, ein massiver Millionenbetrug vor sich ging.
Eine Bande von Kriminellen soll in der Region Hannover mehrere Postagenturen betrieben haben, um sich illegal erbeutete Millionensummen bar auszahlen zu können. Staatsanwalt Oliver Eisenhauer sagte t-online, das errichtete System sei äußerst komplex gewesen. Insgesamt hätten die Betrüger mutmaßlich mehr als 60 Millionen Euro in bar von speziellen Konten abgehoben.
Polizei und Staatsanwaltschaft informierten am Montag über die Ermittlungen. Bereits vor zwei Wochen, am 23. April, wurden demnach mehrere Wohnungen und Geschäftsräume in Hannover und Umgebung durchsucht. Dabei seien elf Durchsuchungsbeschlüsse und sieben Vermögensarreste in 27 Objekten vollstreckt worden. Betroffen waren unter anderem vier Post-Partnerfilialen und ein ehemaliges Notariat.
Ermittler finden Schmuck, Bargeld, Konten und eine Waffe
Dabei entdeckten die Ermittler Vermögenswerte in einer Höhe von rund 600.000 Euro. Sie beschlagnahmten Bargeld, Fahrzeuge, Edelmetalle und hochwertigen Schmuck, stellten zudem zahlreiche elektronische Geräte, Unterlagen, Einbruchswerkzeug sowie eine Schusswaffe sicher. Außerdem pfändete die Staatsanwaltschaft Konten und Immobilien im Wert von rund 400.000 Euro.
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Insgesamt zählt die Staatsanwaltschaft 15 Beschuldigte zum engeren Kreis der Bande. Mindestens geht es um Geldwäsche im großen Stil.
Strohleute zur Scheinfirmengründung nach Hannover gekarrt
Vier der Beschuldigten sollen eigens Postagenturen mit Erlaubnis zum Anbieten von Postbank-Finanzdienstleistungen gegründet haben. Solche Post-Partnerfilialen befinden sich häufig in Kiosken, Schreibwaren- oder Lebensmittelgeschäften, die dann über einen eigenen Post-Schalter verfügen.
Sieben der Beschuldigten waren in diesen Postagenturen angestellt, vier weitere sollen Strohleute aus Osteuropa angeworben haben. Den Osteuropäern sollen sie vorgegaukelt haben, in Deutschland legal Geld verdienen zu können. "Mutmaßlich wurden die Strohleute mit erfundenen Geschichten angelockt, nach Hannover gekarrt und hier dann selbst hereingelegt", sagte Staatsanwalt Eisenhauer t-online.
In Hannover ging es immer zum selben Notar
Die Strohleute, die kaum Deutsch sprachen, seien stets zu demselben ehemaligen Notar begleitet worden, wo sie Scheinfirmen gründen mussten. Ihre Ausweise wurden kopiert, dann eröffnete man in den Postagenturen Konten auf ihre Namen. Anschließend seien die Strohleute zurück nach Hause geschickt worden. Die Bezahlung für die umständliche Reise nach Deutschland scheint dabei äußerst dürftig ausgefallen zu sein – einer der Strohleute soll mit einem dreistelligen Betrag abgespeist worden sein, sagte Staatsanwalt Eisenhauer.
Der Rest der Bande zahlte sich unterdessen offenbar weitaus großzügigere Beträge aus. Das Geld, das auf die Konten der Scheinfirmen floss, soll zumindest teilweise aus Betrügereien wie Phishing, Enkeltrick-, Anlage- oder Abrechnungsbetrug gestammt haben. Ob die Bande diese Betrügereien ebenfalls selbst zu verantworten hatte oder ob sie nur für andere Betrüger eine Art Geldwäsche-Service betrieb, ist laut Staatsanwaltschaft noch Sache der laufenden Ermittlungen.
- Telefonat mit Staatsanwalt Oliver Eisenhauer
- presseportal.de: Mitteilung der Polizeidirektion Hannover vom 6. Mai 2024