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Adidas: So will die deutsche Marke aus der Krise kommen


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Adidas in der Krise
Der deutsche Riese wankt


Aktualisiert am 09.05.2024Lesedauer: 8 Min.
Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt, um neue Schuhe zu kaufen: Heute sind verschiedene Sneaker von Adidas für Frauen und Männer bei Amazon reduziert. (Symbolbild)Vergrößern des Bildes
Sneaker von Adidas: Mit den neuen Retroschuhen "Samba" und "Gazelle" aus den 1980er Jahren will Adidas zurück in die Erfolgsspur. (Quelle: IMAGO/Jakub Porzycki/imago-images-bilder)

Adidas steht vor großen Herausforderungen – ein verlorener Ausrüstervertrag, ein schwaches Finanzergebnis und eine starke Konkurrenz. Vorstandschef Björn Gulden soll nun das Ruder herumreißen. Schafft er das?

Der Retro-Trend bei Sportschuhen soll der deutschen Traditionsmarke Adidas wieder auf die Sprünge helfen. "Unsere Marke liegt wieder im Trend", sagte Vorstandschef Björn Gulden bei der Präsentation der Quartalsergebnisse. Die hohe Nachfrage nach den Klassikern wie "Samba" und "Gazelle" aus den 1980er-Jahren, die Adidas neu aufgelegt hat, ließ den Schuh-Umsatz im ersten Quartal um 13 Prozent nach oben schnellen.

Unterm Strich schrieb Adidas im ersten Quartal mit 171 Millionen Euro wieder schwarze Zahlen. Doch am Ziel sei Adidas noch lange nicht. "In diesem Jahr geht es darum, Adidas besser zu machen", sagte Gulden weiter. Die Richtung ist klar: Bis 2026 soll der Sportartikelhersteller wieder um mehr als zehn Prozent wachsen.

Aber wird das reichen, um im internationalen Wettbewerb mitzuhalten? Auch Adidas-Aktionäre blicken gespannt in die Zukunft und erhoffen sich die große Wende.

Nachwirkungen der Pandemie

Für die Deutsche Premiumsportmarke waren die vergangenen Jahre nicht leicht. Erst verhagelte die Corona-Pandemie dem erfolgsverwöhnten Sportartikelhersteller das Geschäft, weil Sportveranstaltungen ausfielen, Fitnessstudios, Fußballstadien und Sportvereine geschlossen blieben. Auch zahlreiche stationäre Adidas-Läden konnten wegen Corona nicht öffnen.

Gestörte Lieferketten als Folge von Lockdowns in China führten zu fehlender Ware auf allen Kontinenten und schließlich blieben die Gewinne aus. Nach den weltweiten Lockerungen füllten sich die Lager plötzlich überproportional schnell und Adidas konnte seine Kleidung nur mit hohen Rabatten verkaufen. Die Stimmung der Verbraucher sei schlecht. Und noch immer hinke man dem Abbau voller Lager um sechs bis neun Monate dem Rest der Welt hinterher, ist aus Unternehmenskreisen zu hören.

Boykottaufrufe

Boykottaufrufe in China gegen westliche Bekleidungsfirmen wie H&M, Nike, Puma und Adidas im Jahr 2021 blieben beim fränkischen Sportartikelhersteller nicht ohne Folgen. Eigentlich gehörte Adidas zu den beliebtesten westlichen Marken in der Volksrepublik. Hintergrund der Boykottaufrufe ist die Initiative Better Cotton, zu deren Gründungsmitgliedern H&M und Adidas gehören.

Dabei geht es darum, dass Lieferketten überprüft werden sollen und auf Baumwolle aus Regionen zu verzichten, in denen Zwangsarbeit und die Diskriminierung von ethno-religiösen Minderheiten stattfindet. Die Erlöse von Adidas in China brachen aufgrund von Käuferstreiks im zweiten Quartal 2022 um 35 Prozent ein, im dritten Quartal sank der Umsatz um 27 Prozent. China bleibt für Adidas aber nach wie vor der wichtigste Wachstumsmarkt. Schon heute erwirtschaftet der Konzern ein Drittel seines Umsatzes in Asien und dabei hauptsächlich in China.

Krisen bescheren Millionenverluste

Geopolitische Probleme bereiteten Adidas zusätzliche Schwierigkeiten. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 fiel der Markt in Russland weg. Der Konzern beendete sein komplettes Geschäft in dem Land. 500 eigene Geschäfte wurden geschlossen.

Ende Oktober 2022 beendete Adidas zudem seine Zusammenarbeit mit Rapper Kanye West. Der auch als Ye bekannte Musiker fiel durch antisemitische Äußerungen auf, was das Unternehmen dazu veranlasste, den Verkauf seiner längst produzierten "Yeezy"-Schuhmodelle zu stoppen – ein herber Millionenverlust für Adidas.

Auch der vorzeitige Abgang von Vorstandschef Kasper Rorsted im November 2022 erforderte einen Millionenbetrag. Aus dem Geschäftsbericht ging hervor, dass der Ex-Chef das Unternehmen rund 16 Millionen Euro gekostet hat – allein 3,6 Millionen Euro als Entschädigung dafür, dass er in den kommenden 18 Monaten nicht bei einem Branchenkonkurrenten anheuert. Auf Rorsted folgte der Ex-Puma-Chef Björn Gulden, der nun mit vielen Herausforderungen gleichzeitig konfrontiert ist.

Der Konzern lässt sich aber auch den neuen Chef einiges kosten. Mit einer Vergütung von 9,18 Millionen Euro pro Jahr und einer Antrittsprämie von fast 11.900 Adidas-Aktien im Wert von etwa 3,88 Millionen Euro landet er auf Platz eins der Spitzenverdiener aller deutschen Dax-Konzerne.

Verlorener Ausrüstervertrag

Schließlich verlor Adidas im März dieses Jahres seinen Ausrüstervertrag mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB). Ab 2027 wird das Logo von Nike auf den Trikots der deutschen Fußball-Nationalmannschaft prangen und nicht mehr das des zweitgrößten Sportartikelherstellers der Welt und langjährigen DFB-Partners Adidas.

Die Entscheidung erfolgte aus rein wirtschaftlichen Gründen und nicht wegen patriotischer Gefühle, sagte der frühere DFB-Chef Fritz Keller beim Sender Welt TV. Medienberichten zufolge wollen die Amerikaner 100 Millionen Euro pro Jahr in die klammen Kassen des DFB spülen – Adidas wollte oder konnte nur die Hälfte bezahlen.

Das Aus als Ausrüster des viermaligen Fußball-Weltmeisters könnte auch Auswirkungen auf die zukünftigen Geschäfte von Adidas haben. Das wäre verschmerzbar, wenn es beim deutschen Sportartikelhersteller blendend laufen würde. Aber das ist nicht der Fall.

Adidas-Chef Björn Gulden kann sich vorstellen, voraussichtlich noch in diesem Jahr ein Sparprogramm aufzulegen, um den Konzern wieder profitabel zu machen. Die Herausforderungen sind enorm.

Rückläufige Gewinne

Die Geschäfte des Unternehmens laufen längst nicht mehr so gut wie noch vor ein paar Jahren. Der Jahresumsatz stagniert seit 2016 bei rund 21 Milliarden Euro. Nach einem Rekordgewinn von 10 Euro je Aktie 2019 brach er im Corona-Jahr 2020 auf 2,21 Euro je Aktie ein.

Nach 10,90 Euro je Aktie im Jahr 2021 folgte ein erneuter Rückgang auf 3,21 Euro je Aktie 2022. Das letzte Geschäftsjahr bescherte Adidas entgegen den Erwartungen ein im Vergleich zu früheren Jahren niedriges Betriebsergebnis vor Steuern von 268 Millionen Euro.

Der Grund: Adidas hatte sich dazu durchringen können, die "Yeezy"-Schuhe doch noch auf den Markt zu werfen, anstatt sie abzuschreiben. Die Online-Verkaufsaktion brachte 700 Millionen Euro Umsatz und einen operativen Gewinn. Ware im Wert von 250 Millionen Euro blieb übrig und könne zum Selbstkostenpreis verkauft werden, erklärte Gulden.

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Das Unternehmen weist unter Berücksichtigung aller Erträge und Aufwendungen für 2023 ein Finanzergebnis von minus 203 Millionen aus – ein Verlust von minus 0,42 Euro je Aktie. Von der früheren Profitabilität sind die Herzogenauracher meilenweit entfernt. Dass Adidas in der Krise steckt, ist inzwischen auch bei den Verantwortlichen angekommen, die sich um Krisenkommunikation bemühen.

Finanzielle Situation

In der derzeit angespannten finanziellen Situation will Adidas trotz Verlusten eine Dividende von 0,70 Euro je Aktie an seine Aktionäre zahlen. 2021 lag die Dividende noch bei 3,30 Euro je Aktie. In einer Analystenkonferenz teilte Vorstandschef Gulden mit, dass man Geduld brauche und ein Unternehmen nicht in zwölf Monaten drehen könne.

"Natürlich wissen wir, dass unsere Finanzergebnisse nicht gut sind", sagte Gulden. "Aber wir sind dabei, Adidas wieder zu einem guten Unternehmen zu machen." Das brauche jedoch Zeit. Der Konzernchef erwartet wieder zweistellige Wachstumsraten angetrieben durch die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland und die Olympischen und Paralympischen Spiele in Paris.

"Wir müssen Adidas erst dahin bringen, wo es hingehört", sagte Gulden weiter. Deshalb habe er aktuell noch keine Sparmaßnahmen in Angriff genommen, um die Aufbruchstimmung nach seinem Amtsantritt vor gut einem Jahr nicht zu stören. Adidas müsse die Kostenbasis aber verbessern: "Wir geben zu viel aus." Mit anderen Worten: Ein Sparprogramm scheint unvermeidlich.

Attraktive Produkte für Konsumenten und Leistungssportler

Doch Sparen allein wird nicht helfen – auch die Attraktivität beim Publikum muss auf den Prüfstand. Um die Marke mit den drei Streifen wieder interessanter zu machen, muss Adidas Fachleuten zufolge auch mehr in die Entwicklung neuer Produkte investieren. Denn: Zahlreiche Sportmarken buhlen um die Gunst zahlungskräftiger Zielgruppen. Auch Mitbewerber Nike will mehr Marktanteile gewinnen und setzt dabei auf Exklusivverträge mit Sportlern und Mannschaften.

Auch die hierzulande weniger bekannten Branchengrößen wie Under Armour ebenfalls aus den USA oder der überdurchschnittlich wachsende kanadische Lululemon-Konzern versuchen, mit ausgefeilten Marketingkampagnen und moderner Sport- und Freizeitmode neue Käufer an sich zu binden. Doch die Verbraucherstimmung infolge von geopolitischen Krisen und steigender Preise bessert sich nur langsam.

Krisenstimmung in der gesamten Branche

Derzeit laufen die Geschäfte auch beim Konkurrenten Nike nicht rund. Eine Gewinnwarnung Ende März setzte den Aktienkurs unter Druck. Der Umsatz dürfte in der ersten Hälfte 2025 um einen niedrigen einstelligen Prozentsatz schrumpfen, teilte das Unternehmen mit. Seine Direktvertriebsstrategie treibe das Wachstum nicht wie erwartet voran und es verliere an Boden in der Kategorie Laufsport.

Puma, die derzeitige Nummer drei unter den größten Sportartikelherstellern der Welt, will das Feld vor allem in den USA nicht der Konkurrenz überlassen und hat deshalb in Hollywood ein Design- und Entwicklungszentrum eröffnet. Puma-Vorstandschef Arne Freundt weiß, dass die Zeiten zwar schwieriger geworden seien, aber der Abstand zu den Konkurrenten Adidas und Nike schrumpfe, sagte er der "Welt am Sonntag".

Freundt bereitete Investoren und Aktionäre vorsichtshalber auf einen niedrigeren Gewinn vor. Statt zehn Milliarden Euro und einer Ebit-Marge von zehn Prozent sollen es für die Nummer drei auf dem Weltmarkt nur noch 8 bis 8,5 Prozent werden. Dass es beim heimischen Mitbewerber Puma dennoch besser läuft als bei Adidas, zeigt der im März gestartete Aktienrückkauf mit einem Volumen von 100 Millionen Euro. Außerdem stellt Puma seinen Anteilseignern eine höhere Dividende in Aussicht.

Adidas setzt auch auf neue Sportarten

Der Anfang ist bei Adidas aber gemacht: Die Neuauflage der Retro-Freizeit-Schuhe "Samba" und "Gazelle" scheinen bei den Käufern gut anzukommen. Und der "Campus" habe das Zeug zum nächsten Verkaufsschlager: Er sei im März online der am meisten gesuchte Schuh gewesen, sagte Gulden.

Neben klassischen Sportarten der Leichtathletik sollen auch Randsportarten Adidas helfen, seine Markenbekanntheit zu stärken. Erstmals werden in Paris im Skateboard, Klettern, BMX-Rennen und Breakdance Medaillen vergeben werden – und Adidas will dabei sein.

Entgegen der Strategie seines Vorgängers Kaspar Rorsted umgarnt Björn Gulden Nischensportarten, mit denen sich zwar wenig Geld verdienen lässt, aber das Image aufpoliert werden könnte. Der mit Randsportarten verbundene Lifestyle bietet die Chance, neue Kundengruppen und Länder zu erschließen.

"Sich auf die vier oder fünf größten Sportarten zu konzentrieren, ist allzu einfach und, ehrlich gesagt, es ist dumm", sagte Gulden. "Ich will, dass Adidas auch in den kleineren Sportarten wieder sichtbar ist." Der Schwerpunkt liege zwar auch in Paris auf großen Sportarten wie der Leichtathletik, doch auch mit Nischensportarten ließen sich neue Ideen schöpfen, etwa für Laufschuhe, sagt Gulden.

Strategische Neuausrichtung

Neue Fußballschuhe, eine Basketball-Bekleidungskollektion, der verstärkte Verkauf im Direct-to-Consumer-Segment und der Abbau hoher Lagerbestände in den USA, sollen Adidas wieder wettbewerbsfähig machen.

Zudem sollen die Fußball-Europameisterschaft und das südamerikanische Pendant Copa America im zweiten Halbjahr zu zweistelligen Wachstumsraten führen. Auch der Verkauf der in Pink- und Lila-Tönen gehaltenen neuen EM-Trikots der Deutschen Nationalmannschaft sollen zum Umsatzwachstum beitragen.

Außerdem erwartet Adidas in diesem Jahr für China und Lateinamerika ein währungsbereinigtes Umsatzwachstum im zweitstelligen Prozentbereich. Das operative Ergebnis soll auf 700 Millionen Euro steigen – 200 Millionen Euro mehr als gedacht.

Die Aufbruchstimmung ist zumindest beim Adidas-Chef spürbar: "Die Märkte sind noch immer volatil und schwierig, aber wir haben das Gefühl, dass wir überall Fortschritte machen", sagte Gulden. Bis sich die Fortschritte auch in den Geschäftszahlen widerspiegeln, die letztlich auch den Aktienkurs beflügeln sollen, werden aber noch ein paar Quartale vergehen müssen.

Aktionäre hoffen auf Wende

Die fundamentalen Daten von Adidas passen allerdings derzeit nicht zu einem nachhaltigen und dynamischen Aufwärtstrend, erklärt Roland Gehrt, Finanzexperte und Analyst von Lynx Broker. Entsprechend verhalten zeige sich der Optimismus in Analystenkreisen. Selbst das höchste aller aktuellen Kursziele liege mit 230 Euro nicht mehr allzu weit über dem derzeitigen Kursniveau. Teilweise stuften Experten das Kursziel der Adidas-Aktien bei 190 Euro ein.

"Es wäre ein Tanz auf dünnem Eis", erklärt Gehrt weiter. Denn eine magere Gewinnperspektive und ein längst überbotenes, durchschnittliches Analysten-Kursziel wirkten wie Bleigewichte auf weitere Kursgewinne. Auch wenn der Aktienkurs langfristig nach oben tendiere, sollten Anleger auf plötzliche Rückschläge vorbereitet sein, so Gehrt.

Das Ende der über 70-jährigen Partnerschaft zwischen Adidas und dem DFB hat möglicherweise eine positive Wirkung auf das Geschäft. Denn jedes Unternehmen müsse Kosten und Einnahmen abwägen, so der Adidas-Chef. Er trauere dem Verlust des Ausrüstervertrages mit dem Deutschen Fußball-Bund nicht nach. "Ich bin nicht verärgert", sagte Gulden. "Das war eine vernünftige Entscheidung."

Verwendete Quellen
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