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Soziale Kontakte: Wie Sie Gesundheit und Glück verbessern


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Mehr soziale Zeit
Dieses Verhalten macht Sie gesünder

Eine Kolumne von Ulrike Scheuermann

Aktualisiert am 26.06.2022Lesedauer: 6 Min.
Treffen mit Freunden (Symbolbild): Je häufiger Menschen miteinander interagieren, desto attraktiver, vertrauenserweckender und sympathischer empfinden sie einander.Vergrößern des Bildes
Treffen mit Freunden (Symbolbild): Je häufiger Menschen miteinander interagieren, desto attraktiver, vertrauenserweckender und sympathischer empfinden sie einander. (Quelle: bernardbodo/getty-images-bilder)

Sie gehen doch nicht zur Party, weil im Job etwas dazwischen kommt oder die Couch verlockender ist? Dann sollten Sie den Blick auf private Termine ändern.

Kürzlich erzählte eine Kollegin, dass sie ihren Freundeskreis nach langer Zeit mal wiedersehen würde. Eine Freundin sagte aber ab, aus einem Grund, den man kaum glauben mag: "Ich habe gerade einen so guten Parkplatz", textete sie als Begründung. Die anderen sind irritiert und auch ärgerlich: Wegen eines Parkplatzes kommt sie nicht?

Diese Geschichte spiegelt in extremer Form eine Tendenz, die ich beobachte und die mit Studienergebnissen übereinstimmt: Soziale Kontakte werden unterbewertet in ihrer Bedeutung für ein glückliches und gesundes Leben.

Alarmsignal – Wenn private Treffen rar werden

Es ist ein schleichender Prozess. Das große Arbeitsprojekt muss fertig werden und man macht viele Überstunden. Die Folge: Einladungen zu gemeinsamen Essen oder Kinoabenden werden kurzfristig abgesagt oder von vornherein ausgeschlagen. Am Anfang fällt es einem gar nicht auf, dass man seine Sozialkontakte vernachlässigt, denn man ist gut ausgelastet, beschäftigt sich mit den Arbeitskollegen oder telefoniert.

Längerfristig aber, oft nach Jahren, merkt man: Ich bin ziemlich allein. Niemand ruft an, wenn man erkältet zu Hause liegt, weil keiner der Freunde überhaupt weiß, dass man krank ist. Oder man merkt, dass man nur noch Zeit mit der Partnerin oder dem Partner verbringt und es eigentlich keine anderen Sozialkontakte mehr gibt. Dabei tut uns die Zeit, die wir in Gesellschaft sind, seelisch und körperlich überaus gut.

Die Absagende, von der ich eingangs erzählt habe, hat gleich mehrere Dinge für sich unvorteilhaft entschieden: Sie schlägt das Gesündeste und Zufriedenstellendste für ihr Leben aus, das Zusammensein mit Menschen, die einem wichtig sind, für einen Parkplatz. Sie brüskiert damit ihre Freunde und schädigt so vermutlich die Beziehungen längerfristig, vielleicht lädt man sie auch gar nicht mehr ein.

Bindungsfaktor "soziale Zeit"

In meinem Buch "Freunde machen gesund" (Knaur Balance) stelle ich sechs Prinzipien vor, die Beziehungen stärken und verbessern. Eines davon ist die gemeinsam verbrachte Zeit. Warum ist diese Zeit so wichtig?

Zeit in Gesellschaft anderer ist seit jeher unser Normalzustand: Wir kommen zur Ruhe, wenn wir entspannt zusammen Zeit verbringen. Das macht sich sogar auf körperlicher Ebene bemerkbar: Wenn wir mit anderen Menschen zusammen sind, verringert sich die Stressreaktionen des Körpers. Hormone und Neurotransmitter werden ausgeschüttet – Oxytocin, Dopamin, Endorphine. Sie reduzieren nicht nur Angst und Stress, sondern wirken wie ein körpereigenes Schmerzmittel und lösen Glücksgefühle aus.

Stress kann der Gesundheit massiv schaden

Chronischer Stress ist DAS Gesundheitsproblem unseres Jahrhunderts und kann der Beginn einer Reihe von Krankheiten sein, so etwa Depression, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes. Deswegen ist es so wichtig, einen Ausgleich zu finden und den Stress zu reduzieren.

Kaum etwas ist dabei so effektiv wie entspannte Zeit mit anderen. Die Umarmung von guten Freunden, der Kaffeeklatsch im Büro, das abendliche Telefonat mit dem Bruder – all das ist qualitativ hochwertige soziale Zeit, die unseren Stresspegel senkt. Es stärkt unsere Resilienz im Alltag schützt so unsere Gesundheit und vertieft unseren Halt in der Gemeinschaft.

Ein schöner weiterer Effekt, nachgewiesen in vielen Studien: Je häufiger Menschen miteinander interagieren, desto attraktiver, vertrauenserweckender und sympathischer empfinden sie einander.

Zeit ist also die Währung unserer sozialen Beziehungen. Die Rechnung ist dabei ganz leicht: Beziehungen werden vertrauter und inniger, je mehr Zeit in sie investiert wird.

Freundschaft braucht Zeit

Es dauert viele Stunden, bis aus Bekannten Freunde werden. Wie viele Stunden das tatsächlich sind, wollte Jeffrey A. Hall, Professor für Kommunikationswissenschaften an der Universität Kansas, genauer wissen und führte mehrere Studien dazu durch.

Das Ergebnis: Damit aus Bekannten entfernte Freunde werden, braucht es 40 bis 60 Stunden, gerechnet auf einen Zeitraum der ersten sechs Wochen; 80 bis 100 Stunden macht schon einen guten Freund aus; und wer mehr als 200 Stunden miteinander verbringt, wird sehr wahrscheinlich eine neue beste Freundin gewinnen.

Das klingt erst einmal nach sehr viel Zeitinvestment, aber man muss bedenken, dass die Studienteilnehmer ein Viertel ihrer gesamten Wachzeit im Monat mit nur einem sehr engen und vertrauten Kontakt verbracht haben.

Es muss nicht immer das persönliche Treffen sein

Wirft man einen Blick ins Tierreich, ist dieser Zeitaufwand gar nicht so atemberaubend. Paviane, die uns in vielen Aspekten des sozialen Lebens sehr ähnlich sind, verbringen etwa 45 Prozent ihrer gesamten Wachzeit mit sozialer Interaktion, zum Teil in Form von Körperkontakt und Fellpflege.

Dabei muss es beim Menschen nicht immer das persönliche Treffen sein. Viel eher geht es um das kontinuierliche Investieren unserer Zeit: Zuneigungsbeweise in Form von kleinen Aufmerksamkeiten, ruhig auch mal mit einem kleinen Geschenk, tiefgehende Telefonate, in denen man sich auch emotional öffnet und anvertraut, zwischendurch Text- und Sprachnachrichten, die zeigen, dass man an die Person denkt – all das ermöglicht und fördert emotionale Nähe.

Trotzdem kommt es auf die Qualität der gemeinsam verbrachten Zeit an: Partyzeit zählt beispielsweise nicht dazu, denn dabei findet keine oder wenig Beziehungspflege statt, wenn man eher für sich allein trinkt und tanzt.

Die Studienlage ist eindeutig: Je mehr gemeinsam verbrachte Zeit, desto näher ist die Beziehung. Und desto näher unsere Beziehungen sind, desto schneller reduziert sich unser Stresslevel, wenn wir zusammen Zeit verbringen.

An welchen Stellen wir soziale Zeit dazugewinnen können

Es gibt mittlerweile einige Studien über den Zusammenhang von privater Internetnutzung und Qualitätszeit mit Freunden und Familie. So ziemlich jeder kennt das Problem: Man verbringt viel zu viel Zeit am Handy, in den digitalen sozialen Medien, anstatt sich anderen Dingen zu widmen. Was die wenigsten jedoch realisieren: Genau diese Zeit ist es, die am Ende unseren realen sozialen Beziehungen fehlt.

Denn hochgerechnet hat sich gezeigt, dass für jede persönliche E-Mail oder Nachricht, die man bekommt oder verschickt, etwa eine Minute von der gemeinsamen Zeit mit Familie und Freunden abgeht. Mit einem Durchschnitt von 13 Nachrichten pro Tag sind das 1,5 Stunden pro Woche, die Messenger-Diensten zum Opfer fallen und von der Qualitätszeit mit sozialen Kontakten abgehen.

Letztlich ist das auch nur allein verbrachte Zeit vor dem Display. Wir stehlen uns damit oft unbewusst die kostbare Zeit für qualitativ hochwertige Interaktionen mit anderen. Häufig pflegen wir in digitalen sozialen Netzwerken auch eher weiter entfernte Kontakte, mit denen man sich kaum tatsächlich treffen würde und vernachlässigen darüber die Kontakte, die uns nah und kostbar und damit für unsere Gesundheit am zuträglichsten sind.

Stresslöser: Tipps für ein entspanntes Zusammensein mit anderen

Auf den Ranglisten der glücklichsten Länder der Welt liegt immer auch Dänemark weit vorn, oft mit Norwegen und Finnland. Das dänische Glücksrezept heißt: "Hygge", was ungefähr so viel heißt wie "gemütlich, geborgen".

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Hygge bezeichnet ein behagliches und wohliges Lebensgefühl von Vertrautheit, Sicherheit und Wärme, wie man es zum Beispiel bei einem geselligen Abend mit Freunden oder Familie empfindet, in entspannter Runde in der Natur auf einer Picknickdecke oder bei einer lustigen Radtour erlebt.

Egal, was man gerne macht, es wird meist schöner, wenn man es gemeinsam macht. Es geht nicht darum, etwas besonders Aufwändiges zu tun, sondern einfach die Zeit, die man hat, in gesellige Momente zu investieren. So geht’s:

  • Entspannte, lockere, genussvolle Stimmung kreieren: ob kuschelig auf dem Sofa, mit Kerzen, Windlichtern oder ein bisschen Dekoration. Gerne auch mit Musik – sie ist DER Stimmungsmacher auf Knopfdruck Nummer eins.
  • Jeder trägt etwas zum Gelingen der Gemeinschaft und zum Wohlergehen aller bei: zu den Gesprächen, zum Essen, zur Stimmung. Zum Beispiel durch gemeinsames Kochen, anstatt dass eine Person vorher alles perfekt vorbereitet – und dann mit Schweißperlen auf der Stirn die Gäste empfängt, während andere das Gefühl haben, in der Schuld zu stehen oder im Vergleich als Gastgebende schlechter abzuschneiden.
  • Miteinander im Moment sein und ihn genießen. Vergangenheit und Zukunft spielen keine Rolle.
  • Sich gegenseitig zuhören, anstatt zu diskutieren. Kontroversen können wegfallen, und unterschiedliche Sichtweisen dürfen nebeneinander stehen bleiben.
  • Alle achten auch das Gefühl von Verbundenheit. Alles Trennende wie Konkurrenz, Perfektion und Angeberei bleibt weg.
  • Sich gegenseitig wertschätzen: Es gibt so viel, was man an anderen Gutes erkennen, mit einem Kompliment oder auch dankbar kommentieren kann.

So unspektakulär es klingen mag: Investieren Sie so viel soziale Zeit wie möglich in das Zusammensein mit den Ihnen wichtigen Menschen. Gemeinsame Unternehmungen, essen, plaudern, tratschen, schnacken und lachen verstärken die Bindung und verbessert die Beziehung und damit unsere Gesundheit und unser Lebensglück.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Ulrike Scheuermann: https://www.ulrike-scheuerman.de
  • Ulrike Scheuermann: Freunde machen gesund – Die Nummer 1 für ein langes Leben: deine Sozialkontakte. (Knaur Balance, 2021)
  • Ulrike Scheuermann: Self Care. Du bist wertvoll – Das Selbstfürsorge-Programm. (Knaur Balance, 2019)
  • L. Beckes, J. A. Coan: "Social Baseline Theory: The Role of Social Proximity in Emotion and Economy of Action." In: Social and Personality Psychology Compass 5, Nr. 12, S. 976-88: 2011.
  • V. H. Murthy: "Together. Loneliness, Health and What Happens When We Find Connection." London: 2020, S. 33.
  • T. M. Love: "Oxytocin, Motivation and the Role of Dopamine." In: Pharmacology Biochemistry and Behavior 119, S. 49-60: 2014.
  • H. T. Reis, et al.: "Familiarity Does Indeed Promote Attraction in Live Interaction." In: Journal of Personality and Social Psychology 101, Nr. 3, S. 557-70: 2011.
  • J. A. Hall: "How Many Hours Does It Take to Make a Friend?" In: Journal of Social and Personal Relationships 36, Nr. 4, S. 1-19: 2018.
  • S. G. B. Roberts, R. I. M. Dunbar: "The Costs of Family and Friends: an 18-Month Longitudinal Study of Relationship Maintenance and Decay." In: Evolution and Human Behavior 32, Nr. 3, S. 186-97: 2011.
  • R. A. Hill, R. I. M. Dunbar: "Social Network Size in Humans." In: Human Nature 14, Nr. 1, S. 53-72: 2003.
  • S. Pinker: "The Village Effect. Why Face-to-Face Contact Matters." London: 2015, S. 289.
  • N. H. Nie, et al.: "Internet Use, Interpersonal Relations, and Sociability: A Time Diary Study". In: The Internet in Everyday Life, S. 213-43. Oxford: 2002.
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