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TV-Kritik "Anne Will": So lief der "Zukunft der Arbeit"-Talk in der ARD


TV-Kritik zu "Anne Will"
"Mitten in der zweiten industriellen Revolution"

t-online, Von David Heisig

Aktualisiert am 31.10.2016Lesedauer: 3 Min.
Anne Will.Vergrößern des Bildes
Anne Will. (Quelle: dpa-bilder)

Mit dem "Tatort: Echolot" hat die ARD die Themenwoche "Zukunft der Arbeit" eröffnet. Den Schwung wollte Anne Will für ihren Talk mitnehmen und mit den Gästen über die "schöne neue Arbeitswelt" diskutieren. Das taten die mit viel Gekreisch.

Die Gäste

  • Leni Breymaier, SPD-Landesvorsitzende in Baden Württemberg
  • Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP
  • Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer Bitkom e.V.
  • Manfred Spitzer, Psychiater und Psychologe
  • Sascha Lobo, Blogger und Buchautor

Das Thema

Eine hippe Start-up-Klitsche, etwas Virtuell-Slang und eine durchgeknallte Computersoftware: Rosig war das Bild nicht, das der Tatort von der digitalen Arbeitswelt zeichnete. Zum Glück alles nur Fiktion. Hoffentlich. Dabei war es gut, dass Will sich keiner thematischen Anleihen an den überzeichneten Film bediente, sondern ihre Sendung in der Themenwoche realistisch anging. Sie fragte nach der "schönen neuen Arbeitswelt".

"Wir sind mitten in einer zweiten industriellen Revolution", umschrieb es Lindner. Die Zahlen sind nüchterner. 500.000 Jobs könnten laut Weltwirtschaftsforum in den nächsten Jahren durch Automatisierung und Digitalisierung, in der Sendung liebevoll "Roboter" genannt, wegfallen. Da war sich auch Breymaier sicher: "Massenweise Arbeitsplätze" seien gefährdet, so die SPD-Frau.

Die Fronten

Es entstünden nicht so viele Jobs in neuen Bereichen, wie in alten verloren gingen. Klar, dass der IT-Fachmann Rohleder das anders sieht. Die Unternehmen wollten den Menschen das Leben einfacher machen, Kundennutzen stiften. Damit natürlich auch Geld verdienen. Eine "Win-win-Situation".

Auch Lindner betonte die Chance, die Roboter brächten. In Bereichen etwa, in denen es für Menschen zu anstrengend werde zu arbeiten. Zudem könnten sie die Probleme des Fachkräftemangels lösen. Das böte auch die Chance, andere Arbeitsbereiche für den Menschen zu entwickeln. Wenn man "immer nur Risiken" sehe, gingen Chancen verloren.

Lobo verteidigte die digitale Entwicklung gegen Spitzer. Der meinte, Kinder und Jugendliche profitierten nicht von digitalen Medien, Störungen in Motorik und Sprache seien die Folge der Nutzung von Smartphones und Co. Wenn man den eigenen Kindern Arbeitslosigkeit garantieren wolle, halte man sie von digitalen Medien fern, so Lobo. Allerdings sehe er die Gefahr, dass hochbezahlte Jobs in den Bereichen weniger würden, in denen viel Wissen "in die Roboter fließe". Arbeiten im Umfeld würden schlechter bezahlt, weil sie geringerer Qualifikation bedürften.

Kern der Diskussion

Erster Themenkomplex: die "zivilisatorischen Chancen" einer sich verändernden Arbeitswelt, von Lindner mit kühlem Charme, von Rohleder als Wills Sidekick, wenn es um ein Lob auf die Technik ging, vorgetragen. Lobo hob den mahnenden Finger mit Ironie.

Zweiter Themenkomplex: das soziale Gewissen, das Breymaier verkörperte. Sie sprach von digitaler Rendite und der Notwendigkeit, dass vor allem die profitieren müssten, auf deren Rücken der Umbruch im Arbeitsmarkt von statten gehen werde.

Das dritte Schlachtfeld machte Spitzer auf. Kinder und Jugendliche müssten vor der digitalen Entwicklung geschützt, dürften erst mit 15, 16 Jahren herangeführt werden. "Kinder sind keine Computer", betonte er: "Menschen machen keinen Download." Man brauche Wissen, um Informationen zu verarbeiten. Das erlerne man nicht digital. Wie man dann auf die digitale Revolution vorbereiten könne, fragte Rohleder. Die Diskussion wurde hitziger.

Aufreger des Abends

In der Tat musste man Sorgen haben, Spitzer kippe jeden Moment aus dem Sessel. Nicht nur wegen seines schrägen Sitzes. Eher wegen seines gewiss hohen Blutdrucks. Will musste gar einmal fragen: "Herr Spitzer, können sie mich hören?" - so hatte der Mann sich in Rage geredet. Aggressiv ging er die anderen an.

Will konnte da nur mit einem langgezogenen "Okay" antworten, Lindner schüttelte mitleidig den Kopf. In der Tat kam keine vernünftige Diskussion in Gang. Vor allem Lindner, Lobo und Spitzer, die gemeinsam links auf dem Podium saßen, warfen sich gegenseitig Fehlverhalten an den Kopf: falsche Studien, nicht ausreden lassen, "Sie haben keine Ahnung".

Das Tohuwabohu führte gar zu Momenten des Fremdschämens: zum Beispiel als Lobo giftete, Spitzer wolle nur Angst machen, um seine Bücher zu verkaufen, oder sich der Psychologe über Lobos rote Irokesenfrisur lustig machte.

Dabei waren die Diskutanten oft gar nicht weit auseinander, trennende Ansichten hätten schonend diskutiert werden können. Statt des gegenseitigen Vorwurfs der Schwarz-Weiß-Malerei hätten so die Zuschauer etwas mitnehmen können. Denn Spitzers durchaus einleuchtenden Ansätze widersprachen gar nicht den von Lindner und Co. propagierten Chancen.

Was schade war

Will hätte nur etwas Dampf aus dem Kessel nehmen müssen. Aber nicht nur Spitzers Einwurf "falsch" zu den Aussagen der anderen wiederholte sich zu oft. Auch die Positionen der Gäste wurden kaum weiterentwickelt. Stattdessen wurde gegen Ende über das moralische Dilemma eines automatischen Fahrzeugs diskutiert, das entscheiden müsse, wen es im Notfall totfahren würde - irgendwie unpassend.

Immerhin konnte SPD-Frau Breymaier am Ende noch einwerfen, dass das Thema Arbeit neu diskutiert werden müsse und man jetzt noch die Chance dazu habe.

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